# taz.de -- Biofach-Messe in Nürnberg: Der Biomarkt wächst, aber …
       
       > Die Deutschen geben immer mehr Geld für Ökoessen aus. Die Branche
       > diskutiert über Bio beim Discounter und die wahren Kosten von
       > Lebensmitteln.
       
 (IMG) Bild: Heiß begehrt: Kunden kaufen Bio-Produkte im Fachhandel, aber auch bei Discountern
       
       NÜRNBERG taz | Die Verbraucher haben im vergangenen Jahr für Bioessen und
       -getränke 10,91 Milliarden Euro ausgegeben – das sind 5,5 Prozent mehr als
       noch ein Jahr zuvor. Das lässt sich nachlesen in „Zahlen, Daten, Fakten –
       Die BioBranche 2019“. Die Analyse hat der Spitzenverband der
       Ökoproduzenten, der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), auf der
       Biofach in Nürnberg vorgestellt – der weltgrößten Biomesse.
       
       2017 hatte die Branche erstmals die 10-Milliarden-Euro-Marke geknackt.
       Peter Röhrig, BÖLW-Geschäftsführer, sagt: „Immer mehr Menschen wollen
       heimische Bauern ebenso stärken wie Klimaschutz, Biene und Feldhase,
       artgerechte Tierhaltung und die Gesundheit ihrer Familien und der Umwelt.“
       Nur: Was heißt das für die gute alte Öko-Idee?
       
       Die Frage beschäftigt die Branche aufs Neue, weil jetzt der [1][Discounter
       Lidl Produkte von Bioland in seine Regale stellt]. Eingefleischte
       Bioproduzenten und -konsumenten haderten bislang mit den Billigheimern: Sie
       fürchteten die Aldi- und Lidlisierung von Bio. Immerhin gilt der Preiskampf
       der Discounter als ruinös, die Bezahlung der Mitarbeiter als mies. Obst und
       Gemüse sind immer mal wieder mit Spritzmitteln belastet. Das alles hat mit
       der ursprünglichen Öko-Idee – fair, sozial und hochwertig zu sein – nichts
       zu tun.
       
       Jan Bock, Einkaufschef von Lidl Deutschland, ist extra nach Nürnberg
       gekommen. Er hat in den letzten Wochen schon oft die Kooperation
       verteidigt. Auch in Nürnberg sagt er: „Wir wollen Bio in die Mitte der
       Gesellschaft bringen.“ Tatsächlich täuschen die Wachstumsraten der Branche.
       Noch immer ist Bio eine Nische.
       
       ## Ökolandwirtschaft gegen das Höfesterben
       
       Derweil brauchen Landwirte aber neue Einkommenschancen. Allein im Jahr 2017
       machten 3.100 Höfe von knapp 267.000 dicht. Bio scheint da für den ein oder
       anderen immerhin eine Alternative zu sein: Im Geschäftsjahr 2017/2018 lag
       das Unternehmensergebnis der Ökobetriebe im Schnitt bei knapp 65.000 Euro,
       das sind rund 17.500 Euro mehr, als ein konventioneller Hof verdient.
       
       So stellten deutsche Bauern im vergangenen Jahr eine Fläche in der Größe
       von 150.000 Fußballfeldern auf Ökolandbau um – das sind insgesamt fast 1,5
       Millionen Hektar. Nur: Die Ökoäcker machen bislang trotzdem nur knapp 9
       Prozent aus. Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD vereinbart, den
       Ökolandbau bis 2030 auf 20 Prozent auszuweiten. Da ist noch gut zu ackern.
       
       Unterdessen steigt die Nachfrage, vor allem vonseiten jener, die ihr
       konventionelles Sortiment mit Öko ergänzen wollen – das sind Discounter wie
       Aldi und Lidl oder Lebensmittelketten wie Edeka und Rewe. Sie verkauften
       2018 Biokartoffeln, -kekse und -kaffee für 6,43 Milliarden Euro und machten
       damit knapp 59 Prozent des Bio-Umsatzes. Das ist ein Plus von 8,6 Prozent
       allein im vergangenen Jahr.
       
       Da stellt sich die Frage, ob dem Biofachhandel, den Bioketten und vor allem
       den Naturkostfachläden die Kunden weglaufen. So mancher befürchtet das.
       Doch legte im vergangenen Jahr auch deren Umsatz zu, wenn auch nur um 0,8
       Prozent. Sie profilieren sich zum Beispiel als Fachhändler, locken die
       Kunden auch mal mit einer kleinen Sitzecke, in der man sich eine Suppe, ein
       Stück Torte oder auch nur einen Kaffee gönnen kann.
       
       ## Menschen mit hohem Einkommen kaufen Bio
       
       Bleibt ein weiteres Ergebnis: Der Anteil der Ökolebensmittel am gesamten
       Lebensmittelmarkt beträgt gerade mal 5 Prozent. Erst diese Woche hat das
       Bundesagrarministerium das Ökobarometer 2018 herausgegeben. Das Ressort von
       Julia Klöckner (CDU) ließ dafür 1.000 Menschen nach ihren
       Einkaufsgewohnheiten befragen. Demnach entscheidet am Ende wohl auch der
       Preis. Denn Menschen mit hohem Einkommen greifen – auch das zeigte das
       Barometer – eher zu Bioprodukten. Darum debattierte die Biobranche am
       Mittwoch auch über „wahre Preise.“
       
       Wer weiß schon, was die Produktion eines Steaks wirklich kostet, wer denkt
       beim Einkauf schon an die Auswirkungen auf das Trinkwasser oder die
       Erderhitzung? Der Ökonom Tobias Gaugler von der Universität Augsburg hat
       die „versteckten Kosten“ in der Studie „Was kosten Lebensmittel wirklich?“
       unter anderem im Auftrag der Schweisfurth Stiftung errechnet. Sein
       Ergebnis: Eigentlich müssten die Verbraucher zum Beispiel für Milch von
       konventionell gehaltenen Kühen bis zu 30 Prozent mehr zahlen.
       
       Denn bisher, erklärt der Wissenschaftler, sei zum Beispiel nicht
       eingepreist, dass die konventionelle Landwirtschaft das Grundwasser
       besonders stark mit Nitrat belaste. Der Aufwand, es dann zu Trinkwasser
       aufzubereiten, wird damit größer. Dafür komme derzeit die Allgemeinheit
       auf, genauso wie für Umweltschäden, die durch Treibhausgasemissionen oder
       zu hohen Energieverbrauch verursacht wurden. Dabei hat er noch nichts
       darüber gesagt, wie die Chemie in der Landwirtschaft Insekten und Vögel
       gefährdet. Gaugler hat das mangels genauer Daten nicht einbezogen.
       
       13 Feb 2019
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hanna Gersmann
       
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