# taz.de -- Gutachten im NSU-Prozess: Zschäpe „antisozial und manipulativ“
       
       > Ein psychiatrisches Gutachten bezweifelt Beate Zschäpes Selbstdarstellung
       > als Mitläuferin. Für die NSU-Frau wird ein mildes Urteil
       > unwahrscheinlicher.
       
 (IMG) Bild: Ein Gutachter kommt zu einem vernichtenden Urteil über die Außendarstellung von Beate Zschäpe
       
       MÜNCHEN taz | Es ist ein weiterer Tiefschlag für Beate Zschäpe, und diesmal
       ein krachender: Im NSU-Prozess legte der Gerichtspsychiater Henning Saß
       sein vorläufiges Gutachten über die Hauptangeklagte vor. Und das spart
       nicht an Deutlichkeit. Zschäpe zeige „deutlich antisoziale Tendenzen“, ein
       „manipulatives Verhalten“ und ein Mangel an Empathie. Auch schildert der
       Gutachter ihre Distanzierung von den NSU-Taten als nicht überzeugend.
       
       Bis heute will Zschäpe nicht direkt mit Saß sprechen. Dieser stützte sich
       deshalb auf Akten und Zschäpes eigene Einlassungen vom Dezember 2015 und in
       kurzen Varianten danach. Auch beobachtete Saß, wie Zschäpe auf Zeugen
       reagierte, auf Opferangehörige oder Rechtsextreme.
       
       Die Schlussfolgerungen sind klar. Zschäpe habe in ihrer Biographie
       Entwicklungen genommen, „die zunehmend in Dissozialität und Delinquenz
       führten“, heißt es in dem 173-seitigen Schriftsatz, der der taz vorliegt.
       Die von Zschäpe eingeräumten „nationalistische Einstellungen“ nennt Saß
       „deutlich verharmlosend“. Die 41-Jährige sei, das habe die Verhandlung
       ergeben, schließlich „durchaus ein energisches, wehrhaftes, eigenständiges
       und anerkanntes Mitglied in der rechten Szene“ gewesen.
       
       Dass sich dies im Untergrund, in dem sich Zschäpe mit ihren Kumpanen Uwe
       Mundlos und Uwe Böhnhardt seit 1998 befand, geändert hat, sieht Saß nicht.
       Sie selbst hatte geschildert, von den Taten Böhnhardts und Mundlos im
       Vorfeld nichts gewusst und diese stets verurteilt zu haben. Sie sei
       allerdings zu abhängig gewesen, um ihre Begleiter zu verlassen.
       
       ## „Extrem hohe Fähigkeit zu Camouflage“
       
       Saß meldet Zweifel an. Schließlich sei es Zschäpe gelungen, über Jahre im
       Untergrund in verschiedenen „Alias-Rollen“ eine Legende aufrechtzuerhalten,
       mit „extrem hoher Fähigkeit zu Camouflage“. Auch die wiederholten
       Camping-Urlaube mit ihren Begleitern, „in relativ enger Gemeinschaft“,
       sprächen nicht für ein Zerwürfnis. Saß verweist zudem auf Nachbarn, die
       Zschäpe als „freundlich, aktiv, unterhaltsam, im Einklang mit der Gruppe“
       geschildert hätten.
       
       Auch im Prozess, fährt der Gutachter fort, habe Zschäpe nicht
       niedergeschlagen gewirkt, sondern so, als habe das Verhandelte „kaum etwas
       mit ihr zu tun“. Dies selbst noch, als Zschäpe sich ab Dezember bereits zu
       den Vorwürfen eingelassen hatte. „Im Ausdrucksverhalten der Angeklagten
       ließen sich keine deutlichen Hinweise beobachten, die für eine
       Authentizität sprechen können“, resümiert das Gutachten.
       
       Saß verweist auch auf den Streit Zschäpes mit ihren Altverteidigern.
       Wiederholt hatte sie deren Entpflichtung beantragt, heute redet sie kaum
       ein Wort mehr mit ihnen. Dies zeige, so der Gutachter, dass Zschäpe
       „durchsetzungswillig war und ein entschiedenes, zuweilen fast feindselig
       anmutendes Verhalten zeigte“. Auch die Zeugenaussagen früherer
       Wegbegleiter, die Zschäpe als selbstbewusst beschrieben, sprächen nicht
       dafür, „dass sie sich über eine sehr lange Periode entgegen ihrer eigenen
       Auffassung in einer so wichtigen und dramatischen Frage wie dem Begehen
       einer Serie von Tötungshandlungen dem Willen der beiden Lebenspartner
       gebeugt hätte“.
       
       ## Ein vernichtendes Fazit
       
       Das vernichtende Fazit des Gutachters: Stand heute könne „nicht
       festgestellt werden, dass ein „grundlegender Wandel in Haltungen und
       Überzeugungen eingetreten ist“. Weiter: „Vielmehr müsste mit überwiegender
       Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass bei entsprechenden
       Möglichkeiten eine Fortführung ähnlicher Verhaltensweisen angestrebt wird.“
       Dieses Urteil könnte die Richter für eine Verhängung einer
       Sicherungsverwahrung heranziehen, sollten sie Zschäpe im Sinne der Anklage
       verurteilen: als Mörderin und vollwertige Mittäterin des NSU-Trios.
       
       Körperliche oder psychische Erkrankungen, die ihre Schuld mindern könnten,
       sieht Saß auch nicht. Selbst der stete Alkoholkonsum, den Zschäpe für die
       Zeit im Untergrund anführte, sieht der Gutachter nicht als schwerwiegend.
       Dabei sei es eher um ein „Erleichterungstrinken“ gegangen.
       
       Zschäpe behauptete, dass sie am 4. November, als sie nach dem Tod von
       Böhnhardt und Mundlos das letzte Versteck in der Zwickauer Frühlingsstraße
       anzündete, stark betrunken gewesen sei. Saß nennt das unplausibel. Dagegen
       spreche ihr „geordnetes, motorisch koordiniertes und gedanklich
       umsichtiges“ Verhalten. Schließlich habe Zschäpe auch nach eigener Auskunft
       noch eine Nachbarin gewarnt und die Katzen gerettet.
       
       Für Zschäpe sind all diese Einschätzungen verheerend. Ein mildes Urteil, es
       wird nun einmal mehr unwahrscheinlich.
       
       27 Oct 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Konrad Litschko
       
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