# taz.de -- Tonträger: Die Diven-Achse
       
       > Devendra Banhart ist nicht mehr "weird", PJ Harvey ergreift und Nena
       > verhebt sich. Drei neuen Alben von drei großen Diven.
       
 (IMG) Bild: Ab auf die Pärchencouch: Devendra Banhart.
       
       Ja, Devendra Banhart ist der mit der Jesusbehaarung, der mit dem Kajal um
       die Augen und der mit den Mädchenschuhen an den Füßen. Ja, der 26-Jährige
       wird als Zentralgestirn jener bestaunten US-kanadischen Szene wahrgenommen,
       die auf der Oberfläche mit dem buntflattrig Hippiehaften hausieren geht,
       eigentlich aber einfach recht gute, nicht ganz einfallslos Folk und Country
       verarbeitende Musik macht. Man nennt sie "Weird Folk". Mit weird hat die
       Musik auf Banharts fünftem Album "Smokey Rolls Down Thunder Canyon"
       allerdings nichts zu tun. Sie hat diesmal zwar ihren Genre-Bezugsrahmen
       stark ausgeweitet und sehr viele Musiker beteiligt, ist aber trotzdem vor
       allem nicht mehr als: recht gut. Und verliebt in die Vergangenheit. Auch
       wenn die Stücke mal brüchiger, mal opulenter produziert sind, als es damals
       möglich war: Banharts neues Album könnte auch eine Sammlung von
       Sixties-Coverversionen sein. Er selbst klingt mal nach Lennon in der "Abbey
       Road"-Phase, mal bebt seine Stimme vor Morrisson-Männlichkeit, mal
       tremoliert sie Sinatra'sch. Dazu erklingen Mandolinen-Orchester, Chöre,
       Wurlitzer-Orgeln, Jethro-Tull-Querflöten und, sehr häufig, Slide-Gitarren.
       So geht es von Easy-Listening-Boogies über psychedelischen Folkblues hin zu
       spanischem Soli-ChaCha. Ein bisschen weird ist höchstens, dass der Sänger
       sich in "Sea Horse" danach sehnt, ein Seepferdchen zu sein. Trotzdem: Ein
       Album für die Pärchencouch.
       
       Devendra Banhart: "Smokey Rolls Down Thunder Canyon" (XL/Beggars) 
       
       ## Herzstillstandsdeepness
       
       Davor ist PJ Harvey gefeit. Obwohl Polly Jean jetzt Klavier spielt und
       singt wie am glitzernden Seidenfaden. Nichts auf ihrem siebten Album "White
       Chalk" erinnert mehr an ihre großartigen 90er-Eruptionen, wo sie zur hart
       gedroschenen Gitarre schrie und Zeilen wie "Lick my lips, I'm on fire"
       quälstöhnte. Ihre Verzweiflung braucht heute die Lautstärke nicht mehr, sie
       schleicht sich auf den Sohlen der fahlen Schönheit an. Weiß gekalkt und in
       Erlkönig-hafte Nebelhallwolken gehüllt klingt die Musik, jedes Stück eine
       kleine, analoge Gothic-Miniatur übers Abschiednehmen und
       Allein-Gelassenwerden. Ein bisschen so, als hätte man von 40-spurigen
       Miranda Sex Garden-Aufnahmen nur jede achte Spur stehen lassen. Das ganze
       Album benötigt nur eine halbe Stunde, um seinen Punkt zu machen:
       Ergriffenheit geht nicht über Pathos, sondern über Maßhalten mit den
       Herrlichkeiten der Harmonieführung. "Grow Grow Grow" ist dabei ein neuer
       Beweis dafür, dass in der Popmusik oft die schönsten Dinge gelingen, wenn
       man sich an den Dreier-Takt herantraut - und von Klavier und Harfe dazu
       bleich verhallte Arpeggios spielen lässt. Wem die Stücke der Harfenistin
       Joanna Newsoms zu langatmig sind, wer aber trotzdem nach ähnlich brüchiger
       Wunderschönheit, verrührt mit einer gehörigen Portion
       Herzstillstandsdeepness sucht, der ist mit der PJ Harvey von heute ein
       glücklicher Mensch.
       
       PJ Harvey: "White Chalk" (Island/ Universal Music) 
       
       ## Will der Sheriff tanzen gehn
       
       Und braucht dann natürlich Nena nicht mehr. Diejenigen, die sich da nicht
       sowieso sicher sind, seien gewarnt. Nena ("99 Luftballons"), mittlerweile
       47 und vierfache Mutter, gründet ja seit neuestem Privatschulen, weil sie
       "Kindern einen natürlichen Raum geben will, sich frei zu entfalten".
       Gleiches Recht für alle, wird sie gedacht haben, denn Entfaltung, das liegt
       auch ihr. Deswegen hat sie jetzt ihre All-time-favourite-Lieblingslieder
       aufgenommen. 17 deutsche und 13 englische, 120 grässliche Minuten voll.
       Ihre deutschen Idole verwundern nicht so sehr: Udo Lindenberg, Rio Reiser,
       Ideal, Rammstein. Bei den englischsprachigen geht sie beschwingt und ohne
       angebrachte Scheu noch eine Liga höher: Bowie, Stones, Dylan, Neil Young,
       Pink Floyd. Dass sie sich an konsequent allen verhebt, ist klar. Ganze drei
       Songkategorien stehen ihr als Cover-Möglichkeit zur Verfügung: der
       Schlager, die dicke Rocknummer und der noch dickere Dance-Smasher mit
       Humpta-Stampfbeat. Eine Doppel-CD passgenau fürs Oktoberfest. Schön ist
       einzig, dass man in Stück 3 auf CD 1 von Nena an die herrlichen Texte der
       Deutsch-Amerikanischen Freundschaft erinnert wird: "Alle müssen mal
       kapieren/ Was der Sheriff will/ Will der Sheriff tanzen gehen/ Tanzen alle,
       das ist schön."
       
       Nena: "Cover Me" (Warner)
       
       20 Sep 2007
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kirsten Riesselmann
 (DIR) Kirsten Riesselmann
       
       ## TAGS
       
 (DIR) PJ Harvey
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