# taz.de -- Schwedische Fernsehsendung: „Faktencheck“ zum Holocaust
       
       > Neonazis behaupten gerne, der Holocaust sei erfunden. Ein schwedischer
       > Sender hat einen „Faktencheck“ dazu veröffentlicht. Viele kritisieren
       > das.
       
 (IMG) Bild: Ein Stacheldrahtzaun auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Neuengamme
       
       STOCKHOLM taz | Sind Tuchbeutel oder Papiertüten für die Umwelt wirklich
       besser als Plastikbeutel? Macht der Klimawandel, dass Eisbären hungern –
       und ist der Verkauf schwedischer Waffen in Krisengebiete tatsächlich
       gesetzlich verboten? Um den Wahrheitsgehalt der Behauptungen von
       PolitikerInnen und Parteien kümmert sich knapp zwei Monate vor der
       schwedischen Parlamentswahl die Redaktion von „Faktakollen“ – ein mit dem
       Tagesschau-„Faktenfinder“ vergleichbares Angebot von SVT, Schwedens
       Public-Service-Fernsehen.
       
       Dort tauchte jüngst ein Faktencheck zur Frage auf, ob es den Holocaust
       gegeben hat, sowie ein weiterer zur Frage, ob das Gift Zyklon B zum
       Massenmord von Menschen in den Konzentrationslagern verwendet wurde. Mit
       ausführlichen Belegen werden beide Fragen natürlich bejaht – dennoch war
       „Faktakollen“ umgehend Ziel scharfer Kritik. Dafür, dass man solche
       Selbstverständlichkeiten überhaupt einer Kontrolle unterzogen hatte.
       
       „Sind wir wirklich so tief gesunken, dass wir Historiker und
       Naturwissenschaftler fragen müssen, ob es technische Beweise für den
       Holocaust gibt?“, empörte sich ein Kommentator der
       „Mittmedia“-Zeitungsgruppe. Faktenchecks zu Politikerbehauptungen seien
       wichtig. Ein Faktencheck zum Holocaust sei aber „eine publizistische
       Havarie ohnegleichen“.
       
       Der öffentliche Rundfunk lasse sich von Neonazis die Tagesordnung
       bestimmen, kritisierte auch eine Dagens-Nyheter-Kommentatorin: Man
       legitimiere deren Infragestellung historischer Fakten, wenn man so tue, als
       ob die Verleugnung des Holocaust tatsächlich ein ernsthaftes Debattenthema
       sein könnte. Komme als Nächstes ein Faktencheck zur Frage, ob die Erde eine
       Scheibe oder Homosexualität eine Krankheit sei?
       
       ## Breitem Publikum ernsthaft begegnen
       
       Die „Faktakollen“-Redaktion von SVT wehrt sich. Zur Parlamentswahl am 9.
       September trete nun einmal die offen neonazistische „Nordische
       Widerstandsbewegung“ (NMR) an und die habe gerade mal wieder bestritten,
       dass der Holocaust stattgefunden hat. Die NMR behauptet, der Holocaust sei
       eine „Erfindung Israels“, und dass es keine Belege für die Anwendung von
       Zyklon B in den Konzentrationslagern gebe.
       
       Solche Lügen seien zwar so absurd, dass man sie einfach ignorieren könne,
       so die „Faktakollen“-Redaktion weiter. Man habe sich aber entschlossen, sie
       dennoch zum Gegenstand von Faktenchecks zu machen: „Unser Publikum trifft
       auch auf Menschen, die unsicher geworden sind, was denn nun stimmt, oder
       schlimmer, solche, die anfangen an derartige Propaganda zu glauben.“
       
       Zielgruppe der Faktenchecks seien nicht primär die Meinungs- und
       Kulturredaktionen, sondern ein breites Publikum. Man erreiche mit den
       Materialien und Belegen, die man zur Verfügung stelle, auch Menschen, „die
       versuchen, Jugendliche angesichts der Informationsflut seitens der
       rechtsextremen Szene auf der richtigen Seite dessen zu halten, was wahr und
       falsch ist“. Und denen wolle man mit leicht zugänglichen, verständlich
       formulierten und mit Fakten gespickten Texten helfen, den Verleugnern des
       Klimawandels ebenso ernsthaft zu begegnen wie Holocaustleugnern. „Wir
       müssen mit unwiderlegbaren Fakten argumentieren. Immer und immer wieder und
       für immer neue Generationen.“
       
       Nicht alle überzeugt dieses Argument. Im Sydsvenska Dagbladet steht dazu:
       Es werde vor allem hängen bleiben, dass „die Diskussionstür zu den
       ideologischen Sümpfen des äußersten rechten Rands geöffnet wurde“. Dass man
       über die Frage, ob es den Holocaust gegeben hat, offenbar ebenso kontrovers
       debattieren könne wie über die Frage, ob Plastik- oder Papiertüten
       schädlicher für die Umwelt sind.
       
       16 Jul 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reinhard Wolff
       
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