# taz.de -- Kommentar Cameron und Panama Papers: Komplett am Thema vorbei
       
       > Der Skandal um die Beteiligung des britischen Premiers an einem Fonds
       > seines Vaters ist keiner. Das Problem liegt ganz woanders.
       
 (IMG) Bild: Cameron unter Druck? Jedenfalls nicht wegen des Geldes aus dem Fonds seines Vaters
       
       Jetzt hauen alle auf ihn ein. „Premierminister: Ich habe von Steueroase
       profitiert“, schlagzeilt der Daily Mail, die größte konservative Zeitung
       Großbritanniens. Das linke Boulevardblatt Daily Mirror spricht von den
       „Geheimen 30.000 Pfund des Premierministers in einer Steueroase“ und die
       linke Zeitung The Guardian, Teil des an den „PanamaPapers“ beteiligten
       Konsortiums, titelt mit seinem unschlagbaren Sinn für griffige
       Überschriften: „Cameron gibt schließlich zu: Ja, ich profitierte von
       steuervemeidendem Offshore-Fonds“. Und schon spinnen sich daraus die
       recherchefreien Fünf-Sekunden-Analysen, wonach David Cameron jetzt „unter
       Druck“ gerate.
       
       Worin genau besteht die Geschichte? David Camerons Vater Ian Cameron, ein
       Börsenhändler, gründete im Jahr 1981, als die britische Wirtschaft noch
       tief in der Krise steckte, einen Investmentfonds „Blairmore Holdings“ in
       Panama, der britischen Anlegern Dollargeschäfte anbot in einer Zeit, als so
       etwas viel schwieriger war als heute. David Cameron hielt darin ab 1997
       Anteile, die er Anfang 2010 verkaufte.
       
       Damals führte er die Konservativen in der Opposition, sein Wahlsieg bei den
       im Mai 2010 angesetzten Wahlen galt als hochwahrscheinlich und trat dann
       auch ein. Die Anteile waren 31.500 britische Pfund wert; er erzielte darauf
       einen Gewinn von genau 19.003 Pfund, den er in Großbritannien als Einkommen
       versteuerte, der aber unterhalb der Kapitalertragssteuergrenze lag. Sein
       Vater ist inzwischen tot. „Blairmore Holdings“ ist seit 2012 in Irland
       basiert, nicht mehr in Panama, und unterliegt EU-Regeln.
       
       Worin genau besteht der Skandal? David Cameron hat sich nichts
       zuschuldenkommen lassen. Niemand wirft ihm vor, er habe selbst Steuern
       vermieden, indem er an Blairmore beteiligt war, oder habe gar Steuern
       hinterzogen, entweder beim Erwerb oder beim Verkauf seiner
       Blairmore-Anteile. Er hat exemplarisch gehandelt, indem er sich 2010 von
       seinen Anteilen trennte, bevor er Regierungschef wurde. Dass sie beim
       Verkauf mehr wert waren als beim Erwerb viele Jahre vorher, ist weder
       erstaunlich noch verwerflich.
       
       Aber für einen gewissen besonders einfältigen Linkspopulismus ist es
       offenbar schon ein Rücktrittsgrund, dass jemand überhaupt jemals in seinem
       Leben genug Geld hatte, um in einen Investmentfonds zu investieren. Stimmt:
       Er hätte damit – realistischerweise mit etwas mehr – auch einfach in
       Großbritannien ein Haus kaufen können und hätte dann angesichts der
       Entwicklung der Immobilienpreise bis 2010 noch viel mehr Gewinn erzielt als
       mit seinen Fondsanteilen, so wie die Mehrheit der britischen Bevölkerung in
       den vergangenen Jahrzehnten, die am Immobilienboom verdient hat.
       
       ## Steuersparende Offshore-Konstruktionen
       
       Der Skandal besteht einzig in der Wahrnehmung. „Premierminister gibt zu“ –
       also hatte er etwas zu verbergen. „Offshore-Fonds“ – das ist doch sowieso
       suspekt. Camerons Problem scheint darin zu liegen, dass er vier Tage
       wartete, bevor er sich äußerte, nachdem er am Anfang sagte, das sei seine
       Privatangelegenheit. „Der verschlungene Weg, auf dem die Information aus
       dem Premierminister herausgekitzelt wurde, hinterlässt seine
       Glaubwürdigkeit in Trümmern“, sagt die schottische Regierungschefin Nicola
       Sturgeon. Dieses verschlungene Statement umschifft elegant das Problem,
       dass es keinen Skandal in der Sache zu geben scheint.
       
       Sicher hat Labour-Oppositionsführer Jeremy Corbyn irgendwie recht, wenn er
       darauf hinweist, dass diese Offhore-Konstruktionen ja dazu da sind, Steuern
       zu sparen. Klar: Das gilt auch für Duty-Free-Bereiche in Flughäfen und
       Häfen, für Schnäppchentours aus England über den Ärmelkanal nach Frankreich
       zum Kauf von billigerem Tabak und Alkohol, für die Suche nach der
       billigsten Tankstelle, für Spenden an wohltätige Vereinigungen und sogar
       für manche Gewerkschaftsbeiträge, für hunderterlei völlig normale
       Überlegungen, wie man seinen Kindern möglichst wenig Steuerlasten
       hinterlässt und wie man bei der Wahl zwischen mehreren legalen
       Möglichkeiten der Geldanlage und der Unternehmensführung diejenigen
       vermeidet, bei der der Staat am meisten verdient und man selbst am meisten
       verliert.
       
       Das wissen natürlich auch Medienhäuser wie der britische Guardian, der
       selbst eifrig am Offshore-Geschäft mitverdient und ohne seinen
       Offshore-Partner Apax schon längst pleite wäre.
       
       Deswegen kommt es allen gelegen, sich jetzt auf die angeblich angeschlagene
       Person David Cameron einzuschießen und die eigentlich spannenden Fragen zu
       ignorieren. Zum Beispiel, welche Gelder aus aller Welt eigentlich in
       Offshore-Fonds in britischen Überseeterritorien landen und was die
       britische Finanzaufsicht tut, um zu verhindern, dass sie für die
       organisierte Kriminalität, für staatlichen Diebstahl, für Geldwäsche und
       für Steuerhinterziehung genutzt werden. Das Problem dieser Fonds ist ja
       weniger ihre Existenz sondern die Identitäten und die Zielsetzungen ihrer
       Nutznießer.
       
       Es ist höchst unwahrscheinlich, dass die einzige britische Dimension beim
       Skandal der „PanamaPapers“ darin besteht, dass der Premierminister vor
       sechs Jahren seine Anteile an der Offshore-Firma seines Vaters
       ordnungsgemäß veräußerte. Genauer gesagt: Dieses Detail führt komplett am
       Thema vorbei.
       
       8 Apr 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
       
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