# taz.de -- Emil Nolde war ein Antisemit: Ein modernistischer Nazi
       
       > Ein Nationalsozialist, dessen Kunst als „entartet“ galt: Eine Ausstellung
       > in Berlin belegt die Wandlungen in der Deutung des Malers Emil Nolde.
       
 (IMG) Bild: Emil Noldes „Kriegsschiff und brennender Dampfer“ entstand vor/um 1943, Ausschnitt
       
       Wie kann es sein, dass ein so faszinierender Expressionist wie Emil Nolde
       ein bekennender Nationalsozialist war, der nach 1945 pauschal als
       Verfolgungsopfer „der Nazis“ anerkannt wurde? Diese Frage ist nicht neu,
       wird aber nun mit neuen Belegen aufgeworfen. Sie reicht tief in die
       Differenz zwischen Künstlermythen und der Realität der Künstlergeschichte
       vor dem Hintergrund der mangelnden Verarbeitung des Nationalsozialismus in
       Deutschland.
       
       Bereits in der unmittelbaren Nachkriegszeit hatten politisch verfolgte
       Demokraten wie der Maler Karl Hofer oder der Kunsttheoretiker Adolf Behne
       auf die Nazi-Weltanschauung Noldes hingewiesen, der im
       Entnazifizierungsverfahren 1948 als „entlastet“ eingestuft wurde.
       Schließlich avancierte er posthum zum Staatskünstler der Bundesrepublik,
       wurde von Bundeskanzler Schmidt verehrt. Seine Bilder hingen im
       Kabinettssaal und bis vor Kurzem in den Amtsräumen von Bundeskanzlerin
       Merkel.
       
       Gezeigt wird dies in einer präzisen Aufarbeitung in der Ausstellung im
       Hamburger Bahnhof Berlin als Geschichte einer „deutschen Legende“, wie es
       im Titel heißt: „Emil Nolde – Eine deutsche Legende. Der Künstler im
       Nationalsozialismus“. Möglich ist dies seit dem Generationenwechsel, der
       nach dem Tod der zweiten Frau Noldes im Jahr 2010 erfolgte.
       
       Der neue Direktor der Nolde Stiftung in Seebüll und einer der Kuratoren der
       Ausstellung, Christian Ring, öffnete den teilweise ungeordneten Nachlass
       von Ada und Emil Nolde für die Forschung. Aus Briefen und Dokumenten, die
       bei seinem Vorgänger bewusst nur ausgewählt zugänglich waren, ist nun
       überzeugend belegt, wie die Entwicklung des Malers während des Dritten
       Reiches und danach verlief.
       
       ## Spindoktor in eigener Sache
       
       Nolde vermochte es als Spindoktor in eigener Sache, das bis heute
       einflussreiche Bild von sich selbst mitzuprägen. Von niemand wird dessen
       großartige künstlerische Befähigung infrage gestellt, aber die verbreitete
       Sehnsucht des Publikums, dass ein Künstler auch als Person moralisch „gut“
       sein soll, wird von dieser Ausstellung enttäuscht.
       
       Die Ausstellung konzentriert sich auf ausgewählte Bilder zu Stationen im
       Weg des 1867 geborenen Malers: vor 1933, während des Nationalsozialismus
       und nach 1945. Zwei der Kuratoren, der Historiker Bernhard Fulda und die
       Kunsthistorikerin Aya Soika, haben sich in einem Forschungsprojekt
       eingehend mit dem Narrativ Noldes beschäftigt.
       
       ## Für einen nationalsozialistischen Modernismus
       
       Der Aufstieg zu einem führenden Modernisten in der expressiven Phase um
       1910 erfolgte mit biblischen Themen, die bis 1933 einen Teil seines Werkes
       ausmachen, ferner mit Bildern des Meeres und dem Spiel der übermächtigen
       großen Wogen sowie der norddeutschen „Heimat“. Sein „Sonnenblumenbild I“
       von 1928 wurde im Juli 1933 in der Ausstellung des Nationalsozialistischen
       Deutschen Studentenbundes in der Galerie Ferdinand Moeller gezeigt.
       
       Diese jungen Nationalsozialisten kämpften für einen nationalsozialistischen
       Modernismus als künftiger Kunst des „Dritten Reiches“ mit Nolde als
       väterlicher Kultfigur. Sie verehrten ihn wegen der „Ursprünglichkeit“
       seines Ausdrucksvermögens, zumal er aus „dem Bauerntum“ stammte.
       
       ## Für ein Deutschland ohne Juden
       
       Goebbels notierte am 2. Juli 1933 während des noch offenen
       Richtungsstreits: „Ist Nolde ein Bolschewist oder ein Maler.“ Als politisch
       stärker erwies sich in diesen Wochen die akademisch orientierte
       kulturkonservative Mehrheit unter den Nationalsozialisten. Nachdem Hitler
       öffentlich gegen die Modernisten auftrat, wurde Nolde sukzessive aus dem
       staatlichen Kunstbetrieb ausgegrenzt, blieb jedoch bis 1945 im privaten
       Kunsthandel so präsent, dass er während des Nationalsozialismus über ein
       außerordentlich hohes Einkommen verfügte.
       
       1933 muss Nolde einen „Entjudungsplan“ für Deutschland entworfen haben, wie
       sich aus Briefstellen folgern lässt. Er distanzierte sich vom Christentum,
       weil dieses jüdischen Ursprungs sei, und fand im Nationalsozialismus seinen
       Glauben. Er malte bis in die fünfziger Jahre keine christlichen Themen
       mehr. Als zahlreiche seiner Werke 1937 in der Ausstellung „Entartete Kunst“
       in München gezeigt wurden, erhielt dies die Wirkungsmacht einer offiziellen
       Ausgrenzung. Nach seiner Intervention mit Verweis auf seine
       Parteimitgliedschaft bei Goebbels wurden seine Bilder bei den weiteren
       Stationen der Ausstellung nicht mehr gezeigt.
       
       ## Die Stärke des „arischen“ Blutes
       
       Nolde malte nun Heldengestalten der Wikinger und mythische Kultszenen mit
       „heiligem Feuer“. 1940 sprach der Präsident der Reichskammer der bildenden
       Künste, Adolf Ziegler, ein Berufsverbot gegen ihn aus. In dieser Phase
       malte der Mitsiebziger kleine, ausdrucksstarke Aquarelle. In der
       Ausstellung kann man in Briefen Noldes an seine Frau Ada aus dieser Zeit
       nachlesen, in welch starkem Maß er in nationalsozialistischen Wertmustern
       der Stärke des „arischen“ Blutes dachte.
       
       In der Nachkriegszeit wurden diese Aquarelle von Werner Haftmann in dessen
       Buch über „Die ungemalten Bilder“ (1958) unter dem damals üblicher
       werdenden, aber irreführenden Begriff „Malverbot“ umgedeutet. Nachdem Nolde
       im Roman „Deutschstunde“ von Siegfried Lenz mit einem fiktiven,
       unzutreffenden Szenario als von der Gestapo überwacht dargestellt wurde,
       setzte sich das Narrativ eines Verfolgten „der Nazis“ durch. Die Empathie
       für den „verfolgten“ Künstler hatte falsche Bezüge: Es handelte sich in
       Wahrheit um einen Richtungsstreit unter Nationalsozialisten über die
       NS-Kunst.
       
       14 Apr 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Wolfgang Ruppert
       
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