# taz.de -- Treffen der EU-Innenminister: Erst abschotten, dann helfen
       
       > Die Europaminister beraten über die Flüchtlingspolitik. Nach einer
       > Einigung sieht es allerdings nicht aus. Und Merkel sitzt auf der
       > Anklagebank.
       
 (IMG) Bild: Schachern auf EU-Ebene: Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und ihr slowakischer Kollege Robert Kalinak.
       
       BRÜSSEL taz | „Öffnen Sie Ihr Herz, tun Sie etwas!“ Mit diesen Worten
       appellierte die Tante des ertrunkenen syrischen Flüchtlingsjungen Ailan
       Kurdi am Montag an die Europäische Union. Dem Sterben im Mittelmeer müsse
       ein Ende bereitet werden, forderte sie auf dem Schuman-Platz im Brüsseler
       Europaviertel.
       
       Doch die EU-Minister, die zu einem Krisengipfel angereist waren, ließen
       sich nicht beeindrucken. Erst abschotten, dann helfen: Nach diesem Motto
       arbeiteten sie die Flüchtlingskrise ab. Schon am Vormittag wurde die
       Festung Europa verstärkt: Die 28 Europaminister gaben grünes Licht für die
       zweite Phase des umstrittenen Militäreinsatzes vor der libyschen Küste.
       
       Ab Oktober sollen Schiffe von Menschenhändlern auf hoher See aufgebracht
       und Schleuser festgenommen werden. Sieben Kriegsschiffe, einen
       Flugzeugträger sowie U-Boote, Drohnen, Hubschrauber und Flugzeuge bietet
       die EU dafür auf. Deutschland will sich mit zwei Booten beteiligen,
       allerdings muss der Bundestag noch zustimmen.
       
       Nicht so eilig hat es die EU mit der Umverteilung von Flüchtlingen. Erst im
       Oktober sollen Beschlüsse fallen, hieß es am Montag in Brüssel. Dann soll
       es noch zwei Jahre dauern, bis 160.000 Hilfesuchende nach einer von Brüssel
       überwachten Quote auf die EU-Staaten verteilt werden. Bundesinnenminister
       Thomas de Maizière gab sich zwar optimistisch, dass eine faire
       Lastenteilung gelingen werde. Nötig seien genaue Zeitpläne, forderte der
       CDU-Politiker in Brüssel.
       
       ## Das Treffen stand unter keinem guten Stern
       
       Zumindest die Umverteilung der ersten 40.000 Flüchtlinge innerhalb Europas
       war am Montagnachmittag sicher. Die Minister trafen dafür den formellen
       Beschluss. Eine Grundsatzeinigung hatte es bereits im Sommer gegeben.
       Damals hatten die Minister entschieden, dass die Länder auf freiwilliger
       Basis entscheiden sollten, wer wie viele Migranten aufnimmt. Diese Zusagen
       blieben aber deutlich unter dem Ziel, weil nur für 32.256 Menschen die
       Aufnahme zugesagt wurde.
       
       Insgesamt stand das Treffen unter keinem guten Stern. Nach Deutschland
       hatten auch Österreich und die Slowakei wieder Grenzkontrollen eingeführt.
       Auch Polen und die Niederlande wollten das Schengen-Abkommen aussetzen.
       Damit gerate die Reisefreiheit in Gefahr, warnte Kommissionschef
       Jean-Claude Juncker. Alarmiert zeigte sich auch Jean Asselborn. „Es wird
       ein Dominoeffekt werden, und wir können Schengen vergessen“, warnte der
       Luxemburger, der den Ministerrat für sechs Monate leitet. Wenn die EU sich
       nicht auf eine gemeinsame Strategie in der Flüchtlingsfrage einige, sei
       „Chaos die Folge“.
       
       Doch nach Einigung sah es zunächst nicht aus. Die Slowakei lehne die Quote
       weiter ab, sagte Innenminister Robert Kalinak. Die vergangene Woche habe
       gezeigt, dass das Quotensystem nicht funktionieren könne, weil die
       Flüchtlinge nicht einmal in einem Land wie Österreich bleiben, sondern nach
       Deutschland weiterreisen wollten.
       
       Auch Polen schaltete auf stur. Kanzlerin Angela Merkel solle ihre Haltung
       in der Flüchtlingsfrage überdenken, forderte der polnische Europaminister
       Rafal Trzaskowski in Brüssel.
       
       Die deutsche Entscheidung, die Grenze zu Österreich dichtzumachen, hatte
       also nicht die gewünschte disziplinierende Wirkung. Zeitweise sah es so
       aus, als säße Angela Merkel auf der Anklagebank. Nur Frankreich hielt offen
       zu Deutschland.
       
       14 Sep 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eric Bonse
       
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