# taz.de -- Solidarität der Kulturbetriebe: Viele sind nicht alle
       
       > Bremer Kunst- und Kulturinstitutionen verbünden sich: Angesichts eines
       > übergriffigen Rechtsnationalismus sei Solidarität geboten
       
 (IMG) Bild: Ein Plakatmotiv von Die Vielen: Solidarität und Individualität sind kein Gegensatz
       
       BREMEN taz | Die Liste ist bereits überholt: Noch am Morgen der
       Präsentation der „Bremer Erklärung der Vielen“ im Schauspielhaus-Foyer hat
       sich das Bremer Kriminaltheater (BKT) als Unterstützer registrieren lassen.
       Wie vorher schon Kunst- und Kultureinrichtungen Hamburgs und
       Mecklenburg-Vorpommerns haben sich jetzt in Bremen Museen, Bühnen und
       Ensembles [1][hinter einem Manifest versammelt,] das die „tolerante
       Vielstimmigkeit“ des Landes gegen das Erstarken rechter, nationalistischer
       und fremdenfeindlicher Gruppen verteidigen soll. Ihren [2][Ursprung] hat
       die Bewegung in Berlin.
       
       Der rechte Populismus stehe „der Kunst der Vielen feindselig gegenüber“,
       heißt es im Text. Veranstaltungen würden gestört, es werde versucht, in
       Spielpläne einzugreifen. Ziel: eine Renationalisierung der Kunst. Dagegen
       zu kämpfen, verpflichten sich die Unterzeichnenden. Dienstag sind es 73
       plus das BKT. Macht 74.
       
       „Der erste Impuls für die Erklärung war die Solidarität“, sagt
       Theaterintendant Michael Börgerding. Und es sei, das könnte man der
       Initiative entgegen halten, „vielleicht ein bisschen billige Solidarität“.
       Denn anders als in Berlin, anders als in Dresden, Leipzig,
       Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg scheint es jenseits geifernder
       Online-Kommentare und aggressiver Lesendenpost, keine rechten Angriffe auf
       Bremische Kultureinrichtungen zu geben.
       
       Pirkko Husemann von der Schwankhalle sieht das ähnlich: „Auch wir haben
       trotz unseres sehr expliziten Programms nicht mit so unmittelbaren
       Konfrontationen von rechts zu tun gehabt, von denen mir Kolleg*innen aus
       anderen Städten berichten.“ Aber eine Insel der Seligen ist Bremen denn
       auch nicht: Die Hetz- und Verleumdungskampagne gegen die
       Leerstandsbespielung des Kulturvereins Zuckerwerk am Lankenauer Höft im
       Sommer 2017 sei durchaus als Übergriff zu werten. Und „wenn einer betroffen
       ist, ist das nicht die Sache des einen alleine“, sagt Husemann.
       
       Die Liste bleibt offen. Es ist Einrichtungen, Interessensvertretungen und
       Gruppen möglich, sich via dievielen@theaterbremen.de aufnehmen zu lassen.
       Und einige dürften noch dazukommen, schon allein weil die Koordinator*innen
       bei manchen – darunter leider [3][so thematisch einschlägige Institutionen]
       wie das Deutsche Auswandererhaus Bremerhaven – schlicht vergessen haben
       nachzufragen: „Wir wussten davon nichts“, teilt dessen Direktorin Simone
       Eick auf Nachfrage mit. „Wir würden uns da sehr gerne beteiligen.“
       
       Dem Übersee-Museum, wegen seiner Pionierprojekte im Bereich der
       Provenienzforschung seiner Afrika-Sammlungen momentan ein Hotspot der
       [4][bundesweiten kulturpolitischen Debatte] zum Umgang mit den
       Hinterlassenschaften des Kolonialismus, hatte man „nur einen ersten Entwurf
       für eine Erklärung zugeschickt“. Danach: Funkstille. „Schade“, sagt die
       Museumssprecherin Cerstin Wille der taz. Die Grundintention der Erklärung
       begrüße man ja, „aber wir müssen die finale Fassung erst einmal angucken
       und prüfen“.
       
       Auch bei den Kunstsammlungen Böttcherstraße ist man überrascht, dass es
       eine Pressekonferenz gegeben hat zum Thema, so deren Direktor Frank Schmidt
       auf Nachfrage. Der betreut ein Haus mit klarem Fokus auf Kunst von Frauen,
       eine Sammlung, deren Erwerb [5][verwickelt war in die Vorgänge von Hitlers
       Sonderauftrag Kunst], und Gebäude, die ab spätestens 1934 in den
       Verachtungs-Diskurs der Nazis einbezogen wurden. Es gibt also gute Gründe,
       in der Böttcherstraße besonders sensibel auf den gesellschaftlichen
       Backlash zu reagieren. „Entscheidend ist für mich, inhaltlich dagegen zu
       halten“, so Schmidt. „Ich denke das tun wir, wenn wir, wie aktuell, an
       [6][die Fotografin Éva Besnyő] erinnern oder wenn wir ab März Ruprecht von
       Kaufmanns Geflüchteten-Porträts zeigen“ – eine Ausstellung, die direkt
       [7][aus dem New Yorker UN-Gebäude] nach Bremen kommt.
       
       Die bisherigen Unterzeichnenden der Liste kommen aus unterschiedlichsten
       kulturellen Bereichen: Vom Atelierhaus Roter Hahn bis zur
       Zwischenzeitzentrale, vom soziokulturellen Stadtteilzentrum bis zu den
       großen Tankern des bürgerlichen Kunst- und Konzertbetriebs, Kunsthalle und
       Philharmoniker: Sorge, mit der Aktion Besucher*innen mit Rechtsdrift
       abzuschrecken, habe er keine, stellt Philharmoniker-Intendant Christian
       Kötter-Lixfeld klar: „Ich bin da sehr optimistisch“, sagt er. Dass man mit
       dem Bekenntnis Diskussionen auslöse, sei indes möglich. „Aber die führen
       wir gerne.“
       
       30 Jan 2019
       
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 (DIR) [1] https://blog.kunsthalle-bremen.de/post/182393897822/bremer-erkl%C3%A4rung-der-vielen
 (DIR) [2] https://www.dievielen.de/
 (DIR) [3] https://dah-bremerhaven.de/forschung/
 (DIR) [4] https://www.kulturrat.de/pressemitteilung/kolonialismus-debatte-mehr-einmischung-von-aussen-ist-dringend-notwendig/
 (DIR) [5] /!705048/
 (DIR) [6] /!5563984
 (DIR) [7] https://www.rvonkaufmann.com/exhibitions/current/insidetheoutside-un/
       
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