# taz.de -- Homophobe Berlusconi-Vertraute: „Italien ist ein katholisches Land“
       
       > Eine Gleichstellungsbeauftragte, die homophobe Theorien verbreitet?
       > Bitteschön: Michaela Biancofiore. Am Samstag zog Italiens Premier Letta
       > die Notbremse.
       
 (IMG) Bild: „Ich bin eine Kamikaze, die mit reinem Berlusconi-TNT vollgepackt ist“: Staatssekretärin Michaela Biancofiore
       
       ROM taz | „Die Schwulenverbände täten gut daran, sich nicht in ihrem
       eigenen Ghetto abzuschotten“, und überhaupt, die Italiener haben „andere
       Sorgen als die Schwulenehe“. Sprüche wie diese hört man mit schöner
       Regelmäßigkeit aus dem Berlusconi-Lager, doch diesmal erregten sie
       Aufsehen.
       
       Denn Michaela Biancofiore, Autorin dieser Weisheiten, war gerade erst zur
       Staatssekretärin für Gleichstellungsfragen ernannt worden, als sie am
       Samstag in einem Zeitungsinterview deutlich machte, wie sie es mit der
       Gleichstellung hält. Zum Beispiel so: Die Schwulenverbände seien doch gut
       beraten, wenn sie „endlich einmal die zahlreichen, kürzlich geschehenen
       Frauenmorde verurteilen würden“.
       
       Zwar waren die Mörder in keinem einzigen Fall Schwule, sondern immer
       heterosexuelle Männer, aber der 42-jährigen platinblonden
       „Berlusconi-Amazone“ ging es ja auch bloß darum, das ganze Aufhebens um die
       Rechte Homosexueller als zweitrangig abzutun. „Homosexuelle sind auch
       Personen“, konzediert sie zwar großmütig, aber „Italien ist nun einmal
       immer noch ein katholisches Land“.
       
       Und Michaela Biancofiore ist eine jener Politikerinnen, die die perfekte
       Synthese von Katholizismus und Berlusconismus hinbekommen haben. In ihrer
       Autobiographie erzählt sie voller Stolz, dass sie wohl nicht umsonst am 29.
       September, dem Geburtstag Silvios, ihren Namenstag feiere. Und ihre ganze
       Kindheit mit den schönen Fernsehserien auf den Berlusconi-Kanälen, mit der
       TV-Zeitschrift bei ihr zu Hause, natürlich aus dem Berlusconi-Verlagshaus,
       habe immer im Zeichen Silvios gestanden. Da konnte die politische Aktivität
       bei „Forza Italia“, zu Hause in Bozen, nicht ausbleiben.
       
       2003 dann trifft sie ihr Idol, „es war wie eine Explosion im Herzen, wie
       ein Feuerzeichen auf der Haut“, streng heterosexuell natürlich, und
       überhaupt auch nur theoretisch, denn Berlusconi schenkte Michaela zwar
       sofort einen Diamantring, den sie auch heute noch „als Verlobungsring
       trägt“, auch wenn die beiden – so berichtet sie – nie etwas miteinander
       hatten.
       
       ## Nicht der Duce
       
       Dennoch weiß Biancofiore: „Ich bin eine Kamikaze, die mit reinem
       Berlusconi-TNT vollgepackt ist“, und seit 2006 zündet sie als Abgeordnete
       im römischen Parlament immer wieder gern ihre rhetorischen Bomben, bedauert
       zum Beispiel, dass „Berlusconi nicht der Duce ist“.
       
       Ansonsten wusste sie immer schon, „dass es nicht nur die Heterosexualität
       gibt, sondern auch eine andere Form der Sexualität, die heute leider extrem
       verbreitet ist“, und die Adoption von Kindern durch schwule Paare lehnt sie
       rundheraus ab, weil diese Paare ja „exzentrisch sind – denken Sie bloß an
       Elton John – und die Kinder fern der Normalität aufwachsen“.
       
       Nur zu bekannt waren diese Ansichten, als Italiens neuer Regierungschef
       Enrico Letta Biancofiore am letzten Dienstag zur
       Gleichstellungs-Staatssekretärin in der gerade aufgelegten großen Koalition
       machte. Deshalb wohl fand die kämpferische Michaela nichts dabei, ihre
       homophoben Theorien umgehend zu wiederholen. Letta zog daraufhin die
       Notbremse, schon am Samstag war Biancofiore ihren Zuständigkeitsbereich
       los. Von nun an soll sie sich als Staatssekretärin um die öffentliche
       Verwaltung kümmern.
       
       5 May 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Braun
       
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