# taz.de -- Kommentar Berlusconi: Vorbild für Millionen
       
       > Fast 20 Jahre war Berlusconi in der Politik, um sich vor dem Knast zu
       > retten. In 13 Prozessen hat es zu keiner Verurteilung gereicht. Daran
       > wird auch der aktuelle Richterspruch wenig ändern. 
       
 (IMG) Bild: Der Spaß ist vorbei: Renata Polverini (l.) vor ihrem Rücktritt, zusammen mit Partei-Chef Silvio Berlusconi (r).
       
       Vier Jahre Haft für Silvio Berlusconi wegen Steuerhinterziehung verhängte
       am Freitag ein Gericht in Mailand – und wieder einmal denkt alle Welt,
       jetzt endlich sei es so weit. Endlich in den Knast einfahren werde der
       mittlerweile 76-jährige Medienzar, der gleichsam nebenher für knapp 20
       Jahre noch den populistischen Politiker gab (vor allem, um seine eigne Haut
       vor der Justiz zu retten).
       
       Doch so wird es nicht kommen. Berlusconi ist verurteilt – doch erneut droht
       ihm: schier gar nichts. Erst einmal gibt's drei Jahre Skonto, weil Italiens
       Parlament schon im Jahr 2006 für alle vordem begangenen Straftaten eben
       jenen dreijährigen Strafnachlass beschlossen hatte. Das letzte Jahr dann
       wird gewöhnlich zur Bewährung ausgesetzt. Doch vor diesem – zumindest
       moralisch schmählichen – Resultat stehen noch zwei Instanzen. Sie können,
       wie vorher schon so oft, mit Freispruch enden oder mit Verjährung.
       
       Schon in der ersten Instanz lief der Prozess stolze sechs Jahre; ihn in den
       nächsten zwei Jahren bis zur endgültigen Verjährung noch ein wenig
       hinzuziehen, sollte seinen bestens bezahlten Anwälten eine leichte Übung
       sein.
       
       Beim internationalen Filmhandel soll Silvio sich – dies der Grund der jetzt
       erfolgten Verurteilung – per Einschaltung erfundener Zwischenhändler an der
       Steuer vorbei bereichert, soll er zugleich schwarze Kassen gefüllt haben.
       Wahrscheinlich war es tatsächlich so, ebenso wie der gerade Gesetzen
       gegenüber hoch flexible Unternehmer schon in der Vergangenheit gerne
       Bilanzen fälschte, Politiker bestach, Prozesse per Korruption zu
       beeinflussen suchte.
       
       ## Nicht zu ahnden
       
       Verständlich, dass so mancher ihn gern hinter Gittern sähe. Doch
       Berlusconis wahre, seine größte Schuld lässt sich juristisch wohl kaum
       ahnden: Sie besteht darin, dass er es in nunmehr fast 20 Jahren schaffte,
       sich nicht bloß zum politisch Verfolgten, sondern zugleich gerade wegen
       seiner Auseinandersetzungen mit Justiz und Steuerfahndung zum wahren
       Vorbild für Millionen Italiener zu stilisieren. Dass er es so schaffte,
       nicht bloß die politische, sondern die Bürgerkultur des Landes auf den Hund
       zu bringen. Dafür jedoch, so steht zu fürchten, wird er nie büßen.
       
       Berlusconis Rechnung ist aufgegangen: Fast 20 Jahre war er in der Politik,
       um sich selbst vor dem Knast zu retten und seine Unternehmen vor der Pleite
       zu bewahren. Beides ist gelungen, denn weiterhin ist er nicht vorbestraft:
       In den nunmehr 13 Prozessen gegen ihn hat es nie zu einer
       letztinstanzlichen Verurteilung gereicht. Daran wird auch der vorerst
       letzte Richterspruch aus Mailand kaum etwas ändern.
       
       27 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Braun
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Silvio Berlusconi
 (DIR) Italien
       
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