# taz.de -- Regionalwahlen auf Sizilien: Absturz für das Berlusconi-Lager
       
       > Bei den Regionalwahlen auf Sizilien gewinnt Linkskandidat Rosario
       > Crocetta. Der wahre Sieger ist die Protestliste „Fünf-Sterne-Bewegung“
       > des Komikers Grillo.
       
 (IMG) Bild: Überraschender Wahlsieger: Rosario Crocetta ist der erste linke Regionalpräsident Siziliens seit 1945
       
       ROM taz | Die Berlusconi-Rechte ist dezimiert, der Regionalpräsident
       erstmals seit 1945 ein Linker, die Protestliste des „Movimento 5 Stelle“
       (M5S – „Fünf-Sterne-Bewegung“) auf dem anscheinend unaufhaltsamen
       Vormarsch: Dies ist das Resultat der Regionalwahlen auf Sizilien, die einem
       in ganz Italien ausstrahlenden politischen Erdbeben gleichkommen.
       
       Die Wahlen vom Sonntag, deren Ergebnisse erst am Montag Abend vorlagen,
       waren nötig geworden, weil der 2008 gewählte bisherige Gouverneur Raffaele
       Lombardo seinen Rücktritt eingereicht hatte, nachdem die Staatsanwaltschaft
       Palermo ein Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen Unterstützung der Mafia
       eingeleitet hatte. Vor vier Jahren hatte Lombardo an der Spitze eines
       breiten Rechtsbündnisses 65 Prozent der Stimmen gewonnen; stärkste Kraft in
       seiner Koalition war die Berlusconi-Partei Popolo della Libertà (PdL –
       „Volk der Freiheit“), die auf 33 Prozent der Stimmen gekommen war.
       
       Am Sonntag dagegen erlebte das Berlusconi-Lager den völligen Absturz. Sein
       Direktkandidat für das Amt des Gouverneurs erreichte nur 25 Prozent; die
       Parteiliste des PdL, über die die Regionalabgeordneten gewählt werden,
       blieb bei 13 Prozent hängen.
       
       Wahlsieger wurde der Linkskandidat Rosario Crocetta, auch wenn er nur 30,5
       Prozent der Stimmen bekam. Crocetta ist heute Mitglied der gemäßigt linken
       Partito Democratico und seit 2009 im Europaparlament. Er hat nie ein Hehl
       daraus gemacht, dass er schwul ist. Dies schadete dem 61-Jährigen jetzt
       ebenso wenig wie die Tatsache, dass er als Bürgermeister der sizilianischen
       Stadt Gela in den Jahren 2003-2009 entschlossen die Mafia bekämpfte. Doch
       Crocetta tritt mit dem Handicap an, dass seine Koalition nur über 39 der 90
       Sitze im Regionalparlament verfügen wird.
       
       ## Kein Linksrutsch
       
       Denn ein wirklicher Linksrutsch ist bei den Wahlen ausgeblieben. Das
       Mitte-Rechts-Lager, im Jahr 2008 noch geeint, verlor vor allem, weil es
       diesmal zersplittert antrat. Nicht zuletzt aber blieben die Wähler in
       Scharen zu Hause oder votierten für den Anti-Parteien-Protest. Die
       Beteiligung am Urnengang ging von 66 Prozent (2008) auf jetzt 47 Prozent
       zurück. Italiens Wahlforscher sind sich einig, dass die tiefe
       Unzufriedenheit mit allen traditionellen Parteien hinter der Enthaltung
       steht. Die gilt auch für die Mafia: In Palermos größtem Gefängnis tendierte
       die Wahlbeteiligung gegen Null.
       
       Zum wahren Triumph wurde die Abstimmung allein für die von dem Komiker
       Beppe Grillo ins Leben gerufene Protestliste „Movimento 5 Stelle“. Vor vier
       Jahren hatte sie gerade einmal 2 Prozent erreicht – jetzt gewann ihr
       Direktkandidat für den Gouverneursposten 18 Prozent, die Parteiliste 14,7
       Prozent. Das Ergebnis gilt als umso sensationeller, weil die
       Anti-Parteien-Bewegung in Sizilien eher schwach organisiert war.
       
       Wie immer in ihren Wahlkampagnen traten die M5S-Kandidaten in keiner
       einzigen TV-Talkshow auf. Stattdessen führten sie einen traditionellen
       Wahlkampf mit zahlreichen Platzkundgebungen und diversen PR-Gags ihres
       Frontmannes Grillo, der zur Eröffnung der Kampagne die Sizilien vom
       italienischen Festland trennende Straße von Messina durchschwamm und dann
       auch noch, „auf den Spuren von Pythagoras“, den Ätna bestieg.
       
       Koalitionen mit Crocetta schließt M5S absolut aus; denkbar sei einzig eine
       punktuelle Unterstützung bei „vernünftigen Vorhaben“. Crocetta wird deshalb
       wohl eine Minderheitsregierung bilden müssen – ein Symptom für die
       instabilen Verhältnisse, die auch Italiens Parlament nach dem in spätestens
       sechs Monaten anstehenden nationalen Wahlen kennzeichnen könnten.
       
       30 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Braun
       
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