# taz.de -- Neuer Vizepräsident des BfV: Von Tui zum Verfassungsschutz
       
       > Am Mittwoch wird Terrorismusexperte Sinan Selen zum neuen
       > Verfassungsschutz-Vize ernannt. Er ist der erste mit
       > Migrationshintergrund.
       
 (IMG) Bild: Ein mehrseitiger Lebenslauf: Selen war u.a. Sanitäter, Antiterrorermittler und bei Tui angestellt
       
       KÖLN taz | Drohende Tsunamis, Erdbebenrisiko, politische Unruhen. Sinan
       Selens Job ist es, Reisende genau davor zu warnen – als Chef der
       Konzernsicherheit des Reise-Unternehmens Tui. Demnächst wird Selen seinen
       Blick woanders hin richten: auf islamistische Terroristen, gewaltbereite
       Neonazis, militante Autonome.
       
       Am Mittwoch will das Bundeskabinett den 46-Jährigen zum Vizepräsidenten des
       Bundesverfassungsschutzes ernennen. Das ist nicht nur ein weiterer
       Karriereschritt für Selen. Es ist auch eine Premiere, denn erstmals rückt
       damit ein Kind türkischer Einwanderer an die Spitze eines deutschen
       Geheimdienstes vor. Dort hat erst Mitte November der neue Präsident
       [1][Thomas Haldenwang] den geschassten [2][Hans-Georg Maaßen] ersetzt.
       
       Geboren wurde Selen in Istanbul, noch als Kleinkind zog er mit seinen
       Eltern – zwei Journalisten – nach Köln. Dort engagiert er sich früh als
       Sanitäter und studiert Jura. Schon da befasst sich Selen mit Rechtsfragen
       von Sicherheitspolitik. Und landet wenig später direkt beim
       Bundeskriminalamt als Antiterrorermittler.
       
       Selen, gerade mal Ende zwanzig, verfolgt nach den 9/11-Anschlägen in den
       USA die Spur der Terrorflieger nach Deutschland. Später organisiert er den
       Personenschutz von Kanzler Gerhard Schröder. Und 2006 ermittelt er die zwei
       Islamisten, die in Köln zwei, letztlich nicht gezündete Kofferbomben in
       Züge stellten – nach der Auswertung Hunderter Stunden Videokameramaterials.
       
       ## Eine „erfreuliche Entscheidung“
       
       Im gleichen Jahr erfolgt Selens Wechsel ins Bundesinnenministerium, wo er
       sich ebenfalls mit Terrorismusbekämpfung befasst, auch mit dem Verbot des
       salafistischen Vereins Millatu Ibrahim. 2016, auf der Höhe der
       Flüchtlingsdebatte, schickt ihn die Bundesregierung als „Sherpa“ in die
       Türkei, um gemeinsame Antiterrormaßnahmen auszuhandeln. Forderungen
       Erdoğans, türkische Oppositionelle auszuliefern, weist Selen zurück. Kurz
       danach landet er bei Tui. Und nun beim Verfassungsschutz. Ein
       Staatssekretär von Innenminister Horst Seehofer fädelte die Personalie ein.
       
       Die Opposition empfängt Selen freundlich. Von einer „erfreulichen
       Entscheidung“ sprechen die Grünen. Ganz rechts schlägt ihm dagegen breiter
       Hass entgegen. Selen sei „ein trojanisches Pferd“ Erdoğans, seine Ernennung
       ein weiterer Schritt zur „Umvolkung“, ätzt die rechte Onlineblase.
       Geschmäht wird Selen auch als Muslim – der er gar nicht ist. Vielmehr soll
       er sich dem Christentum nahe fühlen. Aber auch weit links hat man Bedenken:
       Dort, dass Selen – als Ex-Verbindungsmann zur Türkei – hart gegen kurdische
       Aktivisten vorgehen könnte. Selen selbst hingegen sieht sich als
       Bediensteter der Bundesrepublik – und Rheinländer. Die türkische
       Staatsbürgerschaft soll er schon vor Jahren abgelegt haben.
       
       Selens Blick kann dem Verfassungsschutz nicht schaden. [3][Dessen Rolle bei
       der NSU-Terrorserie] ist bis heute nicht geklärt. Zudem steht im Amt eine
       Richtungsentscheidung an: Wird der Verfassungsschutz die AfD beobachten?
       Selen kann dazu nun auch aus eigener, jüngster Erfahrung etwas beitragen.
       
       11 Dec 2018
       
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