# taz.de -- Flüchtlingskinder gestalten Schulbücher: M wie Marienkäfer
       
       > Nach Berlin geflüchtete Kinder zeichnen ein Bildwörterbuch zum
       > Deutschlernen – und geben damit auch einen Einblick in ihre Welt.
       
 (IMG) Bild: M wie Marienkäfer, Mond, …
       
       „Da! Die Melone habe ich gemalt. Und den Quark. Und den Indianer“, sagt der
       neunjährige Mohammed voller Stolz, während er blättert. Neben dem
       langhaarigen Indianer, der eine Hand zum Gruß hebt, steht als Großbuchstabe
       in roter Farbe das „I“. Mohammed guckt sich ein Bildwörterbuch an –
       gestaltet von und für Kinder aus aller Welt. 50 geflüchtete Kinder und
       Jugendliche aus Moabit haben es produziert, betreut von vier Künstlerinnen
       der Initiative SalonWelcome.
       
       Das Bildwörterbuch soll als kostenloses Unterrichtsmaterial den
       Sprachunterricht mit Flüchtlingen erleichtern. Die KünstlerInnen vom
       SalonWelcome hatten vor der Gründung ihrer Initiative im Oktober 2015
       ehrenamtlich Sprachunterricht in Flüchtlingsunterkünften gegeben. „Uns
       fehlte einfach passendes Unterrichtsmaterial“, sagt Projektleiterin Bärbel
       Rothhaar.
       
       „Unser Ziel war, dass die Kinder beim Malen von Alltagsbegriffen Deutsch
       lernen“, sagt Rothhaar, „Doch das Ergebnis zeigt mehr: Es ist ein Einblick
       in ihre Welt, mit Begriffen aus ihrem alten und neuen Zuhause.“
       
       Jeden Mittwoch trafen sich die KünstlerInnen mit zwei Willkommensklassen
       der Carl-Bolle-Schule und geflüchteten Kindern aus der Moabiter
       Nachbarschaft. Sie verwendeten Gummitierchen, Kuscheltiere, Töpfe etc. als
       Zeichenvorlagen und entwickelten die Inhalte gemeinsam.
       
       Zum Beispiel „Verkehr“: von einem mit dicken Linien gemalten Bus mit
       Passagieren über ein blaues Polizeiauto mit roter Sirene bis hin zu einem
       detaillierten Fahrrad, das mit Fahrradkette und Klingel bestückt ist. Den
       Bus zeichneten die Kinder als Erstes, das Fahrrad kam erst sehr viel später
       dazu – denn viele kannten es aus ihrer alten Heimat nicht.
       
       Sonderpädagogische Unterstützung bekamen die KünstlerInnen von der
       Carl-Bolle-Schule. „Viele der Kinder sind traumatisiert und haben sich beim
       Zeichnen geöffnet“, so Rothhaar. Ein syrisches Mädchen hat zu Beginn kein
       Wort gesprochen. Doch zum Zeichnen ist keine Sprache nötig: Zunächst
       brachte sie kommentarlos Zeichnungen zu den Betreuerinnen. Später folgten
       erste Worte auf Deutsch.
       
       Nach neun Monaten waren zwei kleine Bücher fertig. Finanziert vom deutschen
       Kinderhilfswerk, dem Projektfonds Kulturelle Bildung und dem
       Bildungsverbund Moabit, wurden insgesamt 500 Bücher gedruckt und an
       Notunterkünfte, Bibliotheken und Schulen verteilt. Ein Exemplar ist nach
       dem Abc, das andere nach Oberbegriffen geordnet. Jetzt arbeitet ein
       IT-Spezialist an einer Onlineversion.
       
       ## Brücken bauen
       
       Der Bedarf der Schulen war und ist enorm, bestätigt Irina Groh vom
       Cornelsen-Verlag. Allein in Berlin gibt es gut tausend Willkommensklassen,
       die zum Beispiel Material mit arabischen Übersetzungen benötigen. Die
       Verlage rüsteten deshalb nach: Im Februar brachte Cornelsen erste Titel
       speziell für den Unterricht mit Flüchtlingen auf den Markt. Zudem stehen
       kostenlose Downloads bereit.
       
       Wichtig sei jedoch vor allem, bilanziert Rothhaar, wie man sich mit den
       Kindern auseinandersetzt: geduldig zu sein und über kulturelle und
       künstlerische Aktivitäten Brücken zu bauen, sei ein guter Weg.
       
       6 Oct 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lara Janssen
       
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