# taz.de -- Niedrige Ölpreise: Fass ohne Boden
       
       > Der Ölpreis erreicht ein neues Jahrestief. Vor allem die Frackingkonzerne
       > erleben heftige Einbrüche. Es gibt vier Theorien über die
       > Verantwortlichen.
       
 (IMG) Bild: Während die Ölpreise fallen, protestieren Klimaaktivist_innen gegen die Nutzung fossiler Brennstoffe.
       
       BERLIN taz | Kommen Schnäppchenpreise von um die 30 US-Dollar? Nachdem der
       Ölpreis diese Woche kurzfristig die Schallmauer von 40 Dollar durchstoßen
       hat, schießen Spekulationen über eine weitere Talfahrt ins Kraut.
       
       Die Notierungen waren nochmals abgerutscht, nachdem die Organisation der
       erdölfördernden Länder entschieden hatte, die Förderquote nicht zu
       reduzieren. Mit 39,80 Dollar für Nordseeöl (Brent) erreichten sie einen
       Wert wie zuletzt im Februar 2009. Am Mittwoch stabilisierte sich der Kurs
       etwas, der Barrelpreis stieg bis Redaktionsschluss auf knapp unter 41
       Dollar. US-Öl (WTI) kostete 38 Dollar.
       
       Die Internationale Energie-Agentur spricht weiter von einem leichten
       Überangebot. Die Lager sind mit weltweit 3 Milliarden Barrel prall gefüllt.
       Seriöse Prognosen sind indes schwer möglich: Die Konjunktur der
       Weltwirtschaft, die Kasinospiele der Ölbroker an den Börsen und vor allem
       die weitere Förderung in den USA sind kaum vorherzusagen. Zuletzt lag die
       weltweite Ölnachfrage bei 97 Millionen Barrel am Tag, getrieben maßgeblich
       von Indien: Dort wurde monatlich bis zu 15 Prozent mehr Öl verkauft als im
       Vorjahr.
       
       Dass die US-Fracking-Industrie einbricht, hat die Förderung bisher nur
       leicht vermindert. Zwar sind deutlich weniger Ölbohrplattformen installiert
       als noch im Vorjahr – statt 1.575 sind es aktuell nur noch 545. Doch dieser
       Rückgang dürfte sich erst im nächsten Jahr auch in geringeren Fördermengen
       niederschlagen. An den derzeit betriebenen Bohrstellen wird mit Hochdruck
       gepumpt, um den niedrigen Preis durch mehr Menge auszugleichen.
       
       Währenddessen hinterlässt der Preisverfall tiefe Krater in den Bilanzen der
       Konzerne. Chesapeake, Star der US-Frackingfirmen, machte allein im dritten
       Quartal mehr als 4 Milliarden Dollar Verlust, bei Shell waren es 7
       Milliarden, bei der mexikanischen Pemex 10 Milliarden Dollar. Und jeden Tag
       wird mehr Geld verbrannt: Denn für Fracking gilt ein Ölpreis von 70 bis 80
       Dollar als gerade noch kostendeckend. Als Überlebensstrategie haben sich
       die Fracker aus längerfristigen Projekten herausgezogen und ganz auf
       kurzfristige Förderausweitungen konzentriert.
       
       Fieberhaft wird diskutiert, wie der Preisrutsch zustande kommt. Bei der
       Tagung „Öl, Gas und Geopolitik“ der Vereinigung deutscher Wissenschaftler
       in Berlin wurden zuletzt gleich vier Thesen präsentiert.
       
       Erstens: Die Saudis wollen mit dem niedrigen Ölpreis die US-Fracker in den
       Ruin treiben.
       
       Zweitens: Die USA sind die treibende Kraft, sie wollen durch den
       Preisverfall ihre Wirtschaft ankurbeln.
       
       Drittens: Eine Gesetzmäßigkeit der langen Wellen sorgt für Aufs und Abs,
       aktuell erleben wir ein Ab.
       
       Die vierte Variante ist die verschwörungstheoretische: Der niedrige Ölpreis
       soll die weltweite Energiewende hin zu den erneuerbaren Energien
       verhindern. Frei von Widersprüchen ist keine der Theorien.
       
       10 Dec 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Manfred Kriener
       
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