# taz.de -- Die Wahrheit: Der Riss
       
       > Der Zusammenhalt hält nicht mehr: Quo vadis diese unsere Republik? Ein
       > geschwollener Bocksgesang auf aussterbenden Kitt.
       
       Kein Zweifel: Der Gesellschaft droht das gesellschaftliche Aus, weil der
       gesellschaftliche Zusammenhalt verloren zu gehen droht. Davor warnen
       Politiker und ihnen angeschlossene Journalisten mit sehr viel Recht, denn
       wenn der Gesellschaft das gesellschaftliche Aus durch fehlenden
       gesellschaftlichen Zusammenhalt droht, so ist das kein Pappenstiel, über
       den Politiker und Journalisten zur Tagesordnung übergehen können, sondern
       ein Thema! Und dieses Thema ist eben der gefährdete gesellschaftliche
       Zusammenhalt, der kein Thema wäre, wenn er nicht durch den schwindenden
       Zusammenhalt der Gesellschaft den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährden
       würde.
       
       Mehr noch: Dass der gesellschaftliche Zusammenhalt verloren zu gehen droht,
       wie seriöse Politik und wichtiger Journalismus fieberhaft und
       gebetsmühlenartig betonen, heißt zugleich, dass Staat und Gesellschaft in
       ihren Grundlagen erschüttert würden, deren Fundament eben der
       gesellschaftliche Zusammenhalt ist, auf dem Staat und Gesellschaft ruhen
       und der damit dem Staat und seiner Gesellschaft die nötige Sicherheit gibt,
       wenn die Menschen zusammenhalten und so eine sichere Gesellschaft und einen
       Staat garantieren, der vor ihnen sicher ist. Das gilt auch und gerade für
       die Unterschicht, die nun mal auch zur Gesellschaft gehört und deshalb für
       den gesellschaftlichen Zusammenhalt besonders verantwortlich ist, indem
       auch und gerade sie den Staat und seine Gesellschaft stützt und fördert und
       nicht verantwortungslos gefährdet durch verantwortungsloses Fordern!
       
       ## Mittelschicht der Mitte
       
       Stattdessen den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu gefährden, würde, weil
       es den Zusammenhalt der Gesellschaft bedroht, ganz besonders und allen
       voran die Mittelschicht gefährden und damit den Mittelstand als die
       gesellschaftliche Mitte bedrohen, die in besonderem Maße in der goldenen
       Mitte der Gesellschaft steht und deshalb auf den gesellschaftlichen
       Zusammenhalt angewiesen ist, um als Mittelstand die goldene Nase der
       Gesellschaft zu bilden und zu sichern, wie wichtige Politik und
       Gebetsmühlen fieberhaft schwören. Den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu
       bedrohen, ist deshalb genau das Falsche, wenn es um den Zusammenhalt geht,
       der deshalb genau das Richtige ist, um die Gesellschaft vor einer Spaltung
       zu bewahren. Der Zusammenhalt und nicht die Spaltung ist schließlich das
       Fundament des Zusammenhalts, soll heißen, auch von Wirtschaft und Wohlstand
       des Mittelstands als Garanten des Zusammenhalts der Mittelschicht!
       
       ## Mantra der Mühle
       
       Wenn hier also von fieberhaften Politikern sowie der gebetsmühlenartigen
       Mittelschicht als dem Mittelstand qua gesellschaftlicher Mitte der
       gesellschaftliche Zusammenhalt wie in einem Mantra beschworen wird, so ist
       das kein Mantra, weil der gesellschaftliche Zusammenhalt zu wichtig ist, um
       in einem Mantra beschworen zu werden. Er ist vielmehr ein seriöses Thema,
       das seine Wichtigkeit durch die Wichtigkeit des gesellschaftlichen
       Zusammenhalts gewinnt, der als Kitt die Gesellschaft, und das heißt: alle
       verschiedenen gesellschaftlichen Schichten zusammenhält, und zwar auch
       diese Unterschicht da! Auch diese Unterschicht hat deshalb uneigennützig
       ihren Anteil zu leisten, damit nicht die Spaltung die Gesellschaft spaltet,
       sondern der gesellschaftliche Zusammenhalt zusammenhält und nicht durch die
       Unterschicht gefährdet wird.
       
       Wichtiger als Zusammenhalt ist darum nur eins: noch mehr Zusammenhalt! Gibt
       es aber nicht mehr Zusammenhalt, dann wird nicht nur der Spalt spaltengroß
       sein, sondern der Zusammenhalt wird auch nicht eng genug sein, nicht
       zukunftssicher genug, nicht fieberhaft genug, und die Gebetsmühle als
       Garant des Zusammenhalts sowie besonders der Mittelschichtler als Inbegriff
       des Zusammenhälters müssten gewärtigen, dass der Zusammenhalt und damit sie
       selbst gefährdet werden, wie oben von Politik, Journalismus und goldiger
       Mittelschicht bewiesen und was niemand wollen kann, der es nicht will.
       Aller Willen und Wollen muss deshalb auf ein Ziel gerichtet sein müssen:
       den gesellschaftlichen Zusammenhalt unser aller Gesellschaft gebetsartig zu
       festigen und zusammenzuhalten!
       
       25 Jan 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Peter Köhler
       
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