# taz.de -- Silvesternacht in Köln: Polizei lässt Kritik gelten > Die Landespolizei verteidigt verschärfte Kontrollen und wehrt sich gegen > den Vorwurf eines Racial Profiling. Der „Nafri“-Tweet sei aber falsch > gewesen. (IMG) Bild: In der Silvesternacht vor dem Hauptbahnhof in Köln: Polizisten kontrollieren Personen Nach der Silvesternacht ist in ganz Deutschland eine Debatte um die Kölner Polizeitaktik entbrannt, die Kritiker als „Racial Profiling“ ablehnen: Beamte der Bundespolizei hatten in der Stadt zeitweise alle als nichtweiß eingestuften Männer in speziell für sie abgesperrte Bereiche geleitet, wo Angehörige der Landespolizei dann ihre Personalien überprüfte. Die Linke in NRW bezeichnete das als rassistisch: „Racial Profiling ist diskriminierend, es verletzt den Gleichbehandlungsgrundsatz“, sagte die Landesvorsitzende Özlem Demirel am Montag. Zwar sei der Einsatz nicht einfach gewesen. „Es kann aber nicht sein, auf die sexuellen Übergriffe im vergangenen Jahr nun mit Rassismus zu antworten.“ Damals war es zu massenhaften Attacken gegen Frauen vor dem Kölner Bahnhof gekommen. Andere Beobachter reagierten zurückhaltender. So erklärte die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Verena Schäffer: „Die Polizei darf bei Anhaltspunkten für die Begehung von Straftaten und zur Abwehr einer Gefahr die entsprechenden Personen kontrollieren.“ Die Kölner Polizei habe eine solche Gefährdungslage gesehen. „Und die Kontrollen wurden auf Basis dieser Anhaltspunkte durchgeführt – nicht allein aufgrund der Hautfarbe und der Herkunft.“ Und weiter: „Den Polizistinnen und Polizisten gebührt unser Dank.“ ## Auffällig, aggressiv wirkend Die Landespolizei betonte, es habe auffällige, aggressiv wirkende Gruppen von Nordafrikanern gegeben. Gegen diese seien die Beamten vorgegangen. Dabei sei es nicht um das Aussehen, sondern um das Verhalten dieser Menschen gegangen. Kontrolliert wurden aber alle als nichtweiß eingeordneten jungen Männer, die den Hauptbahnhof in Richtung Dom verlassen wollten. Das war an den Ausgängen deutlich zu beobachten. Polizeipräsident Jürgen Matthies sagte im WDR, bei Razzien sei zuvor ein Eindruck entstanden, „welche Personen zu überprüfen sind“. Das seien „keine grauhaarigen älteren Männer oder blonde junge Frauen“. Im ZDF antwortet er auf die Frage nach Racial Profiling: „Das weise ich zurück.“ Die taz fragte die Bundespolizei am Sonntag nach den Kriterien, nach denen Personen kontrolliert wurden. Die Antwort: „Wir kennen die Klientel aus unserem Polizeialltag.“ Samy Charchira, marokkanischstämmiger Sozialarbeiter aus Düsseldorf, berichtet, dass die Polizei schon in den Zügen nach Köln viele Maghrebiner von ihrer Reise nach Köln abhielt und zurückschickte, obwohl sich diese unauffällig verhalten hätten. Das Wort „Rassismus“ wollte er im Zusammenhang mit dem Einsatz nicht gebrauchen. ## Diskussion um Racial Profiling Nach Ansicht Charchiras ist die Fahndung nach möglichen Straftätern wichtig: Es gebe ein kriminelles Milieu, das aus Menschen mit nordafrikanischem Migrationshintergrund besteht. Deren Profil sei bekannt: junge Männer zwischen 17 und 32, die meist so gut wie kein Deutsch sprächen und oft drogenabhängig seien. Diese auch vorbeugend zu kontrollieren halte er für unproblematisch, sagte der Sozialarbeiter. Die Integrationspolitische Sprecherin der CDU in NRW, Serap Güler, nannte die Debatte um Racial Profiling absurd. Gerade Migranten seien froh über die Kontrollen, berichtete sie. Das sei besser, als Verbrechen zuzulassen, die zu einem Generalverdacht gegen Migranten führen. Ihr Kollege aus der SPD-Fraktion, Ibrahim Yetim, sagte: „Mir als Integrationspolitiker tut das unglaublich weh.“ Es tue ihm leid für jeden, der unschuldig in die Kontrollen geraten sei. Jedoch gehe es hier um „widerliche Typen“, die keinen Willen zur Integration zeigen. Nach Ansicht von Polizeipräsident Mathies hätte sich ohne die massive Polizeipräsenz eine ähnliche Situation wie im Jahr zuvor entwickelt. Zwischen 23 und 0 Uhr habe er sich selbst im Bereich des Hauptbahnhofs aufgehalten und – trotz aller Vorbereitung – Sorgen gemacht, dass „der Einsatz noch kippen könnte“. ## Polizei will weiter nachforschen Dazu kam es nicht. Im Zeitraum zwischen 18 und 8 Uhr wurden im Umfeld von Dom und Bahnhof zwei Sexualdelikte angezeigt, zwei weitere in einer Gegend, in denen sich viele Nachtclubs befinden. Gemeldet wurden neun Taschendiebstähle, 2015 waren es noch 365. Die Zahl der Körperverletzungen sank von 49 auf 28. Mathies ließ die Kritik an der Verwendung des Begriffes „Nafri“ in einem Tweet aber gelten. „Nafri“ steht im Kölner Polizeisprech für „Nordafrikaner“. Rätselhaft bleibt, warum so viele Menschen nordafrikanischer Herkunft an Silvester nach Köln strömten. Laut Mathies stieß die Bundespolizei schon bei Grenzkontrollen auf Nordafrikaner, die aus Frankreich anreisten und angaben, in Köln feiern zu wollen. Die Polizei will hier weiter nachforschen: „Ich möchte schon wissen, worauf wir uns in Zukunft eigentlich einstellen müssen“, so Mathies. 2 Jan 2017 ## AUTOREN (DIR) Christoph Herwartz ## TAGS (DIR) Köln (DIR) Silvester (DIR) Polizeieinsatz (DIR) Racial Profiling (DIR) Köln (DIR) Lesestück Interview (DIR) Schwerpunkt Rassismus (DIR) Silvester (DIR) Köln (DIR) Köln (DIR) Racial Profiling (DIR) Grüne (DIR) Alternative für Deutschland (AfD) (DIR) Köln (DIR) Schwerpunkt Rassismus (DIR) Köln ## ARTIKEL ZUM THEMA (DIR) Racial Profiling in Köln: Zu früh für einen Schlussstrich Die Politik möchte die Debatte um Racial Profiling beenden. Doch sie beginnt erst, denn die Behauptungen der Polizei sind fragwürdig. (DIR) Boris Palmer über Polizeieinsatz in Köln: „Das muss man aushalten“ Die Grünen dürfen der Polizei nicht in den Rücken fallen, meint Tübingens grüner OB Boris Palmer. Man könne nicht die ganze Republik gegen sich aufbringen. (DIR) „Nafri“ in der politischen Debatte: Kartoffeln wollen Antworten Alexander Dobrindt ist Verkehrsminister und möchte nicht auf problematische Begriffe wie „Nafri“ verzichten. So normalisiert sich Rassismus. (DIR) Nach Silvester in Köln: Ein Kessel Behauptungen Haben junge Männer nordafrikanischer Herkunft an Silvester in Köln eine „Machtprobe“ mit dem Staat gesucht? Dafür gibt es keinerlei Belege. (DIR) Kommentar Polizeiverhalten in Köln: Alle dürfen sich sicher fühlen Der öffentliche Raum sollte für jede und jeden so sicher sein, wie es geht. Das ist oft nur mit Polizei möglich. Und Lernen aus Köln ist nicht ausgeschlossen. (DIR) Debatte Silvester in Köln: In der weißen Blase Die Kritik an rassistischen Polizeikontrollen sollte in Deutschland Bürgerpflicht sein. Stattdessen wird sie jetzt diffamiert. (DIR) „Racial Profiling“ in NRW: Amnesty fordert Untersuchung Für ihren Silvestereinsatz erhält die Kölner Polizei viel Lob. Ein gezieltes Vorgehen gegen bestimmte Ethnien ist laut einem Bericht schon länger Praxis. (DIR) Kölner Polizeieinsatz an Silvester: „Dumm“, „bescheuert“ und „perfide“ Grünen-Chefin Simone Peter hat Zweifel am Vorgehen der Polizei in Köln geäußert – und sorgt für breite Empörung. Auch in den eigenen Reihen. (DIR) Faktencheck zur Silvesternacht: Die Phantom-Banden der Rechten Die AfD spricht von „nordafrikanischen Flashmobs“ in Dortmund, Hagen und Frankfurt. Andere Rechte steigen mit ein, aber die Polizei widerspricht. (DIR) Debatte über die Kölner Silvesternacht: Polizeipräsident bedauert Wortwahl Jürgen Mathies entschuldigt sich für den Begriff „Nafris“, verteidigt aber das Vorgehen der Polizei. Kritik kommt von Politikern der Grünen, Unterstützung von der CSU. (DIR) Kommentar Racial Profiling auf Twitter: Die Sprache der Kölpos Die Kölner Polizei bezeichnet Männer, die mutmaßlich aus Nordafrika kommen, als „Nafris“. Das klingt nicht nur rassistisch – das ist es auch. (DIR) Silvesternacht in Köln: Deutschland postcolognial Die Übergriffe haben in Teilen der Bevölkerung für Verunsicherung gesorgt – und alte Debatten neu angestoßen. Vier Beispiele.