# taz.de -- Bürgerwehr gegen Flüchtlinge: Neonazis spielen Blockwarte
       
       > In Schwanewede patroullieren Bürger durch den Ort, um Flüchtlinge
       > abzuschrecken. Angeführt werden sie vom Sänger einer Neonazi-Band.
       
 (IMG) Bild: Seit die Bundeswehr auszog, leben hier Flüchtlinge: Lützow-Kaserne in Schwanewede.
       
       SCHWANEWEDE/BREMEN taz | Langsamen Schrittes marschieren die acht Männer
       durch die leeren Seitenstraßen des nächtlichen Wohngebiets. Mit ihrer
       dunklen Kleidung sind sie kaum zu erkennen, nur der Strahl einer
       Taschenlampe ist zu sehen, mit dem einer von ihnen mal hierhin, mal dorthin
       zu den Häusern hinüber leuchtet.
       
       Mehrere Stunden war der Trupp am Donnerstagabend so in Schwanewede
       unterwegs, dem niedersächsischen Nachbarort von Bremen-Blumenthal. Die
       Männer gehören zu einer selbst-erklärten „Bürger-Patrouille“ und werden von
       dem Neonazi Dennis Z. angeführt. Seit einigen Tagen treffen sie sich und
       auch für Montagabend haben sie sich wieder für einen Streifzug verabredet:
       immer rund um die ehemalige Lützow-Kaserne.
       
       Über 1.200 Flüchtlinge sind hier seit Mitte September untergebracht:
       Menschen aus Syrien, dem Irak, Familien mit Kindern. Doch nicht von allen
       werden sie willkommen geheißen: Mittlerweile sind es knapp 750 Menschen,
       die sich in einer Facebook-Gruppe organisiert haben, um „Klartext“ reden zu
       können – gegen Flüchtlinge in Schwanewede. Der Bremer Neonazis Markus
       Privenau oder der NPD-Politiker Sascha Humpe sind ebenso dabei wie die
       Blumenthaler „Bürger in Wut“ Fritjof Balz und Mark Runge. Es ist eine Art
       Export der rechten Bürger-Initiative, die schon in Bremen-Blumenthal gegen
       Flüchtlinge Stimmung machte.
       
       Vor ein paar Tagen dann formulierte Dennis Z. in der Facebook-Gruppe die
       Idee einer „Bürger-Patrouille“, um wegen der Flüchtlinge „für Abschreckung“
       zu sorgen. Z. wohnte früher in Schwanewede und ist Sänger der Bremer
       Neonazi-Band „Strafmass“. Seit die Band 2008 gegründet wurde, wird sie
       jedes Jahr im Bremer Verfassungsschutzbericht erwähnt: Strafmass sehe sich
       in der Tradition der militanten Neonazi-Gruppe „Combat 18“, heißt es da.
       Ihre Lieder verdeutlichten eine „hasserfüllte Einstellung gegenüber
       Ausländern, politisch Andersdenkenden sowie dem demokratischen
       Rechtsstaat“. Schon auf der ersten Platte, mit der es Strafmass direkt auf
       den Index schaffte, wird Sänger Dennis Z. deutlich: „Militantes Vorgehen,
       ja das ist unsere Art, wir kämpfen gegen das System und gegen Volksverrat.“
       An anderer Stelle singt er: „Wir überschreiten ihre Gesetze, sie sind uns
       scheißegal“.
       
       Fabian Jellonnek von der Bremer Beratungsstelle „Pro aktiv gegen Rechts“
       bereitet die Patrouille Sorge. „Ich befürchte, es ist deren Ziel, eine
       No-Go-Area zu errichten“, so Jellonnek. „Es sind Personen dabei, die klar
       aus dem rechtsextremen Spektrum stammen und die ich für gefährlich halte.“
       Er frage sich, was passiert, wenn die Männer mal auf Flüchtlinge träfen.
       
       In manchen Facebook-Beiträgen wird die Aggressivität deutlich: Eine Frau
       schreibt von „Gegenwehr“, ein anderer davon, dass er Pfefferspray und ein
       „Not Welcome Refugee Aluminium“ im Auto habe – wohl eine Schlagwaffe. Am
       Montagmorgen dann bekannte ein Mitglied, dass Leute, „die Heime anzünden,
       ohne dass Menschen zu Schaden kommen, mit Orden ausgezeichnet werden“
       sollten – ein Kommentar, der nur kurz online war.
       
       Schwanewedes Bürgermeister Harald Stehnken (SPD) sagte zur taz: Es seien
       Leute, die „von außerhalb des Ortes“ kämen, eben jene, die schon in
       Blumenthal versucht hätten, Stimmung gegen Flüchtlinge zu machen. Auf einer
       Versammlung von BIW und AfD sei jeder niedergebrüllt worden, der
       widersprochen habe. „Aber sie werden nicht siegen“, so Stehnke. „Es gibt in
       Schwanewede viele Menschen, die helfen wollen.“
       
       Laut Polizeisprecher Helge Cassens hatte die Polizei bislang keine Kenntnis
       über die Patrouillen. Allerdings würde sowohl auf dem Gelände wie außerhalb
       Streife gefahren, man stehe in Kontakt zu allen Seiten. „Dass die Anwohner
       sensibel sind, kann ich verstehen“, so Cassens. „Aber bisher kann man ganz
       klar sagen, von den Flüchtlingen geht nichts Negatives aus, es ist keine
       signifikante Erhöhung an Straftaten zu erkennen.“
       
       5 Oct 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andrea Röpke
 (DIR) Jean-Philipp Baeck
       
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