# taz.de -- Kommentar Syrien-Geberkonferenz: Nicht länger das Regime finanzieren
       
       > Wer für Syriens Wiederaufbau zahlt, stärkt jene Strukturen, die vor acht
       > Jahren zum Aufstand führten. Die Hilfe muss den Opfern gelten.
       
 (IMG) Bild: Gruppenfoto in Brüssel: Zum Abschluss posieren die Beteiligten der Geberkonferenz
       
       „Geld ohne Bedingungen“ wünscht sich Damaskus. Kein Wunder, Assad ist an
       bedingungslose Hilfe gewöhnt. Nicht aus Russland und dem Iran, sondern aus
       dem Westen. Dieser finanziert seit Jahren etwa 70 Prozent der [1][UN-Hilfe
       für Syrien]. Und mit diesen Milliarden setzen die Vereinten Nationen vor
       Ort meist die Pläne Assads um. Essen, Unterkünfte und Medikamente gibt es
       nur in Absprache mit dem Regime. Längst haben die UN-Unterorganisationen
       Aufgaben des Staates übernommen. So hat das Regime Ressourcen frei, um
       Idlib zurückzuerobern und Assad-Statuen zu errichten.
       
       Aus Angst, des Landes verwiesen zu werden, gehen UN-Vertreter seit Jahren
       den Weg des geringsten Widerstands – und der führt über regimenahe
       Organisationen. Der Westen zahlt, die UN liefern, und Assad bestimmt, wo
       und wem geholfen wird. Von den Hilfen profitieren deshalb nicht die
       Bedürftigsten, sondern jene, die dem Regime am treuesten ergeben sind.
       
       Jetzt also bitte noch 300 Milliarden Euro für den Wiederaufbau des
       zerstörten Landes: Schuttberge, 40 Prozent der Schulen zerstört, ein
       desolates Gesundheitssystem, Stromausfälle, Wasserknappheit und zerbombte
       Straßen. Können wir nicht endlich an die Menschen denken und das Gerede vom
       „politischen Übergang“ abstellen?
       
       Sollten wir, unbedingt. Allerdings nicht so, wie Damaskus es sich wünscht.
       Zunächst geht es um die Frage, wer Syrien zerstört hat. Im Osten hat die
       US-geführte internationale Anti-IS-Koalition (darunter deutsche
       Aufklärungstornados) großen Schaden angerichtet. [2][Die Stadt Rakka] liegt
       nach rücksichtslosen US-Luftangriffen in Trümmern, und weder Amerikaner
       noch Europäer kümmern sich genug um ihren Wiederaufbau.
       
       ## Korruption, Unterdrückung, Willkür, Vetternwirtschaft
       
       Überall sonst waren es die Flugzeuge des Regimes und Russlands, [3][die die
       Infrastruktur zerstörten]. Mit Fassbomben über Wohngebieten und gezielten
       Raketenangriffen auf medizinische Einrichtungen, Schulen und Marktplätze
       verhinderte das Regime das Entstehen einer alternativen Ordnung in den
       Oppositionsgebieten. Ziel war es nicht, extremistische Aufständische zu
       bekämpfen (deren Hauptquartiere verschont blieben), sondern die Bevölkerung
       kollektiv dafür zu bestrafen, dass sie Assads Herrschaft infrage stellte.
       
       Den Opfern dieser Kriegsführung sollten wir helfen. Denen, die alles
       verloren und keine Chance haben zurückzukehren, solange Andersdenkende in
       Geheimdienstzentralen verschwinden. Wer Assads Wiederaufbau finanziert,
       verhindert die Rückkehr von Geflüchteten und stärkt jene Strukturen, die
       vor acht Jahren zum Aufstand geführt hatten: Korruption, Unterdrückung,
       Willkür, Vetternwirtschaft.
       
       Der Druck auf die UN-Arbeit in Syrien muss steigen. Statt die zugesagten
       1,44 Milliarden Euro bedingungslos zu überweisen, sollte Berlin dafür
       sorgen, dass die UN in Syrien unabhängige Bedarfspläne umsetzen und nicht
       die Wünsche des Regimes erfüllen.
       
       15 Mar 2019
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kristin Helberg
       
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