# taz.de -- Tierversuche in der Forschung: Holland will es ohne Tiere versuchen
       
       > Die Niederlande soll zum Vorbild in der tierfreien Forschung werden. Bis
       > 2025 könnten staatlich vorgeschriebene Tests entfallen.
       
 (IMG) Bild: Eine Labormaus wird für einen Versuch vorbereitet
       
       BERLIN taz | „Die Niederlande sollen Weltführer bei tierfreier
       Laborinnovation bis 2025 werden“: Mit diesen Worten will der holländische
       Landwirtschaftsminister Martijn van Dam nichts Geringeres als eine
       Revolution in der biomedizinischen Forschung einleiten. Er will
       Tierversuche abschaffen. Und zwar, wenn möglich, komplett. Für die
       Umsetzung hat er das „Niederländische Nationale Komitee für den Schutz von
       Tieren, genutzt für wissenschaftliche Zwecke“, beauftragt, einen Plan zu
       erarbeiten. Dieser wurde ihm am Donnerstag in Den Haag überreicht.
       
       Die Experten machen darin konkrete Vorschläge. Vom Staat vorgeschriebene
       Tierversuche zu Sicherheitsüberprüfungen könnten bis 2025 ganz ersetzt
       werden. Die Grundlagenforschung solle nach Forschungsschwerpunkten geordnet
       angeben, wo sie 2025 mit Tierversuchen stehen wollen, und danach regelmäßig
       über ihre Fortschritte berichten, wie sie Tierversuche reduzieren. Bei der
       angewandten Forschung müsse der Fokus auf „menschliche Modelle für
       menschliche Krankheiten“ gelegt werden.
       
       In der Lehre könnten die Tierversuche ebenfalls deutlich reduziert werden.
       Notwendig sei allerdings in allen Bereichen ein „Paradigmenwechsel weg von
       existierenden Überzeugungen und Praktiken“.
       
       Das niederländische Vorgehen ist in dieser Form einzigartig. Die zuständige
       EU-Richtlinie von 2010, die alle Mitgliedstaaten übernehmen mussten, hält
       zwar fest, dass Tierversuche abgeschafft werden sollen. Doch ein konkretes
       Datum hat sich bisher niemand zu nennen getraut, schon gar nicht konkrete
       Maßnahmen oder einen Zeitplan.
       
       Nachdem die Europäische Union Tierversuche für Kosmetika 2013 nach
       jahrelangem Ringen abgeschafft hat, betonen die meisten Wissenschaftler wie
       Politiker, wie unersetzlich Tierversuchen sonst seien. „Wir können nicht
       eine Alternative für alles finden“, sagte noch vergangene Woche der
       zuständige EU-Kommissar Karmenu Vella bei einer Rede in Brüssel.
       
       ## Zweifel an der Übertragbarkeit von Tierversuchen
       
       Ähnlich argumentieren Wissenschaftler auf Seiten wie „Tierversuche
       verstehen“. Es gebe Bereiche, in denen Versuche an Tieren nicht ersetzt
       werden könnten. Das sei insbesondere dann der Fall, wenn Forscher komplexe
       Zusammenhänge im Körper untersuchen wollten, wie zum Beispiel Kreislauf-
       und Gehirnfunktionen. Ohne Tierversuche weniger Innovation, weniger
       Heilungschancen, so lautet die Nachricht.
       
       Tatsächlich gibt es jedoch in vielen Bereichen auch immer mehr Zweifel an
       der Übertragbarkeit von Tierversuchen. Neuen Studien zufolge versagen rund
       90 Prozent aller Medikamente beim Menschen, obwohl sie zuvor erfolgreich an
       Tieren getestet wurden. Computerprogramme, Datenbanken, Nano- und
       sogenannte „Human-on-a-Chip“-Technologien stellen unter anderem
       Alternativen dar, die Innovationen versprechen.
       
       Diese müssten stärker gefördert und in die Wissenschaft hineingebracht
       werden, meint der Leiter des niederländischen Komitees, Herman Koëter.
       Deshalb sei die Initiative von Martijn van Dam sehr begrüßenswert.
       „Fortschritte hängen immer auch an einzelnen Persönlichkeiten. Wir freuen
       uns sehr, dass dem Landwirtschaftsminister das Wohlergehen von Tieren so
       wichtig ist“, sagt Koëter.
       
       Dem Minister bleibt allerdings nicht viel Zeit. Im März 2017 gibt es in den
       Niederlanden Neuwahlen. Und selbst wenn die Niederlande einen Ausstieg
       beschließen sollten, müsste dieser wenigstens auf europäischer Ebene
       zumindest bei den Sicherheitstests ebenfalls durchgesetzt werden.
       
       15 Dec 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anna Catherin Loll
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Tierversuche
 (DIR) Niederlande
 (DIR) Forschung
 (DIR) Tierversuche
 (DIR) Tierversuche
 (DIR) Schwerpunkt taz Leipzig
 (DIR) Europäische Union
 (DIR) Tierschutz-Label
 (DIR) Tierversuche
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Tierversuche in der Forschung: Stress-Test mit Mäusen
       
       In der Forschung werden immer noch zahlreiche Versuche mit Tieren
       durchgeführt. Manche werden als notwendig erachtet, andere sind nutzlos.
       
 (DIR) Tierversuche in Hamburg: Liste der Qualen veröffentlicht
       
       Tierschützer haben Informationen über Tierversuche des Unternehmens LPT in
       einer Broschüre zusammengefasst. Das Unternehmen schweigt
       
 (DIR) Alternativen zu Tierversuchen: Dem Schwein ins Auge schauen
       
       Forscher der Uni Leipzig machen Gewebe länger haltbar. Lebende
       Versuchstiere können so durch Überbleibsel von Schlachttieren ersetzt
       werden.
       
 (DIR) EU-Konferenz über Tierversuche: Sendung mit der toten Maus
       
       Welche Alternativen gibt es zu Tierversuchen? Die EU-Kommission hat als
       Reaktion auf große Proteste eine Konferenz veranstaltet.
       
 (DIR) Kommentar Tierversuche in Deutschland: Schmerz fürs Geschäftsinteresse
       
       Die Zahl der Tierversuche steigt rapide. Oft nutzen sie nicht der
       Forschung, sondern allein der Industrie. Zellkulturen wären
       aussagekräftiger.
       
 (DIR) Tierversuche mit Gentech-Tieren: Das Leiden der Laborratten
       
       Immer mehr Versuchstiere sind gentechnisch verändert, damit sie bestimmte
       Krankheiten entwickeln. „Nicht hinnehmbar“, finden die Grünen.