# taz.de -- Engagement gegen Rechts: Mit der Extremismuskeule
       
       > Das Bündnis Neukölln engagiert sich seit Jahren gegen Rechts. Nun wurde
       > ihm ein Preisgeld gestrichen. Daran gibt es scharfe Kritik – außer von
       > CDU und AfD.
       
 (IMG) Bild: Im Februar wurde das Auto des Linken-Politikers Ferat Kocak in Neukölln angezündet
       
       Die Entscheidung, einer Neuköllner Initiative gegen rechts ein im Rahmen
       eines Bundesprogramms verliehenes Preisgeld nicht auszuzahlen, stößt auf
       breite Kritik. Betroffen ist das Bündnis Neukölln, das für sein Festival
       Offenes Neukölln einen Preis des Bundesprogramms für Demokratie und
       Toleranz in Höhe von 3.000 Euro erhalten hatte. In einem gemeinsamen Brief
       haben das Bundesinnen- sowie das Bundesjustizministerium den Beirat des
       Bündnisses für Demokratie und Toleranz angewiesen, das Geld nicht
       auszuzahlen. Als Grund wird die Beteiligung der linksradikalen Gruppe
       Interventionistische Linke (IL) im Bündnis Neukölln genannt, die im
       Verfassungsschutzbericht auftaucht.
       
       „Wir ärgern uns sehr. Das ist das völlig falsche Signal für unser
       Engagement und für das, was hier im Bezirk passiert“, sagt eine Sprecherin
       des Bündnis Neukölln am Donnerstag. Das Bündnis, in dem auch die Neuköllner
       Grünen, Linken und SPD Mitglied sind, sehe sich bereits seit mehreren
       Monaten vonseiten der bezirklichen CDU und AfD mit ähnlichen Vorwürfen
       konfrontiert. „Dieser Versuch, uns zu diskreditieren, raubt uns Energie,
       die wir für den Kampf gegen rechts eigentlich gut gebrauchen könnten“, so
       die Sprecherin.
       
       Von einem „Schlag ins Gesicht derjenigen, die in Neukölln von rechter
       Gewalt betroffen sind oder sich dagegen engagieren“, spricht Ferat Kocak.
       Der Linken-Politiker ist Teil des Bündnis Neukölln, Anfang Februar wurde
       sein direkt neben dem Wohnhaus geparktes Auto angezündet – allem Anschein
       nach von Rechten. „Es ist genau dieses politische Handeln von CDU und AfD,
       das den Rechtsterroristen im Bezirk Vorschub leistet“, sagt er.
       
       ## Falsches Signal
       
       Die beiden Parteien in einem Atemzug zu nennen kommt nicht von ungefähr:
       Tatsächlich hatte nicht nur die Neuköllner AfD, sondern auch der
       CDU-Stadtrat Falko Liecke in den letzten Monaten das Bündnis Neukölln wegen
       der Beteiligung der Interventionistischen Linken angegriffen. Auf Twitter
       begrüßt Liecke die Entscheidung gegen die Geldervergabe als „gute
       Nachricht“. Im Beirat des Bündnisses für Demokratie und Toleranz sitzt mit
       dem umstrittenen Bundestagsabgeordneten Jens Maier wiederum ein AfDler, der
       seine Freude über die Entscheidung ebenfalls in den sozialen Netzwerken
       kundtut – diese sei ein „politischer Erfolg für die AfD“.
       
       Von anderen Beiratsmitgliedern kommt hingegen deutliche Kritik: „Ich finde
       die Entscheidung falsch“, sagt die Grünen-Bundestagsabgeordnete Monika
       Lazar am Donnerstag zur taz. Damit werde ein „breites, überparteiliches
       Bündnis in Misskredit gebracht“. Das Bündnis habe sich explizit zum Ziel
       gesetzt, „das gesamte demokratische Spektrum“ anzusprechen. Diesen Ansatz
       halte sie für richtig und die Entscheidung gegen das Preisgeld in diesem
       Zusammenhang für das falsche Signal.
       
       Lazar spricht sich für eine Abschaffung der sogenannten Demokratieerklärung
       aus: „Dieses Beispiel zeigt einmal mehr, wie durch diese Regelung
       bürgerschaftliches Engagement in unserem Land erschwert, diskreditiert und
       Aktive entmutigt werden.“ Die Linken-Abgeordnete Martina Renner, ebenfalls
       Beiratsmitglied, hatte im Tagespiegel bereits von einer nicht
       hinzunehmenden Blockade durch den Verfassungsschutz und die Ministerien
       gesprochen. Der Fraktionschef der Neuköllner SPD und wahrscheinliche
       nächste Bezirksbürgermeister, Martin Hikel, war am Donnerstag nicht für
       einen Kommentar zu erreichen.
       
       Die Interventionistische Linke Berlin selbst kritisiert die Entscheidung
       ebenfalls: „Die Extremismuskeule dient hier als Vorwand, um
       zivilgesellschaftliches Engagement zu diskreditieren“, so eine Sprecherin.
       „Gerade in einem Bezirk, der ein massives Problem mit rechter Gewalt hat,
       ist das ein Skandal.“
       
       Von der Zusammenarbeit wolle man sich aber nicht abbringen lassen: „Wir
       lassen uns nicht spalten. Jeder, der sich zu unserem Leitbild bekennt, kann
       sich bei uns engagieren“, sagt die Sprecherin des Bündnis Neukölln. Die
       Interventionistische Linke sei „seit Jahren ein verlässlicher Partner“ im
       Bündnis. Auch die IL betont, sich „weiterhin auch im Rahmen dieses
       Bündnisses für eine starke Zivilgesellschaft und ein offenes Neukölln“
       einzusetzen zu wollen.
       
       15 Mar 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Malene Gürgen
       
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