# taz.de -- Gemeinsamer Kurs CDU und CSU: Maximal 200.000 Flüchtlinge jährlich
       
       > CDU und CSU haben sich in Sachen Migration auf eine Position für die
       > Koalitionsverhandlungen geeinigt. Von Grünen kommen Kritik und Lob
       > gleichzeitig.
       
 (IMG) Bild: Hier wurde bis spätabends verhandelt: Konrad-Adenauer-Haus in Berlin
       
       BERLIN/BADEN-BADEN rts/afp | CDU und CSU haben [1][den Streit um eine
       Obergrenze] für Flüchtlinge beigelegt und sich auf ein Paket zur
       Migrations-, Zuwanderungs- und Flüchtlingspolitik geeinigt. Die Spitzen
       beider Parteien einigten sich auf eine Formulierung, nach der die
       Netto-Zuwanderung aus humanitären Gründen pro Jahr nicht mehr als 200.000
       Menschen betragen soll. Die Gesamtsumme solle aus ankommenden und
       ausreisenden Personen berechnet werden, heißt es in dem am Sonntagabend
       verabschiedeten Text. Das Wort Obergrenze taucht nicht auf.
       
       Zudem vereinbarten die Spitzen von CDU und CSU, dass es ein
       Zuwanderungsgesetz für Fachkräfte geben soll. „Guter Tag für die Union und
       guter Tag für Deutschland“, sagte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer nach
       Abschluss der Beratungen. Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt
       äußerte sich „sehr zufrieden“.
       
       Seit Sonntagmittag sondierten die Spitzen der Union in der Berliner
       CDU-Zentrale, wie eine gemeinsame Verhandlungspositionen für
       Jamaika-Gespräche mit FDP und Grünen aussehen könnte. Eine Situation wie
       2015 mit der Aufnahme einer sehr hohen Zahl an Flüchtlingen und Migranten
       solle sich nicht wiederholen, halten beide Parteien fest. Dazu soll ein
       ganzes Maßnahmenpaket dienen, von denen etliche Regelungen allerdings in
       Deutschland oder der EU bereits in Arbeit sind.
       
       Neu ist die Forderung, dass es in Deutschland künftig Entscheidungs- und
       Rückführungszentren geben soll, in denen Asylbewerber bis zu einer
       Entscheidung über ihren Antrag bleiben sollen. „Die erforderlichen
       ausländerrechtlichen Entscheidungen werden dort getroffen“, heißt es in dem
       Text. Abgelehnte Asylbewerber sollen von dort in ihre Heimat zurückgeführt
       werden.
       
       Nationale Grenzkontrollen sollen beibehalten werden, bis der
       EU-Außengrenzschutz funktioniert. Mit den Herkunfts- und Transitstaaten
       sollen nach dem Vorbild des EU-Türkei-Migrationsabkommen Abkommen
       geschlossen werden. Es werden EU-weite gemeinsame Asylverfahren an den
       Ausgrenzen und Rückführungen bereits von dort in die Heimatländer
       unterstützt. Die Liste der sicheren Herkunftsländer soll auf die drei
       Maghrebstaaten Marokko, Algerien und Tunesien ausgeweitet werden. Der
       Familiennachzug von subsidiär Geschützen, die nur ein Aufenthaltsrecht von
       zunächst einem Jahr haben, soll nach Willen von CDU und CSU ausgesetzt
       bleiben.
       
       ## Auf die Gesamtzahl schauen
       
       Zudem wurde eine Klausel vereinbart, dass Bundesregierung und Bundestag
       eine neue Entscheidung treffen können, mit dem der Richtwert „nach unten
       oder oben“ geändert werden kann. Die Union setzt sich zudem für verstärkte
       Abschiebungen aus. Zudem wird betont, dass die Regeln des Asylrechts im
       Grundgesetz weiter gelten – damit kann auch weiter kein Asylsuchender an
       der deutschen Grenze abgewiesen werden.
       
       Neu ist das Element, dass die Zahl von 200.000 sich nicht mehr nur auf die
       ankommenden Flüchtlinge bezieht. „Wir wollen erreichen, dass die Gesamtzahl
       der Aufnahmen aus humanitären Gründen (Flüchtlinge und Asylbewerber,
       subsidiär Geschützte, Familiennachzug, Relocation und Resettlement,
       abzüglich Rückführungen und freiwillige Ausreisen künftiger Flüchtlinge)
       die Zahl von 200.000 Menschen im Jahr nicht übersteigt“, heißt es in der
       Vereinbarung. Dies bedeutet, dass mehr Menschen aufgenommen werden können,
       wenn mehr nicht anerkannte Flüchtlinge und Asylbewerber Deutschland in
       größerer Zahl wieder verlassen.
       
       Vor allem die CSU hatte zuvor mit der begrenzten Aufnahmefähigkeit
       Deutschlands argumentiert. Bundeskanzlerin Angela Merkel wiederum hatte die
       CSU bereits vor Monaten aufgefordert, nicht nur auf die Zahl der
       ankommenden Flüchtlinge, sondern die Gesamtzahl der Ein- und Ausreisenden
       zu schauen.
       
       ## Zahl bezieht sich nicht auf EU-Bürger
       
       Auf CDU-Seite verhandelten Parteichefin Merkel, Kanzleramtschef Peter
       Altmaier, Finanzminister Wolfgang Schäuble, Generalsekretär Peter Tauber
       und Fraktionschef Volker Kauder. Für die CSU sind Parteichef Horst
       Seehofer, Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, Generalsekretär Andreas
       Scheuer, Bayerns Innenminister Joachim Herrmann und der Vorsitzende der
       CSU-Landtagsfraktion in München, Thomas Kreutzer, dabei. Nachdem sich CDU
       und CSU nach mehreren Stunden Beratung zu getrennten Beratungen
       zurückgezogen hatten, kamen Merkel und Seehofer zu einem
       Vier-Augen-Gespräch zusammen. Am Abend stieß Bundesinnenminister Thomas de
       Maizière (CDU) dazu. Die Unionsspitzen sprachen auch über weitere Themen
       wie etwa Europa.
       
       Die Kunst liege darin, eine Position zu finden, die die CSU zufriedenstelle
       und gleichzeitig nicht den Weg für eine Einigung mit FDP und vor allem den
       Grünen verbaue, hatte es in der CDU am Sonntag geheißen. Merkel und andere
       führende CDU-Politiker hatten eine formale Obergrenze für die humanitäre
       Aufnahme mit dem Argument zurückgewiesen, dass etwa Asylbewerber an der
       deutschen Grenze nicht zurückgewiesen werden könnten.
       
       Die Zahl 200.000 bezieht sich nicht auf die Arbeitsmigration und die
       Freizügigkeit etwa für EU-Bürger. Darüber kommen jedes Jahr sehr viel mehr
       Menschen nach Deutschland. CSU und CDU vereinbarten zudem ein
       Zuwanderungsgesetz, um den wachsenden Fachkräftebedarf der Wirtschaft zu
       decken.
       
       ## Grüne sind sich uneinig
       
       Grünen-Chefin Simone Peter sagte über den Kompromiss im Unions-internen
       Streit: „Das ist eine Einigung zwischen CDU und CSU und noch lange nicht
       das Ergebnis der Jamaika-Sondierung“. „Die Zahl 200.000 als Höchstgrenze
       humanitärer Hilfe kommt einer Obergrenze gleich, weil sie die einzelnen
       Flüchtlingsgruppen wahllos summiert und bei Erreichen der Grenze offenbar
       sachgrundlos gegeneinander ausspielt“, erklärte sie mit Blick auf die nach
       stundenlangen Verhandlungen gefundene Einigung.
       
       „Wenn bei Erreichen der Grenze Flüchtlinge aus Resettlementprogrammen gegen
       nachziehende Familienmitglieder ‚verrechnet‘ werden, dann hat das nichts
       mit menschenrechtsbasierter Asylpolitik zu tun“, sagte Peter weiter. Sie
       bekräftigte, ihre Partei lehne die Ausweitung der sogenannten Sicheren
       Herkunftsländer ebenso ab wie Abkommen nach dem Vorbild des Vertrages
       zwischen der EU und der Türkei zum Stopp der Flüchtlingsbewegungen. Auch
       Ausreisezentren ohne Rechtsberatung wie in Bamberg würden von den Grünen
       nicht getragen. „An Entrechtungsprogrammen werden wir Grüne uns nicht
       beteiligen“, erklärte Peter, die zu den Grünen Unterhändlern zur Sondierung
       einer Jamaika-Koalition mit Union und FDP gehört.
       
       Das klang bei Bundestagsfraktionschefin Katrin Göring-Eckhardt jedoch
       anders. Sie hat den unionsinternen Kompromiss in der Flüchtlingspolitik
       begrüßt. Es gebe nun „eine Ausgangslage“, sagte sie dem Sender SWR. Die
       Einigung von CDU und CSU nannte sie einen „Formelkompromiss“, den nun
       genauer angeschaut werden müsse.
       
       „Herr Seehofer hat seine 200.000 bekommen, Frau Merkel hat bekommen, dass
       niemand an der Grenze abgewiesen wird“, sagte Göring-Eckhardt. Ihr mache
       Sorge, „wie man bei 200.000 einfach einen Cut machen kann, ich kann mir
       immer noch nicht vorstellen, wie das gehen soll.“ Ihre Partei werde darüber
       hinaus weiterhin auf einen geregelten Familiennachzug drängen, betonte sie.
       
       9 Oct 2017
       
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