# taz.de -- Gerhart-Hauptmann-Schule: Dieses Haus soll noch bunter werden
       
       > In der einstmals besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule tut sich was: Ende
       > Januar öffnet dort eine neue Flüchtlingsunterkunft.
       
 (IMG) Bild: Frauen mit kleinen Kindern wird in der Gerhart-Hauptmann-Schule nun eine Notunterkunft geöffnet
       
       Lange Zeit ging in der Gerhart-Hauptmann-Schule gar nichts mehr. Nun aber
       gibt es Bewegung. Mehr noch: Für das weitgehend leer stehende Gebäude und
       die zum Grundstück gehörende Freifläche sind Nutzungsmöglichkeiten gefunden
       worden, mit denen offenbar alle Beteiligten leben können. Das Bezirksamt
       und die Bezirksverordnetenversammlung von Friedrichshain-Kreuzberg ebenso.
       Und auch die rund 20 Flüchtlinge, die nach wie vor im Südflügel des
       Gebäudes wohnen, und deren Unterstützer.
       
       Die gefundene Lösung beinhaltet drei Bereiche: Im Nordflügel des
       Schulgebäudes wird eine Notunterkunft für Flüchtlinge mit 109 Plätzen
       aufgemacht. In spätestens 14 Tagen soll es losgehen. Im Südflügel wollen
       die dort lebenden 20 Bewohner ein internationales Refugee-Center aufziehen.
       Voraussetzung ist aber, dass sie einen Träger finden, der stellvertretend
       für sie mit dem Bezirksamt die entsprechenden Verträge abschließt.
       Drittens: Auf der Freifläche im Hof und an der Straße soll ein Neubau
       entstehen. Die Wohnungsbaugesellschaft Howoge und das Architektenbüro Zappe
       planen dort in modularbauweise 130 Wohneinheiten für Flüchtlinge,
       Studenten, wohnungslose Frauen und einkommensschwache Familien.
       
       ## Hin zur Normalität
       
       „Weg in Richtung Normalisierung“ nennt Jana Borkamp, grüne
       Finanzstadträtin, das Ganze. Um die Bedeutung zu verstehen, muss man
       wissen: Kein Gebäude in Kreuzberg war in den letzten Jahren so umkämpft.
       Für die autonome Flüchtlingsbewegung war die Schule das Symbol für den
       Widerstand gegen die deutsche und europäische Asylpolitik. Mehr als zwei
       Jahre waren Hauptgebäude und Seitenflügel von Flüchtlingen mit und ohne
       Papiere besetzt. Als die Konflikte kulminierten, hatte der Bezirk die
       Mehrheit der Bewohner im Sommer 2014 unter großem Protest in
       Flüchtlingsheime verschubt.
       
       Der harte Kern, der heute im Südflügel wohnt, hatte damals vom Bezirk mit
       einer Dachbesetzung das Zugeständnis zum Verbleib in der Schule erzwungen.
       Das Bezirksamt wollte diese Gruppe Ende 2014 dann doch aus dem Haus zu
       räumen. Dies wurde ihm aber vom Verwaltungsgericht untersagt.
       
       Anfang dieses Jahres hat der Bezirk die Räumungsanordnung endgültig
       aufgehoben. Nach der Gerichtsentscheidung war das nur ein formaler Akt.
       Aber er dokumentiert: Die Zeichen stehen auf Entspannung. Der Weg dahin sei
       aber noch weit, sagt Flüchtling Alnour. Er gehört zu der Gruppe, die im
       Südflügel lebt. „Die Securitys müssen abgezogen und das Besuchsverbot
       aufgehoben werden“, so die Forderung der Bewohner. Aus Angst vor einer
       Neubesetzung lässt das Bezirksamt die Schule rund um die Uhr von einer
       Sicherheitsfirma bewachen. Nur ein registrierter Personenkreis hat Zugang.
       
       „Wir haben Not“, sagt Stadträtin Borkamp. Platz für Flüchtlinge sei
       bekanntlich rar. Allein in Friedrichshain-Kreuzberg sind sechs Turnhallen
       zur Erstaufnahme umfunktioniert worden. Vor allem Schwangere und Frauen mit
       kleinen Kindern will der freie Träger, der die neue Notunterkunft betreibt,
       im Nordflügel der Schule unterbringen. Die Räume mit den Graffiti an den
       Wänden und sonstigen Spuren der Besetzung seien gestrichen, Türen und
       Toiletten erneuert, Duschen eingebaut. Alles sei fertig, sagt Borkamp.
       Sobald die Bauabnahme erfolgt sei, werde man grünes Licht geben, bestätigt
       Lageso-Sprecher Sascha Langenbach.
       
       Bei dem Bemühen, im Südflügel beziehungsweise Mittelteil der Schule ein
       internationales Refugee-Center aufzuziehen, legt das Bezirksamt den
       Bewohner aber keine Steine mehr in den Weg. Die Suche nach Projekten, die
       bereit sind, die Trägerschaft zu übernehmen, laufen. „Wir als Bezirksamt
       können mit Illegalisierten keine Verträge schließen“, sagt Borkamp. Kim
       Archipova von der Nachbarschaftsinititative Ohlauer Straße indes zeigt sich
       optimistisch, dass es gelingt, Kooperationspartner für das
       Flüchtlingszentrum zu finden.
       
       Südflügel und Nordflügel werden künftig durch einen Zaun im Hof getrennt
       sein. Die Notaufnahme bekommt einen eigenen Eingang. „Das alles wird uns
       nicht abhalten, die Flüchtlinge willkommen zu heißen“, sagt Alnour.
       
       Der erste Spatenstich für das Neubauprojekt könnte laut Borkamp schon im
       Herbst erfolgen. „Integratives Wohnprojekt Campus Ohlauer Straße“ nennt
       sich das Vorhaben, das in elementarer Bauweise auf der an die Straße
       grenzenden Freifläche entstehen soll. Der Pavillon wird abgerissen. Geplant
       ist ein Block mit Innenhof, sieben Geschossen auf der Straßenseite und fünf
       Geschossen auf der Rückseite. 130 Wohnungen mit einer Größe zwischen 45 und
       70 Quadratmetern zu bezahlbaren Preisen seien geplant, so Borkamp.
       
       Neben Sozialwohnungen und Wohnungen für Flüchtlinge und Studenten soll es
       auch sieben Wohneinheiten mit 12 Plätzen für obdachlose Frauen geben. 1.000
       Quadratmeter Fläche im Erdgeschoss sind für gemeinschaftliche Nutzung
       vorgesehen. Unter anderem werde es dort eine Familienbibliothek mit dem
       Schwerpunkt interkulturelles Lernen geben.
       
       Das Projekt der Howoge wird vom Land Berlin im Rahmen des „Sondervermögens
       Infrastruktur der wachsenden Stadt“ (Siwa) gefördert. Neun Vorhaben für
       kostengünstigen und experimentellen Wohnungsbau werden mit insgesamt 30
       Millionen Euro gefördert. Das Architektenbüro Zappe hat den Konzeptentwurf
       für die Ohlauer Straße ausgearbeitet. Der Bezirk hätte das Filetgrundstück
       sicher auch zu Höchstpreisen verscherbeln können, vermutet Stefan Zappe.
       Mit der multikulturellen Nutzung werde der Geschichte der
       Gerhart-Hauptmann-Schule Rechnung getragen. „Vielleicht wird das mal ein
       grünes Vorzeigeprojekt“, sagt der Architekt.
       
       14 Jan 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Plutonia Plarre
       
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