# taz.de -- Feministischer Sprechgesang aus Bayern: Emanzipiert dank Beatboxing
       
       > Die Münchnerin Lisa Hollik jobbte als Rikscha-Fahrerin und studierte
       > Dolmetschen. Ihre wahre Berufung? Der Rap. „Lisaholic“ im Porträt.
       
 (IMG) Bild: Lisaholic fing vor knapp zwei Jahren mit dem Beatboxen und Rappen an
       
       Ihre Auftritte beginnt sie oft mit diesem Satz: „Hallo, ich bin Lisaholic
       und mache Vocal-Liveloops, also alles mit meiner Stimme.“ Dann führt die
       Münchner Künstlerin vor, wie das funktioniert, erzeugt zunächst klassische
       Beatbox-Sounds: tiefe, dröhnende Basstöne mit Stimme und Backen, danach
       rhythmisch klackende Schnalzgeräusche mit Zunge und Gaumen. Eins nach dem
       anderen nimmt sie mit ihrer Loopstation auf und lässt die verschiedenen
       Tonspuren dann gleichzeitig laufen. So baut sie auf der Bühne nach und nach
       einen komplexen Song zusammen und fängt schließlich an, auf den selbst
       gebauten Beat zu rappen.
       
       Dabei unterscheiden sich Lisaholics einzelne Tracks in ihren
       Stilrichtungen: Während die Beats einiger Songs vor allem wegen ihrer Tempi
       und der schwer hörbaren, aber als Vibrationen leicht fühlbaren
       Bassfrequenzen eher nach Techno oder Drum&Bass klingen, gehen andere Songs
       aufgrund ihrer klaren Downbeats eher Richtung HipHop und Trap. Ihre Stimme
       setzt Lisaholic aber nicht nur beim Beatboxing so vielfältig ein, sondern
       auch beim (Sprech-)Gesang: Innerhalb ihrer Songs wechselt sie meist
       zwischen Rap in den Strophen und melodischem Vocals im Refrain ab, der Text
       ist dabei meistens so voller Inhalt, dass man oftmals gar nicht mitkriegt,
       dass er sich entweder in jeder Zeile oder von der einen auf die nächste
       Zeile reimt.
       
       In Berlin, beim Straßenfest zum 1. Mai, haben die meisten Lisaholic
       zufällig wahrgenommen – und sind schnell beeindruckt. Eine junge Frau,
       allein auf der Bühne, Kopfhörer auf den Ohren, Mikrofon in der Hand, die
       Effektgerät bedient und Loopstation, und damit ihr Publikum innerhalb
       kürzester Zeit zum Mitschwingen bringt – und zum Nachdenken.
       
       Denn in allen Texten von Lisaholic steckt eine Art der Gesellschaftskritik.
       Bestes Beispiel ist einer ihrer neuesten Songs „Eigenmarke Uterus“, den die
       33-Jährige, die eigentlich Lisa Hollik heißt, ihren „Beitrag zur
       Emanzipation“ nennt. Zum einen greift sie in dem Track die aktuell
       dominantesten feministischen Debattenthemen auf:
       christlich-fundamentalistische Abtreibungsgegner, Heidi Klum und #MeToo.
       
       Mit dem Refrain will sie anregen, sich mit dem von der Gesellschaft
       eingetrichterten Frauenbild als Mutter auseinanderzusetzen: „Langsam stell
       ich mir die Frage, warum ich überhaupt Musik mach' und noch keine Kinder
       habe.“ Die Künstlerin sagt dazu, es sei „hochironisch, aber gleichzeitig
       wahr“. Damit will sie sich auch selbst befreien von dem Gedankenmuster,
       dass sie nur mit Kind(ern) eine „richtige“ Frau sein könne.
       
       Dabei wollte Lisaholic, als sie mit Beatboxing und Rappen anfing, eben
       nicht in „diese Emanzenschiene“ und schrieb deshalb Zeilen wie „Seh ich aus
       wie vom Personal der HipHop-Gender-Beauftragten? Nein!“ und „ich emanzipier
       mich jetzt vom Bild der Feministin.“ Mittlerweile sei sie selbst zur Emanze
       geworden und findet es auch gut, als Feministin bezeichnet zu werden.
       Gerade im HipHop sind Frauen stark unterrepräsentiert und sollten innerhalb
       der Szene mehr gefördert werden, findet sie. Inspiriert wurde sie dabei
       [1][von der Rapperin Sookee], und [2][das Duo SXTN] sieht sie zusätzlich
       auch als musikalischen Einfluss.
       
       ## Von der akademischen Welt gefrustet
       
       Eine Zeile aus „Eigenmarke Uterus“ rezipiert, was ihr oft gesagt wurde, als
       sie mit dem Beatboxing angefangen hat: „Mach einfach weiter, was du gut
       kannst, spiel Gitarre, sing die Hookline.“ Das tat sie schon als Teenager
       in Eching, einer Schlafstadt im Münchner Umland, wo sie aufgewachsen ist:
       Sie spielte Gitarre und sang. Eigentlich dachte sie nie daran,
       professionell Musik zu machen. Neun Jahre ist sie in München Rikscha
       gefahren. Ihrer Ausbildung nach ist Lisaholic Dolmetscherin, aber weil sie
       ihre Bachelor-Arbeit wenige Stunden zu spät abgegeben hat und diese
       daraufhin erneut schreiben musste, war sie von der akademischen Welt so
       gefrustet, dass sie nicht in dem Beruf arbeiten wollte.
       
       Stattdessen trieb es Lisaholic ins kanadische Montreal, wo sie
       Gesangsunterricht nahm. Zurück in München machte sie mit einem Freund,
       Spoargé, Musik – er spielt Cajon, sie Gitarre und singt. „Das kickte
       nicht. Ich hab gemerkt: Ich will rappen, ich will Beats.“ Rap-Inspirationen
       waren für sie zum Beispiel die Münchner Fatoni und Edgar Wasser,
       Beatboxing-Inspiration in erster Linie der britische Künstler Beardyman.
       Lisaholic hat sich dann online den Beatbox-Lehrer Madox gesucht, der ihr
       erste Tricks beigebracht hat. Ein paar Monate später [3][stellte sie ein
       Video auf YouTube].
       
       Das ist jetzt knapp zweieinhalb Jahre her. Vor knapp über einem Jahr
       brachte sie über das kleine Plattenlabel Bumm Clack, das Freunde von ihr in
       München betreiben, die EP „Recycle dich selbst“ mit sieben Songs raus. In
       den nächsten Wochen und Monaten ist sie live in verschiedenen Städten
       Deutschlands zu sehen.
       
       14 Jun 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Rapperin-ueber-Gesellschaftskritik/!5390015
 (DIR) [2] /Berliner-Rap-Duo-SXTN/!5342093
 (DIR) [3] https://www.youtube.com/user/sacaeso/videos
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Juliane Fiegler
       
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