# taz.de -- Handel mit antiquarischen Büchern: Die Amazonisierung der Nische
       
       > Ab November ändert Deutschlands größtes Onlineportal für antiquarische
       > Bücher seine Bedingungen – zulasten kleiner Händler.
       
 (IMG) Bild: Analoge Alternative: Man kann auch selbst ins Antiquariat gehen.
       
       BERLIN taz | Hermann Wiedenroth gibt sich keinen Illusionen hin: „Im
       Vergleich zu all dem Tinneff, der sonst über das Internet vertrieben wird,
       ist unser Onlinehandel mit antiquarischen Büchern rein wirtschaftlich
       betrachtet nur eine winzige Nische.“ Der niedersächsische Antiquar betreibt
       im 188-Einwohner-Dorf Bargfeld seit Jahren ein Antiquariat. Außerdem ist er
       Vorstandsmitglied der Genossenschaft der Internet-Antiquare (GIAQ).
       
       Wiedenroth weiß zwar, dass sein Segment im Vergleich zu den gut 40
       Milliarden Euro E-Commerce-Jahresumsatz keine große Rolle spielt. Doch
       genau deshalb regt sich bei ihm und vielen Kollegen Unmut über das, was in
       der Nacht vom 2. auf den 3. November passieren wird. Dann nämlich ändert
       das „Zentrale Verzeichnis antiquarischer Bücher“ (ZVAB) seine
       Händlerbedingungen.
       
       Vorbild ist dabei die international aktive US-Firma Abebooks, seit 2008
       eine Tochter des Internetriesen Amazon. Vor vier Jahren übernahm Amazon –
       ohne größeres Aufsehen – auch den deutschen Konkurrenten ZVAB, der jetzt
       das Abebooks-Reglement übergestülpt bekommen soll.
       
       Meinhard Knigge, Vorstand im Verband Deutscher Antiquare, sieht darin vor
       allem „zwei große Nachteile“: So seien beim ursprünglichen ZVAB die
       Bestände der Verkäufer auch bei deren temporärer Abwesenheit präsent
       geblieben, also bei Messeaufenthalten oder während des Urlaubs.
       Kaufinteressenten wurden dann darauf aufmerksam gemacht, dass die
       Bestellung erst nach Rückkehr des Händlers abgewickelt wird. Künftig wird
       das Angebot in solchen Zeiten offline geschaltet – Umsatzausfälle
       inklusive.
       
       Die zweite große Änderung ist, dass bei der Ermittlung der
       Verkaufsprovision von derzeit 8 Prozent ab Anfang November auch die
       Lieferkosten, vor allem Porto und Verpackung, berücksichtigt werden.
       Während der Händler etwa für ein Buch im Wert von 15 Euro bislang 1,20 Euro
       Provision bezahlen musste, steigt dieser Betrag um 32 Cent auf 1,52 Euro,
       wenn man von 4 Euro Versandkosten ausgeht.
       
       Die Antiquare debattierten die Neuregelungen lebhaft, dennoch hat sich nur
       wenig Protest formiert. „Leider ist es in unserer Branche schwierig, eine
       gemeinsame Aktion auf die Beine zu stellen“, sagt Meinhard Knigge. Hermann
       Wiedenroth stimmt zu: Es gebe „keine flächendeckende Solidarität“.
       
       Neben dem ZVAB bestehen im Bereich des antiquarischen Onlinebuchhandels
       weitere Mitbewerber, darunter der GIAQ-betriebene Onlinemarktplatz
       antiquariat.de, auf dem laut Fachzeitschrift Börsenblatt etwa 360 Händler
       circa 4,5 Millionen Bücher anbieten. 62.000 Verkäufer, davon 2.750
       gewerbliche, sind laut Börsenblatt außerdem auf dem Portal Booklooker
       vertreten, das täglich circa 5.000 Bestellungen abwickelt. Der damit
       vertriebene Warenwert lag 2014 bei 13 Millionen Euro. Wie viel die Firma
       selbst verdient? Unbekannt.
       
       „Wir geben grundsätzlich keine Unternehmenszahlen heraus“, heißt es zwar
       auch bei ZVAB/Abebooks. Doch bei der 1996 von drei Berliner Studenten
       gegründeten Amazon-Tochter sind sich Branchenkenner einig: Es handelt sich
       um den mit Abstand größten Anbieter seiner Art, was umso deutlicher wird,
       wenn man die komplette Amazon-Range berücksichtigt, also etwa den
       „Marketplace“, über den einzelne Händler ihre Waren verkaufen können.
       „Amazon hat bei den digitalen Umsätzen mit antiquarischen und
       Second-Hand-Büchern im deutschsprachigen Raum nahezu eine Monopolstellung“,
       vermutet auch der Hamburger Antiquar Meinhard Knigge.
       
       Bei Abebooks selbst kann man die Aufregung nicht nachvollziehen, gerade was
       die neue Abwesenheitsregel betrifft: Die bisherige Regel entspreche einfach
       nicht den „Erwartungen der meisten Kunden“, die eine „sofortige
       Auftragsabwicklung“ erwarteten, heißt es auf taz-Nachfrage. Durch die
       Präsenz auf allen internationalen Abebooks-Seiten verhelfe man den
       Verkäufern zudem potentiell zu mehr Umsatz – bei gleichzeitig mehr Service
       für den Kunden.
       
       Neuer Laptop oder eine seltene Goethe-Ausgabe? Amazon wendet für beides
       dieselben Effizienzprämissen an. „Stellen Sie sich eine leere Plattform
       vor, für eine Woche, einen Monat – glauben Sie nicht, dass die Betreiber
       schnellstens zu Verhandlungen einladen würden?“, philosophiert Hermann
       Wiedenroth. Er weiß, dass die Händler mit ihrem Buchbestand am längeren
       Hebel sitzen – eigentlich.
       
       30 Oct 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Segal
       
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