# taz.de -- Deutschland erwartet mehr Flüchtlinge: „Die Zahlen ändern sich stündlich“
       
       > Ein neues Drehkreuz in Niedersachsen soll München entlasten. Österreichs
       > Bundeskanzler vergleicht Ungarns Vorgehen gegen Flüchtlinge mit der
       > NS-Rassenpolitik.
       
 (IMG) Bild: Sichtlich erfreut und erleichtert kommen ein Mann und seine Tochter mit dem Zug aus Ungarn im Münchner Hauptbahnhof an.
       
       MÜNCHEN/BERLIN dpa | Die Behörden in Deutschland stellen sich auf die
       Ankunft von vielen Tausend weiteren Flüchtlingen ein. Die meisten Menschen
       wurden am Wochenende wieder mit Zügen in München erwartet. Wie viele
       Flüchtlinge sich auf den Weg nach Deutschland gemacht haben, war zunächst
       unklar. Regierungspolitiker rückten die Frage in den Mittelpunkt, wo die
       Grenze der Aufnahmefähigkeit liegt.
       
       Allein per Bahn sind seit dem vergangenen Wochenende 50.000 Flüchtlinge
       nach Deutschland gelangt. Um München zu entlasten, soll in der Lüneburger
       Heide ein Drehkreuz für Flüchtlinge in Norddeutschland entstehen.
       Asylsuchende sollen direkt per Bahn von Österreich nach Bad Fallingbostel
       gebracht und und von dort auf die norddeutschen Länder verteilt werden, wie
       das niedersächsische Innenministerium mitteilte. Die Diskussion über
       weitere Drehkreuze ist nach Angaben des Bundesinnenministeriums noch nicht
       abgeschlossen.
       
       Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) und andere deutsche Politiker forderten
       die europäischen Nachbarstaaten auf, mehr Flüchtlinge als bisher
       aufzunehmen. Österreich richtet sich darauf ein, dass die Flüchtlingen über
       andere Routen ins Land kommen, sollte Ungarn seinen Kurs der Abschottung
       weiter verschärfen. Menschen könnten künftig über Slowenien nach Österreich
       fliehen, sagte ein Ministeriumssprecher der Nachrichtenagentur APA.
       
       Scharfe Kritik zog der rechtsnationale ungarische Regierungschef Viktor
       Orban auf sich. Er hatte in der [1][Bild-Zeitung] damit gedroht,
       Flüchtlinge abzuschieben. Sie sollten „dorthin, wo sie herkommen“, sagte
       er.
       
       Der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann verglich Orbans Vorgehen
       in der Flüchtlingskrise mit der NS-Rassenpolitik. „Menschenrechte nach
       Religionen zu unterteilen ist unerträglich“, sagte der Sozialdemokrat dem
       [2][Magazin Der Spiegel]. „Flüchtlinge in Züge zu stecken in dem Glauben,
       sie würden ganz woandershin fahren, weckt Erinnerungen an die dunkelste
       Zeit unseres Kontinents.“
       
       Faymann brachte finanzielle Sanktionen für EU-Staaten wie Ungarn ins
       Gespräch, die sich einer Quotenregelung für die Aufteilung der Flüchtlinge
       in der EU verweigern. „Zur Bewältigung der Flüchtlingsbewegung brauchen wir
       Strafen gegen Solidaritätssünder“, sagte der SPÖ-Chef. Als Beispiel nannte
       er die Kürzung der Mittel aus den Strukturfonds, von denen vor allem die
       östlichen EU-Staaten profitierten.
       
       SPD-Chef Gabriel Gabriel sagte über Orban: „Er ist an europäisches Recht
       gehalten und muss politischen Häftlingen Schutz bieten“. Er könne „nicht
       einfach die Flüchtlinge in so schlechten Verhältnissen lassen und sie
       zurückschieben“. Deutschland sehe „sich in einer Situation, wo wir an
       Grenzen stoßen“, fügte Gabriel bei einer Veranstaltung in Hildesheim hinzu.
       „Die Geschwindigkeit ist fast noch problematischer als die Zahl.“ Es könne
       nicht sein, dass Deutschland, Österreich und Schweden die Großzahl aller
       Flüchtlinge aufnehmen.
       
       ## Steinmeier rechnet mit bis zu 40.000 Flüchtlingen
       
       Nach Einschätzung von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) könnten
       an diesem Wochenende bis zu 40.000 Flüchtlinge nach Deutschland kommen.
       Noch sei nicht klar, ob sich diese Zahl bewahrheite, sagte die
       Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), am Samstag
       im RBB.
       
       Eine Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) sagte am Freitagabend:
       „Die Zahlen ändern sich stündlich, wir sind daher sehr vorsichtig mit
       Schätzungen.“ Am Münchner Hauptbahnhof kamen bis zum frühen Morgen 1600
       Flüchtlinge an. In Schönefeld bei Berlin traf am Freitagabend ein Sonderzug
       aus Salzburg mit mehr als 500 Flüchtlingen ein.
       
       Bayern sei noch gut darauf eingestellt, Flüchtlinge aufzunehmen, sagte
       Innenminister Joachim Herrmann (CSU) im Bayerischen Rundfunk. Entscheidend
       sei jedoch, wie viele Migranten entsprechend der Quote von anderen
       Bundesländern aufgenommen werden können. Außerdem erwarte er auch vom Bund
       konkrete Schritte, die den Zuzug nach Deutschland bremsten.
       
       Die meisten Flüchtlinge kommen aus denn Kriegsgebieten im Nahen Osten. Über
       die Türkei gelangen sie nach Griechenland. Von dort versuchen sie, sich
       über die Balkanroute, die über Ungarn führt, nach Westeuropa
       durchzuschlagen. Griechenland ist das erste EU-Land, das sie betreten. Dem
       Dublin-Abkommen zufolge dürften sie in keinem anderen Land außer
       Griechenland einen Asylantrag stellen.
       
       12 Sep 2015
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.bild.de/politik/ausland/viktor-orban/darum-baut-ungarn-einen-zaun-gegen-fluechtlinge-42544402.bild.html
 (DIR) [2] http://www.spiegel.de/politik/ausland/werner-faymann-ueber-ungarn-fluechtlingspolitik-erinnert-an-holocaust-a-1052448.html
       
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