# taz.de -- Die Wahrheit: Stahl hält hoch
       
       > Bei einem Festival in Braunschweig zeigt die Heavy-Metal-Gemeinde wieder
       > einmal, wie wunderbar durchdrungen von Nostalgie sie ist.
       
 (IMG) Bild: Deutliche Sprache, unmissverständliche Pose: Steel Panther beim „Elbriot“ 2016
       
       Horns zur Begrüßung: zwei Finger hoch. Und dann laut genug, damit die
       Schlange hinter einem auch hört, dass sie es hier nicht mit einem fucking
       anybody zu tun hat. „Ich steh auf der Gästeliste“, sage ich. „Alter, wir
       haben hier gar keine Gästeliste“, sagt der gutmütige Zausel mit dem
       Dreimonatsbart und einer Bauchwanne, die wirklich mal Arbeit gemacht hat.
       Er sitzt hinter dem Einlasstischchen und lächelt charmant, soweit sich das
       durchs Gestrüpp sagen lässt. Er ist allein. Eine Security braucht es nicht,
       wir sind ja hier auf dem „Steel Held High“, einem Festival in Braunschweigs
       B 58, das sich dem immer noch guten, ganz alten, dem einzig wahren, also
       dem Trve Trve Trve Metal verschrieben hat.
       
       „Wie jetzt, keine Gästeliste?“ Ich bemerke, wie Zausel sich an meiner
       Unruhe weidet. „Aber ich hatte doch angerufen.“ – „Wir haben hier gar kein
       Telefon.“
       
       Jetzt merke ich es erst: dass er mir – alias dem schmarotzendem
       Schreiberpack – nur mal ein bisschen die Luft rauslassen will. Es fühlt
       sich nicht mal schlecht an. Ich bekomme unter großem „Hohoho“ und viel
       Augengezwinker mein Einlassbändchen, früher hatte es ein
       Fleischbeschauerstempel getan – „Zum Verzehr ungeeignet“.
       
       Aber sonst ist alles wie damals, als wir hier Mitte der achtziger Jahre
       Amps und Schlagzeug reinwuchteten und uns vor fünfzig Menschen richtig
       nassmachten. Etwa die Hälfte des Publikums bestand aus auftretenden
       Musikern. Man verkaufte zwei, drei Demos oder später dann auch ein Album,
       und ein Spinner kam nach jeder Show und erzählte mit
       Wichtigwichtigpopichtig-Miene, er könne einen „Gig mit Sodom“ klarmachen.
       Wenn dann auch noch ein leidlich angetrunkenes Mädchen auf der Treppe das
       Kinn hob und die beiden magischen Wörter „cool“ und „Show“ in einen
       halbwegs sinnvollen Zusammenhang brachte, wollte man nirgendwo anders sein
       auf der Welt.
       
       Ich war jetzt auf der Treppe hinauf zum Club und belauschte zwei junge
       Kuttenträger. „Was heißt ’n das eigentlich genau, ‚Steel Held High‘?“ – „
       ‚Stahl hält hoch‘, du Rind!“ – „Geil.“
       
       Nostalgie hat ja keinen guten Leumund, aber beim Metal geht es nicht ohne.
       In der harten Szene wurde der Rückwärtssalto in die heimelige Suhlekuhle
       stets mit gerecktem Daumen bedacht, und deshalb erreicht die
       Hard-&-Heavy-Fraktion in dieser Disziplin auch eine Perfektion, von der
       andere Genres nur träumen können. Wir haben einfach länger geübt.
       
       Etwas aber hatte sich grundsätzlich verändert. Das B 58 selber. Diese
       Lokalität klang immer übel, nach feuchtem Kohlenkeller oder Schlimmerem.
       Dreißig Jahre später ist der Laden endlich richtig eingespielt, hat sich zu
       einem kuscheligen Club transformiert, in dem die Bands massig Staub
       aufwirbeln können, ohne dass die Trommelfelle über Gebühr ausleiern.
       
       Als sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben, sieht man auch, dass
       ein Konfirmand bereits lang hingeschlagen ist. Er hat am Sherry genippt und
       muss jetzt ein bisschen brechen. Ich war endlich wieder zu Hause.
       
       17 Mar 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Frank Schäfer
       
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