# taz.de -- Grünen-Politikerin Wendland über geschlossene Heime: „Die Idee ist perfide“
       
       > Susanne Wendland, grüne Abgeordnete in der bremischen Bürgerschaft,
       > beklagt fehlende Debatten und innere Widersprüche im Sozialressort.
       
 (IMG) Bild: Als grüne Heim-Gegnerin in der Minderheit: Susanne Wendland
       
       taz: Frau Wendland, jugendliche Flüchtlinge, die auffällig wurden, sollen
       weggesperrt werden. Dem haben auch die Grünen zugestimmt. Hat die Partei
       ihre Seele verkauft?
       
       Susanne Wendland: In dieser Diskussion: Ja. Ich bin weiterhin gegen eine
       geschlossene Unterbringung. Wir haben uns gegen die SPD nicht durchsetzen
       können. Doch ich bin mit meiner Position nicht allein. Viele zweifeln, so
       Staatsrat Horst Frehe und Sozialsenatorin Anja Stahmann.
       
       Trotzdem haben sie im Senat das Gegenteil beschlossen – und das auch
       verteidigt! 
       
       Das ist ein Widerspruch. Und ich finde, wir müssen die Frage noch mal ganz
       neu diskutieren – weil diese Diskussion noch nicht stattgefunden hat. Es
       gibt die Basta-Politik der SPD, die sagt: Wir wollen eine schnelle Antwort
       und uns damit nicht weiter auseinandersetzen. Das ist nicht hinnehmbar! Es
       fehlt dazu eine breite fachliche Debatte mit der Basis und den ExpertInnen
       aus der Sozialen Arbeit. Die muss es jetzt geben.
       
       Ist die gewollt? Der grüne Landesvorsitzende Ralph Saxe hat gesagt: Wir
       wollen kein großes Fass aufmachen. 
       
       Wir müssen das aber tun – das entspricht auch dem Tenor, den es in unserer
       Fraktion schon vor der Wahl gab. Und das entspricht auch der Stimmung an
       der grünen Basis.
       
       Der rot-grüne Senat und seine Mehrheit im Parlament haben die geschlossenen
       Unterbringung aber schon vor der Wahl durchgewunken. Ist es jetzt nicht
       bereits zu spät? 
       
       Nein. Wir müssen das breit debattieren. Ich habe immer wieder betont, dass
       wir über Alternativen zu der geschlossenen Unterbringung reden müssen. Eine
       Möglichkeit ist, die mobile Betreuung weiterzuentwickeln. Dabei werden die
       Jugendlichen in eigenen Wohnungen betreut. Dazu gehört qualifiziertes
       Fachpersonal. Wir brauchen da eine 1:1-Betreuung, nicht nur einen Schlüssel
       von 1:3, wie es ihn jetzt gibt. Das Konzept ist zu verbinden mit
       psychosozialen Therapieangeboten. Auch über die Einrichtung einer
       Koordinierungsstelle, wie es sie in Hamburg gibt, müssen wir nachdenken.
       Also die Jugendhilfe weiter stärken, indem wir Ansprechpartner finden, die
       in schwierigen Fällen Casemanager unterstützen.
       
       Hat sich Rot-Grün Gedanken gemacht, ob das Wegsperren rechtlich zulässig
       ist? 
       
       Die Idee der SPD, hier zwei Rechtskreise miteinander zu verbinden, ist
       perfide. Das geht gar nicht. Auf der einen Seite haben wir das
       Jugendstrafrecht, auf der anderen Seite das Jugendhilfegesetz – die müssen
       aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit getrennt voneinander angewendet werden.
       Und dabei muss für uns Grüne die Jugendhilfe immer Vorrang haben.
       
       Hat sie jetzt aber offenbar nicht mehr. Und es gibt keine Belege, dass die
       geschlossene Unterbringung was bringt. Warum gilt Law&Order trotzdem als
       Mittel der Wahl? 
       
       Es gibt einen Paradigmenwechsel, den ich hoch bedenklich finde und den
       viele Grüne keinesfalls teilen. Statt die Jugendlichen in ihrer Lebenswelt
       abzuholen und auf Erziehung und Resozialisierung zu setzen, sollen
       zukünftig Zwang und Gewalt gelten. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit – die
       Menschen in der Unfreiheit zur Freiheit erziehen zu wollen.
       
       Es fällt auf, dass in der Debatte um die geschlossene Unterbringung nur von
       Flüchtlingen und nie von Deutschen die Rede ist.
       
       Auch Jugendliche, die hier geboren und aufgewachsen sind, zeigen manchmal
       auffälliges Verhalten. Die Debatte soll nicht auf Flüchtlinge verengt
       werden. Um es nochmal ganz klar zu machen: Wenn Jugendliche Straftaten
       begehen und vor Gericht verurteilt sind, dann gilt das Strafrecht.
       
       Ist die rot-grüne Politik in diesem Punkt rassistisch? 
       
       Wenn eine geschlossene Unterbringung tatsächlich nur eine
       intensivpädagogische Maßnahme für Flüchtlinge wäre, fände ich das hoch
       bedenklich. Das wäre für mich tatsächlich rassistisch. Mein Problem ist
       mehr, dass viele sich vom humanistischen Erziehungsgedanken verabschieden.
       Da bemerke ich einen Wertewandel. Da waren wir in Bremen schon mal weiter.
       
       Mündet so ein Heim nicht immer in autoritäre und repressive Strukturen wie
       in der Haasenburg oder im Friesenhof? 
       
       Die Geschichte lehrt, dass es in solchen Einrichtungen fast immer
       Verfehlungen gibt. Das liegt im System geschlossener Einrichtungen.
       
       16 Jun 2015
       
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