# taz.de -- Streit bei Berlins Grünen: Für und gegen das Kopftuch
       
       > Säkulare Grüne sind gegen eine Aufweichung des Neutralitätsgesetzes – und
       > opponieren gegen ihren Justizsenator. Überparteiliche Initiative in
       > Gründung.
       
 (IMG) Bild: Wie neutral kann Schule sein?
       
       Die Berliner Grünen wollen das Neutralitätsgesetz kippen, das unter anderem
       Lehrerinnen verbietet, mit islamischem Kopftuch zu unterrichten. Wirklich?
       Bei der letzten Landesdelegiertenkonferenz, dem Parteitag, den die Grünen
       am Wochenende in Kreuzberg abhielten, sah es ganz danach aus. Jetzt erheben
       andere Gruppen die Stimme: Die Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Säkulare
       Grüne hält nichts von der Aufweichung des Gesetzes. Bei einem Treffen am
       Mittwochabend wollten sich die Mitglieder der LAG nach taz-Informationen
       für den Erhalt der Regelung in ihrer aktuellen Form aussprechen.
       
       Ein vom Parteitag einstimmig beschlossener Leitantrag formuliert, „junge
       Muslimas mit Kopftuch“ erlebten „das Neutralitätsgesetz als Berufsverbot“.
       Ein pauschales Kopftuchverbot, wie es das Neutralitätsgesetz für Lehrkräfte
       an allgemeinbildenden Schulen vorschreibt, lasse sich nach der
       Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts „nicht mehr halten“. Die
       Berliner Grünen wollten deshalb „eine lösungsorientierte Debatte
       vorantreiben, die sich an praktischen Erfordernissen von Schulen
       orientiert“.
       
       Diese Debatte haben die Säkularen Grünen auf dem Parteitag vermisst – und
       ihre Position ist ziemlich eindeutig. Es wäre „ein völlig falsches und
       unverständliches Signal, würden wir Grüne die staatliche Neutralität im
       Öffentlichen Dienst aufgeben“, so LAG-Sprecher Walter Otte. Er hält die
       Rede vom „Berufsverbot“ für falsch: „Zum einen trägt die große Mehrheit der
       Musliminnen in Berlin ohnehin kein Kopftuch; zum anderen spielt die
       Religionszugehörigkeit für den Zugang zum öffentlichen Dienst überhaupt
       keine Rolle.“ Mit den Berufsverboten der 70er Jahre, bei denen
       Einstellungen und Aktivitäten jenseits der Berufsausübung geahndet wurden,
       habe das nichts zu tun.
       
       ## Vor Kindern neutral auftreten
       
       Für LAG-Mitglied Jürgen Roth steht fest, dass ein religiöses Kopftuch ein
       problematisches Statement ist, wenn eine Lehrerin es bei der Arbeit trägt:
       „Wenn jemand nicht mal bereit ist, vor Kindern mit einer gewissen
       Neutralität aufzutreten, macht mich das skeptisch, ob auch die Vermittlung
       der Inhalte weltanschaulich neutral geschieht.“ Wer das Kopftuch hier
       erlaube, müsse im Grunde auch akzeptieren, dass die Lehrkraft zu
       Schülerinnen sage: „Zieht euch lieber mal züchtig an.“
       
       Besonders unzufrieden sind die Säkularen Grünen mit dem – grünen –
       Justizsenator: Dirk Behrendt hatte im Februar das Urteil des
       Landesarbeitsgericht zugunsten einer wegen des Kopftuchs abgewiesenen
       Bewerberin mit den Worten kommentiert: „Das ist ein guter Tag für die
       Antidiskriminierung und wohl der Anfang vom Ende des Berliner
       Neutralitätsgesetzes.“ Auch kirchennahe Grüne wie die ehemalige
       Landesvorsitzende Bettina Jarasch äußern immer wieder Kritik am
       Neutralitätsgesetz. „Ich möchte, dass es Lehrerinnen mit Kopftuch an
       Berliner Schulen gibt“, so Jarasch auf dem Parteitag.
       
       Laut Walter Otte bildet sich gerade eine überparteiliche, linke Initiative
       namens „PRO Berliner Neutralitätsgesetz“, die sich bald mit einem Aufruf an
       die Öffentlichkeit wenden werde. Zu den ErstunterzeichnerInnen gehören
       kritische Muslime wie Ahmad Mansour und Seyran Ateş, die ehemalige
       Bundestagsabgeordnete Lale Akgün sowie die ehemalige Berliner Abgeodnete
       Felicitas Tesch (beide SPD) und der frühere Bundesdatenschutzbeauftragte
       Peter Schaar. Amtierende Mitglieder des Abgeordnetenhauses oder des grünen
       Landesvorstands sitzen noch nicht im Boot.
       
       6 Dec 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Claudius Prößer
       
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