# taz.de -- Anleitung für eine bessere Streitkultur: Mit Linken reden
       
       > Solange Rechte morden und Menschen jagen, müssen sich Linke nicht den
       > kaputten Diskurs vorwerfen lassen. Ein Gesprächsleitfaden für Rechte.
       
 (IMG) Bild: Die ideologischen Gräben sind tief: Neonazis in Chemnitz im Kampf um die besten Ideen
       
       Immer wieder gibt es Anleitungen, die sich an Linke richten, um sie zu
       belehren, wie sie sich angesichts tiefer Menschenfeindlichkeit dennoch
       höflich und zuvorkommend Rechten gegenüber benehmen sollten. Nicht über
       jedes Stöckchen springen, ihre Sorgen ernst nehmen, sich nicht auf ihr
       Niveau begeben, immer schön konstruktiv argumentieren, die Gräben unserer
       Gesellschaft nicht vertiefen und Nazis und Rassisten bloß nicht „Nazis“ und
       „[1][Rassisten“ nennen] – das sind gängige Empfehlungen. Jeder Provokation
       müsse konstruktiv begegnet werden, jede abgeschlossene Diskussion –
       beispielsweise darum, ob der Holocaust stattgefunden habe – müsse nochmal
       von vorne durchargumentiert werden, sonst seien die Rechten die
       rhetorischen Gewinner.
       
       Vergleichbare Anleitungen gibt es für Rechte nicht. Warum eigentlich?
       [2][Autoren wie Per Leo, Maximilian Steinbeis, Daniel-Pascal Zorn], die
       behaupten zu wissen, dass und wie man „Mit Rechten reden“ könne, schreiben
       keine Bücher, die sich an Rechte wenden und diese in Massen bekehren,
       sondern wenden sich lieber an Linke und empfehlen, dass sie statt Empörung
       und Zurückweisung es mit Argumenten und Humor versuchen sollten.
       
       Es ist wie ein gesamtgesellschaftliches Stockholm-Syndrom: Bei denjenigen,
       die ihre Werte mit jenen teilen, die Menschen durch die Straßen hetzen,
       Flüchtlingsheime anzünden und seit 1990 fast 200 Menschen ermordet haben,
       ist man im demokratischen Spektrum dankbar, wenn sie nur verbale Gewalt
       anwenden. Und wenn sie dann doch ausrasten, fragt man, was ihre Opfer und
       Gegner falsch gemacht haben. Perfiderweise geben damit viele Menschen –
       sogar Linke – dem demokratischen Spektrum die Schuld am Rechtsruck, statt
       auf die tatsächlichen Akteure zu schauen.
       
       Eine deliberative Öffentlichkeit, in der Argumente mit dem Ziel höherer
       Erkenntnis ausgetauscht werden, ist keine rechte Utopie. Ihre Gewalt,
       Herabsetzung und Entmenschlichung von Linken, People of Colour, queeren
       Menschen und Frauen und ihre Feindseligkeit gegenüber Institutionen wie
       Staat und Medien, dienen dazu, diese aus dem Diskurs zu entfernen. Am Ende,
       wenn ein System in ihrem Sinne entsteht, [3][sollen alle ihnen zuhören und
       Medien das berichten, was sie vorschreiben].
       
       Entsprechend ist ihr Ziel in der sprachlichen Auseinandersetzung nicht die
       Suche nach dem besseren Argument, sondern die Polarisierung, Provokation
       und die Zerstörung der gesellschaftlichen Verständigung. Auf dieses Ziel
       muss man keine Rücksicht nehmen und seine Werte ihm auch nicht unterordnen.
       Jemanden, der das Spiel auf dem Schulhof nur sprengen will, muss man nicht
       mitspielen lassen.
       
       Und dennoch wollen wir nicht alle Rechten aufgeben. Hier kommt die
       Anleitung für Rechte, die mit Linken reden und die mit Argumenten
       überzeugen wollen:
       
       1. Ermordet keine Menschen. Seit 1990 haben [4][laut der
       Amadeu-Antonio-Stiftung rund 200 Menschen durch rechte Gewalt ihr Leben
       verloren]. Wenn ihr euer Gegenüber im wahrsten Sinne des Wortes mundtot
       macht, gibt es keinen Diskurs.
       
       2. Schlagt Leute nicht, [5][zündet ihre Wohnungen nicht an] und
       veranstaltet [6][keine Hetzjagden]. Eure Gegenüber [7][körperlich
       einzuschüchtern], führt ebenfalls dazu, dass sie sich nicht mehr äußern.
       Wenn Menschen nicht mehr sprechen, ist das auch das Ende eines jeden freien
       Meinungsaustausches.
       
       3. Verherrlicht keine Diktaturen. [8][Zeigt keine Hitlergrüße] oder sagt
       Dinge [9][wie „unter Hitler hätten wir dich vergast“]. Das untergräbt euer
       Bekenntnis zum demokratischen Austausch.
       
       4. Nutzt keine Morddrohungen und Beschimpfungen und vergleicht Menschen
       nicht mit Tieren. Geht nicht [10][mit einem Galgen auf Demos] und [11][ruft
       nicht „absaufen, absaufen“]. Sagt nicht, ihr wolltet [12][auf Flüchtende an
       den Grenzen schießen] und malt euch nicht offen aus, [13][wen ihr nach der
       Machtübernahme an die Wand stellen wollt]. Versucht es doch mal ohne
       Gewaltfantasien. Oder gar mit Humor.
       
       5. Müllt das Netz nicht mit Beleidigungen und Herabsetzungen voll. Wenn
       Betroffene von sexuellen Übergriffen unter #MeToo berichten oder Betroffene
       von Rassismus [14][unter #MeTwo] oder queere Menschen über ihre Leiden
       [15][unter #MeQueer], übernehmt nicht die Hashtags und schreibt da rein,
       warum [16][diese Menschen Schläge/Vergewaltigung/Mord verdient hätten]. Ihr
       müsst ja nicht über jedes Stöckchen springen oder jeden Artikel
       kommentieren.
       
       6. Informiert euch. Wenn ihr Zweifel daran habt, ob [17][der Klimawandel],
       [18][der Holocaust] oder gar [19][die Bundesrepublik Deutschland] echt
       sind, behauptet das nicht einfach, sondern recherchiert erst einmal. Seid
       dabei auch offen für die Argumente der Gegenseite und überlegt, ob ihr eure
       Position überdenken wollt.
       
       7. Sprecht eure Gegenüber richtig an. [20][„Antifant“],
       [21][„Linksfaschist“] oder [22][„Linksgrünversiffte“] sind keine
       respektvollen Begriffe und führen dazu, dass Linke abschalten und nicht
       mehr zuhören. Solche Provokationen machen die ideologischen Gräben unserer
       Gesellschaft nur tiefer. Vermeidet sie!
       
       8. Versucht präzise zu sein. Nur weil jemand dunkle Haare hat oder mit
       einem Akzent Deutsch spricht, [23][ist er oder sie nicht automatisch]
       Migrant/Ausländerin/Flüchtling/Jüdin/Muslim/Islamistin. Gleiches gilt, wenn
       er oder sie [24][einen dunkleren Hautteint hat als ihr]. Hinzu kommt:
       Deutsche, die ausländische Vorfahren haben, [25][sind immer noch Deutsche].
       Und für alle gelten die gleichen Menschenrechte. Im öffentlichen Wettkampf
       um die besten Ideen seid ihr überzeugender, wenn ihr nicht alles
       durcheinander werft.
       
       9. Schweigt keine Themen tot. Auch wenn es unbequem ist, thematisieren
       Linke manchmal wichtige Dinge, etwa die [26][Aufklärung der NSU-Morde] und
       andere Morde durch Neonazis, [27][Gleichberechtigung der Geschlechter] und
       die [28][freie Ausübung] [29][aller Religionen] in Deutschland. Versucht
       euch für die Sorgen anderer zu interessieren, sonst wirkt ihr inkonsequent
       und eure Themenwahl selektiv.
       
       10. Bekennt euch zur Meinungsfreiheit. Hört auf anzukündigen, wozu [30][ihr
       Medien nach dem rechten Systemwandel zwingen wollt]. Denn auch dann soll es
       doch vielfältig, gleichberechtigt und frei zugehen. Oder etwa nicht?
       
       2 Sep 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Gastkommentar-Debattenkultur/!5521390
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 (DIR) [4] https://www.mut-gegen-rechte-gewalt.de/news/chronik-der-gewalt/todesopfer-rechtsextremer-und-rassistischer-gewalt-seit-1990
 (DIR) [5] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/fluechtlinge-2219-angriffe-auf-asylbewerber-und-ihre-unterkuenfte-in-2017-a-1195738.html
 (DIR) [6] https://www.youtube.com/watch?v=AnlbzQ7kze0
 (DIR) [7] /Verurteilter-AfD-Abgeordneter/!5453969
 (DIR) [8] https://www.n-tv.de/politik/Hitlergruss-kostet-Bezirkstags-Kandidatur-article20403050.html
 (DIR) [9] http://www.belltower.news/artikel/der-%E2%80%9Cvogelschiss%E2%80%9D-ist-nur-die-spitze-des-eisberges-%E2%80%93-die-ausf%C3%A4lle-der-afd-13771
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 (DIR) [11] https://rp-online.de/politik/deutschland/pegida-teilnehmer-skandieren-absaufen-absaufen_aid-23954031
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 (DIR) [22] https://www.tagesspiegel.de/politik/politisches-framing-was-begriffe-wie-asyltourismus-in-unserem-gehirn-ausloesen/22803290.html
 (DIR) [23] /Maerz-2017-in-rechten-Medien/!5397178
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 (DIR) [25] https://www.bz-berlin.de/landespolitik/dieser-berliner-afd-abgeordnete-ist-ein-einziger-skandal
 (DIR) [26] https://www.bnr.de/artikel/aktuelle-meldungen/bizarre-meinungen-zum-nsu-prozess
 (DIR) [27] http://www.fr.de/politik/meinung/gastbeitraege/afd-ein-frauenbild-aus-dem-vorigen-jahrhundert-a-378477
 (DIR) [28] /Nach-Anschlag-auf-Dresdner-Moschee/!5532672
 (DIR) [29] https://www.welt.de/kultur/article155429051/Ein-Verbot-des-Schaechtens-waere-antisemitisch.html
 (DIR) [30] https://www.facebook.com/photo.php?fbid=1994610273915699&set=a.144698412240237&type=3&theater
       
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