# taz.de -- Verfall der Milchpreise: Einmal volltanken, bitte!
       
       > Am Milchverkauf verdienen nur Supermärkte. Deshalb setzen Landwirte nun
       > auf Direktverkauf an Zapfsäulen. Ihr Trumpf: tagesfrische Rohmilch.
       
 (IMG) Bild: Geld einwerfen, Flasche drunterhalten, drücken, fertig!
       
       BERLIN taz | Wer zum Frühstück duftende warme Brötchen will, fährt morgens
       schnell zum Bäcker. Wie wär’s, wenn man unterwegs noch ganz bequem
       tagesfrische Milch holen könnte, ohne dabei Kuhmist an die Sneakers zu
       kriegen?
       
       Ein Luxusproblem? Aber eines, für das es heute eine Lösung gibt:
       Milchtankstellen.
       
       Wer über Land fährt, kommt immer öfter an Automaten aus Edelstahl vorbei,
       die direkt an der Straße stehen. Gegen Kleingeld gibt es dort zu jeder
       Tages- und Nachtzeit frische Milch.
       
       Das Besondere: Wo eine Milchtanke steht, da sind die Kühe nicht weit:
       Bauern nutzen die Tankstellen nämlich, um ihre Milch direkt an die Leute zu
       bringen, ganz ohne Molkerei und Supermarkt. KennerInnen wissen außerdem:
       Die hier verkaufte Rohmilch mit ihrem Fettgehalt von 3,7 Prozent schmeckt
       kräftiger, würziger – mehr nach Milch.
       
       Milchbauern haben derzeit wieder mit einem Preisverfall zu kämpfen. Ein
       Grund dafür ist, dass spätestens seit dem Auslaufen der EU-Milchquote im
       vergangenen April zu viel Milch auf dem Markt ist. Ein anderer aber, dass
       Supermärkte einander beim Milchpreis unterbieten wollen und deshalb immer
       weniger an die Erzeuger zahlen. Im letzten Jahr waren die Preise teilweise
       so niedrig, dass BäuerInnen faktisch draufzahlten.
       
       Preisschwankungen sind bei Milch nicht ungewöhnlich. Sie treffen aber
       besonders kleine Höfe, die die Verluste nicht auffangen können und dann
       schnell in ihrer Existenz gefährdet sind. Für sie ist es attraktiv, die
       Milch ohne Umweg unter die Leute zu bringen.
       
       Die Milchtanke funktioniert so: Die LandwirtInnen füllen die Milch in einen
       Tank, wo sie auch gekühlt wird. KundInnen werfen einen Euro in den
       Geldschlitz, zapfen die Flüssigkeit in mitgebrachte Gefäße ab, fertig. Für
       die ganz Spontanen steht häufig ein Flaschenautomat gleich daneben.
       
       Die Erzeuger verdienen beim Modell Tanke etwa 30 Cent mehr pro Liter als
       beim Weiterverkauf durch Supermarktketten. Bei ausreichend Laufkundschaft
       kann sich die Investition von 6.000 bis 8.000 Euro schnell auszahlen: Wenn
       täglich 50 Liter gezapft werden, ist das Geld binnen eines Jahres wieder
       drin.
       
       ## Miniboom bei den Herstellern
       
       Milchautomatenhersteller Klaus Risto berichtet bereits über einen richtigen
       Boom. 50 Zapfanlagen verkaufte er 2014, 2015 waren es schon 150. Risto
       glaubt, dass dieser Trend so weitergehen wird. Für ihn ist die Milch von
       der Tankstelle „etwas fürs neue Jahrtausend“.
       
       Eine effektive Geheimwaffe gegen die Macht der Supermärkte ist die
       Milchtanke jedoch nicht. Dafür gibt es nicht genug Menschen, die für jeden
       Liter Milch extra zum Bauernhof fahren – was deren Ökobilanz auch nicht
       gerade verbessern würde.
       
       Hans Foldenauer vom Bundesverband der Milchviehhalter sieht in den
       Automaten deswegen bisher nicht mehr als ein Nischenangebot.
       „Milchtankstellen ziehen Kundschaft an, die den Unterschied zu schätzen
       weiß und für die das Einkaufen vor Ort zum Lebensgefühl gehört“, sagt er.
       „Für die Bauern sind sie ein nettes Zubrot, aber auch nicht mehr.“
       Foldenauer schließt aber nicht aus, dass die Milchbauern den Discountern so
       eins auswischen könnten. „Wenn eine ganze Gemeinde auf einmal ihre Milch
       nur noch am Automaten holt, das würde dem Supermarkt schon unangenehm
       auffallen.“
       
       11 Mar 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Peter Weissenburger
       
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