# taz.de -- Muslimischer Musikkanal in Ägypten: Frömmelndes MTV
       
       > Der ägyptische Sender 4Shbab bietet seichte Popschlager und moderne
       > Modesendungen für Muslime. Arte dokumentiert Konzept und Macher
       > (Dienstag, 4. April, 23.35 Uhr).
       
 (IMG) Bild: Pop und Islam: Erfolgreiches Sendekonzept in Ägypten.
       
       Wer sind die jungen Ägypter, die jetzt in ihrem Land künftig eine
       demokratischere Zukunft gestalten sollen? Zwei von ihnen stellt die
       Dokumentation "Pop Islam", die noch vor der dramatischen Umbruch in der
       arabischen Welt entstanden ist, vor.
       
       Der Fernsehpionier Ahmed Abu Haiba hat 2009 den ersten religiösen
       Musiksender seines Landes gegründet. Als Zeichen seiner Frömmigkeit trägt
       er auf der Stirn die Zabiba - ein Abdruck, der vom häufigen Beten kommt.
       Ansonsten aber kleidet er sich so leger, wie es seine Start-up-Kollegen im
       Westen tun. Auch mit seinem Sender sucht Abu Haiba den Mittelweg zwischen
       Frömmigkeit und Lifestyle: 4Shbab, zu Deutsch "für die Jugend", will ein
       Gegengewicht zu den losen Sitten bilden, wie sie andere Musiksender
       pflegen. Der Kanal setzt also auf frömmelnde Sänger und seichte Popschlager
       mit religiöser Botschaft - "Ich bete zu Gott und gehe meinen Weg", lautet
       ein typischer Songtext. Das ist kitschig inszeniert, aber absolut
       familienfreundlich und jugendfrei.
       
       Yasmine Mohsen dagegen ist das erste Fotomodell mit Kopftuch. Sie hat
       studiert und sich dann bei 4Shbab als TV-Moderatorin beworben, für ihre
       emanzipierten Glaubensschwestern möchte sie ein "Role-Model" sein. Zum
       Kopftuch trägt sie High Heels plus körperbetonte Kostüme und lässt sich von
       einem männlichen Visagisten schminken - für konservative Muslime ein Graus.
       Einmal sieht man, wie sie einer Mädchengruppe Anweisungen zum islamisch
       korrekten Catwalk gibt. Für 4Shbab will sie eine Sendung zu
       Alltagsproblemen wie sexuelle Belästigung bestreiten, später schwebt ihr
       eine Modesendung für die verschleierte Frau vor.
       
       Allerdings gibt es trotzdem Konflikte mit den saudischen Geldgebern, denn
       für konservative Geister hat 4Shbab schon zu viele Frauensendungen im
       Programm. Am meisten Kritik kommt aber von eifernden Scheichs und Muftis,
       den traditionellen Autoritäten des konservativen Islams. Oder von
       unglücklichen Eltern, denen die Verbindung von Popkultur und offensiv zur
       Schau getragenem Glauben nicht behagt. "Ein amerikanisierter Islam" sei
       das, wütet in einem TV-Streitgespräch ein bärtiger Scheich und verteufelt
       Popmusik, Castingshows und Soap-Ästhetik des Senders als Ablenkung vom
       Wesentlichen, dem Koran. Doch Ahmed Abu Haiba bleibt ruhig: er weiß, dass
       er zwischen Old-School-Islam und säkularer Popkultur eine Marktlücke
       gefunden hat.
       
       Solche Szenen machen die Stärke der Dokumentation aus, die sehr nahe an
       ihren Protagonisten bleibt. Der Off-Erzähler hält sich zurück, lässt die
       Bilder für sich sprechen und bietet nur wenige Erklärung an. Zwischendrin
       sind Musikclips eingeschnitten, wie man sie sonst auf arabischen
       Satellitenkanälen sieht: Leicht bekleidete Schönheiten räkeln sich da
       lasziv zu überhitztem Bauchtanzpop und lassen vor Luxuskulissen ihre Hüften
       kreisen: Für die jungen Männer, die solche Clips im Café oder im Internet
       betrachten, eine unerreichbare Traumwelt. Die Hintergründe bleiben dabei
       leider unscharf.
       
       So erwähnt der Film nicht, dass Ahmed Abu Haiba einst die TV-Shows des
       populären TV-Predigers Amr Khaled produzierte, bevor er sein MTV für
       gläubige Muslime gründete. Das ist schade, denn der Erfolg des 40-Jährigen,
       der im Stile eines evangelikalen Fernsehpredigers aus den USA für einen
       modernen Islam wirbt, hat den Weg für einen Musiksender wie 4Shbab erst
       bereitet. Wenig erfährt man auch über das Publikum des Senders oder die
       übrige Fernsehlandschaft am Nil. Und leider blickt der Film auch nicht über
       Ägypten hinaus. Denn in vielen muslimisch geprägten Ländern, von der Türkei
       bis Indonesien, gibt es vergleichbare Trends.
       
       Der Pop-Islam ist längst ein globales Phänomen geworden, das auch in
       Deutschland seine Blüten treibt.
       
       "Pop-Islam", 4.4.2011, 23.35 Uhr, Arte
       
       4 Apr 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Bax
 (DIR) Daniel Bax
       
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