# taz.de -- Grüne über Einwanderungsgesetz: „Verbesserungen wären für die Katz“
       
       > Filiz Polat kritisiert nicht nur die Verzögerung des
       > Fachkräfteeinwanderungsgesetzes. Die Union wolle den Kompromiss zudem
       > komplett aushebeln.
       
 (IMG) Bild: Polat kritisiert, dass die Gesetze zu mehr Abschiebungen führen werden
       
       Frau Polat, eigentlich sollte der Bundestag noch im März über [1][das
       geplante Fachkräfteeinwanderungsgesetz] debattieren. Jetzt sieht es danach
       nicht mehr aus – warum? 
       
       Filiz Polat: Die Union setzt ihrem Koalitionspartner SPD die Pistole auf
       die Brust. Sie schieben ein weiteres Gesetz in die Pipeline, um den ohnehin
       unzureichenden Kompromiss in Sachen Spurwechsel komplett auszuhebeln.
       Dieses Gesetz will die Union an das Fachkräfteeinwanderungsgesetz koppeln –
       und die SPD hat sich dieses Geschäft aufdrücken lassen.
       
       Sie meinen das [2][Geordnete-Rückkehr-Gesetz], an dem das
       Bundesinnenministerium derzeit arbeitet? 
       
       Wir nennen es das „Menschen-ohne-Rechte-Gesetz“. Es wird beispielsweise ein
       neuer Status geschaffen, eine „Duldung Light“. Die Folge ist die Aushöhlung
       des Rechtsschutzes für Menschen, die ausreisepflichtig sind, aber aus
       verschiedenen Gründen nicht abgeschoben werden können, und die Ausweitung
       von Arbeitsverboten für diese Personen. So wird verhindert, dass ein
       Anspruch auf Beschäftigungsduldung überhaupt entstehen kann.
       
       Das eine Gesetz konterkariert also das andere? 
       
       Ja, und es ist auch ein Schlag ins Gesicht für die Zivilgesellschaft und
       die Wirtschaft, die, wie von der Politik gefordert, Geflüchteten
       Perspektiven, Jobs und Ausbildungen gegeben und sie in die Betriebe
       integriert haben. Wenn die Gesetze so kommen, werden noch mehr
       Abschiebungen von der Werk- oder Schulbank die Konsequenz sein.
       
       Wie lange wird sich das Gesetzgebungsverfahren durch diese Kopplung
       voraussichtlich hinziehen? 
       
       Das „Menschen-ohne-Rechte-Gesetz“ soll voraussichtlich am 17. April Thema
       im Kabinett sein. Für das Fachkräfteeinwanderungsgesetz würde das eine
       Verzögerung um mindestens zwei Monate bedeuten. Ich bin mir nicht mal
       sicher, ob das Paket überhaupt vor der Sommerpause eingebracht werden kann;
       das Bundesjustizministerium hat Bedenken angemeldet, ebenso die
       Bundesbeauftragte für Migration, Annette Widmann-Mauz von der CDU. Das ist
       ärgerlich, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass die SPD im vergangenen
       Jahr schon den unsäglichen Grenzkontrollen zugestimmt hat, wenn noch im
       Jahr 2018 ein Einwanderungsgesetz kommt.
       
       Wer ist die treibende Kraft hinter der Verzögerung? 
       
       An der Spitze stehen die CSU und das Bundesinnenministerium, aber auch die
       Innenpolitiker der Union gehen vorneweg – und sie finden leider eine breite
       Unterstützung in der Fraktion. Das wurde bei dem Werkstattgespräch unter
       Federführung der neuen CDU-Bundesvorsitzenden offensichtlich.
       
       Die Unternehmen hingegen drängen auf eine rasche Vereinfachung der
       Arbeitsmigration. 
       
       Ja. Da gibt es ein breites Bündnis aus Unternehmen, Kommunen,
       Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Organisationen, mit den
       Wohlfahrtsverbänden und den Kirchen an der Spitze. [3][Auch eine aktuelle
       Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zeigt:] Die Mehrheit in Deutschland
       wünscht sich eine Perspektive für die Geflüchteten, die schon hier sind.
       Die Union und Innenminister Horst Seehofer sehen das nicht, stattdessen
       rennen sie einer Minderheit hinterher und vergiften das Klima in
       Deutschland.
       
       Die über den Fachkräftemangel klagenden Unternehmer sind doch eine
       relevante Wählerklientel der Union, oder? 
       
       Die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitiker sowohl bei Union als auch bei
       SPD haben offenbar nicht verstanden, dass diese Gesetze sich direkt
       gegenseitig beeinflussen. Sie hoffen zwar, dass man den vorliegenden
       Entwurf zur Fachkräfteeinwanderung im parlamentarischen Verfahren
       verbessern könnte. Wenn dieser aber an das „Menschen-ohne-Rechte-Gesetz“ in
       seiner jetzigen Form gekoppelt wird, wären jegliche Verbesserungen für die
       Katz.
       
       Was für ein Gesetz müsste es denn aus Ihrer Sicht geben? 
       
       Wir Grünen fordern ein offenes und unbürokratisches Einwanderungssystem und
       parallel die Schaffung legaler Fluchtwege. Dann lösen wir die Probleme, die
       wir ja zu Recht beklagen: den Fachkräftemangel, die die Krise des
       Flüchtlingsschutzes. Und wir entziehen Schlepperbanden die Grundlage.
       
       21 Mar 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Kritik-am-Fachkraefteeinwanderungsgesetz/!5557901
 (DIR) [2] /Seehofer-will-Abschiebung-erleichtern/!5570372
 (DIR) [3] /Studie-zu-Flucht-und-Migration/!5581224
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dinah Riese
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Fachkräfte
 (DIR) Einwanderung
 (DIR) Einwanderungsgesetz
 (DIR) Filiz Polat
 (DIR) Grüne
 (DIR) Abschiebung
 (DIR) Fachkräftezuwanderungsgesetz
 (DIR) Flüchtlingsrat
 (DIR) Asylsuchende
 (DIR) Migration
 (DIR) Horst Seehofer
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Entwurf zur Fachkräfteeinwanderung: „Zaghaft“ und „uninspiriert“
       
       Union und SPD sind zufrieden mit dem Gesetzentwurf zur
       Fachkräfteeinwanderung. Die Opposition sieht noch zu viele Einschränkungen.
       
 (DIR) Bamf-Chef kritisiert Flüchtlingsräte: Attacke gegen die Zivilgesellschaft
       
       Der Präsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, Hans-Eckhard
       Sommer, kritisiert die Flüchtlingsräte. Die lassen das nicht auf sich
       sitzen.
       
 (DIR) Seehofer will Abschiebung erleichtern: Verschärfung mit schönem Namen
       
       Horst Seehofers neues Gesetz rückt näher. Wer Abschiebungen behindert,
       indem er Betroffene warnt, macht sich demnach strafbar.
       
 (DIR) Fachkräfte aus dem Ausland gebraucht: Bitte mehr Zuwanderung
       
       Eine Studie zeigt, dass Deutschland jährlich 260.000 Arbeitskräfte braucht.
       Dafür sei Einwanderung auch aus Nicht-EU-Ländern nötig.
       
 (DIR) Kommentar Abschiebepolitik: Seehofer bleibt sich treu
       
       Der Innenminister setzt auf Abschreckung: Wer auf geplante Abschiebeflüge
       hinweist, soll künftig mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden können.