# taz.de -- Kolumne Flimmern und Rauschen: Rechts – Links – Mitte – Hä?
       
       > In vielen Medien heißt es, in Chemnitz hätten sich „Rechte“ und „Linke“
       > gegenübergestanden. Das ist nicht nur falsch, sondern brandgefährlich
       
 (IMG) Bild: Ist, wer sich den Nazis gegenüberstellt, automatisch ein Linker?
       
       Für die Zeit war es „[1][Der Abend, an dem der Rechtsstaat aufgab]“ –
       Chemnitz am zweiten Abend nach der tödlichen Messerstecherei beim
       Stadtfest. Wieder hatten vor allem die Rechten mobilisiert, wieder war die
       Polizei offenbar in ihrer Einschätzung der Lage viel zu optimistisch – und
       lag damit gründlich schief.
       
       Wenn parallel dazu die Gewerkschaft der Polizei ganz offen vor
       „Selbstjustiz“ warnt und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer mit
       staatsmännischer Miene bei der Pressekonferenz verkündet, die Polizei
       „müsse jetzt klarmachen, dass der Staat das Gewaltmonopol hat“, könnte die
       Sorge um den Rechtsstaat durchaus berechtigt sein.
       
       Auch ganz praktisch ist es kein eines demokratischen, aufgeklärten
       Rechtsstaats würdiger Zustand, dass JournalistInnen und Medienteams nur
       noch mit Schutzkleidung, Helmen und/oder von privaten Sicherheitskräften
       begleitet ihre Arbeit machen können. Es wird aber mittlerweile schleichend
       zur Normalität.
       
       Denn selbst wo es nicht wie unlängst in Dresden noch zusätzlich wegen
       merkwürdiger Auffassungen über die Rolle der Polizei, unabhängige
       Berichterstattung zu unterstützen und zu ermöglichen, zu absurden Zuständen
       kommt – also selbst da, wo die Polizei klare Kannte zeigt und ihren Job
       macht, reicht es nicht mehr.
       
       ## Zwei Erkenntnisse
       
       Das ist die eine mehr als bedenkliche Erkenntnis der letzten Tage (die,
       wenn man ehrlich ist, eigentlich auch schon mindestens zwei Jahre auf dem
       Buckel hat, seit bei den großen Pegida-Demos massiv MedienvertreterInnen
       behindert und bedroht wurden).
       
       Die zweite Beobachtung ist ganz anders gelagert und betrifft wiederum viele
       MedienvertreterInnen selbst: In [2][vielen] [3][Berichten] über Chemnitz
       geht es plötzlich wieder um eine Auseinandersetzung von „Rechten“ und
       „Linken“. Und dies erinnert fatal an das, was – längst nicht nur im Osten
       Deutschlands – schon früher der gern bemühte Abwehrreflex einer saturierten
       Gesellschaft auf diesen lästigen Demonstrierpöbel war: Da sind die
       „Rechten“ und „Linken“, gern mit dem Zusatz „Chaoten“ versehen
       (interessanterweise in Chemnitz auch wieder mit Schwerpunkt [4][links]),
       mit denen die anständige Mitte nichts zu tun hat beziehungsweise haben
       will.
       
       Doch in Chemnitz war gerade auf der Seite der Rechten jede Menge dieser
       Mitte mit unterwegs. Und der Protest dagegen ist nicht (nur) Sache der
       Linken, sondern der gesamten Zivilgesellschaft – übrigens ausdrücklich
       inklusive der klassischen, auf die Erhaltung und Bewahrung des Rechtsstaats
       zielenden konservativen Kräfte.
       
       Wenn in der medialen Berichterstattung in solchen Zusammenhängen
       simplizistisch von „Rechten“ und „Linken“ die Rede ist, ist das keine
       Zuspitzung mehr, sondern schlicht falsch. Und in einem Land wie Sachsen, in
       dem – wie auch in Thüringen und Sachsen-Anhalt – nach einer aktuellen
       Umfrage von infratest dimap die AfD zweitstärkste politische Partei ist,
       ist so eine Darstellung brandgefährlich.
       
       28 Aug 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-08/chemnitz-rechte-demonstration-ausschreitungen-polizei
 (DIR) [2] https://www.zdf.de/nachrichten/heute-19-uhr/180827-h19-100.html
 (DIR) [3] http://www.spiegel.de/video/chemnitz-rechte-und-linke-demos-in-der-innenstadt-video-99020277.html
 (DIR) [4] https://twitter.com/marteimer/status/1034372859605536770
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Steffen Grimberg
       
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