# taz.de -- Mietendeckel in Berlin: Hoffnung für Mieter – und Koalition
       
       > Die Koalition in der Hauptstadt ringt sich zum Mietendeckel durch.
       > Vielleicht der entscheidende Grund für eine Fortführung von Rot-Rot-Grün.
       
 (IMG) Bild: Möglicherweise macht Mieten in Berlin bald wieder richtig Spaß
       
       Als Rot-Rot-Grün vor knapp drei Jahren in Berlin die Regierung übernahm,
       wurde in linken Kreisen (und dieser Zeitung) lebhaft darüber diskutiert,
       was von der Koalition zu erwarten sei. Nicht wenige hatten große
       Hoffnungen, sprachen von einem gesellschaftlichen Aufbruch, gar von einem
       „Projekt“, sprich einer Politik, die sich weitgehend ungehindert von
       Sachzwängen den vielen Problemen der BerlinerInnen endlich annimmt und
       damit auch Vorbildcharakter für den merkelbetäubten Bundestag entwickeln
       könnte. Raed Saleh, der SPD-Fraktionschef, erklärte, Rot-Rot-Grün sei „zum
       Erfolg verdammt“.
       
       Doch tatsächlich lag eher ein Fluch über dem Bündnis. Nach einem Jahr war
       die Ernüchterung bei vielen KoalitionärInnen groß, und die Gentrifizierung,
       also die Verdrängung von Menschen wegen dramatisch steigender Mieten an den
       Stadtrand und darüber hinaus, schürte weiter Existenzängste. Ängste, auf
       die auch Rot-Rot-Grün keine Antwort fand. Stattdessen verkeilte man sich im
       Streit um die Zahl der nötigen Neubauwohnungen – die aber letztlich wegen
       der hohen Baukosten für viele MieterInnen unerschwinglich bleiben.
       
       Der Mietendeckel, der am [1][Dienstag vom Senat nach zähem Ringen
       beschlossen] wurde, könnte das Blatt nun wenden. Vielleicht wird er
       letztlich der entscheidende Grund sein, warum SPD, Grüne oder Linke im
       Herbst 2021 wiedergewählt werden. Der Gesetzentwurf sieht vor, die Mieten
       fünf Jahre lang einzufrieren, und zwar rückwirkend zum 18. Juni 2019. Zudem
       sollen sogenannte Wuchermieten – laut Senat etwa 20 Prozent aller 1,5
       Millionen betroffenen Mietverträge – zum Teil deutlich gesenkt werden
       können. Von einer „Atempause“ für MieterInnen sprach der Regierende
       Bürgermeister Michael Müller (SPD), ein Ausdruck, den auch schon die
       Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) und sogar Mietaktivisten gewählt
       hatten. Viele deutsche Städte schauen mit Interesse auf diesen Vorstoß; die
       Immobilienlobby und die FDP schäumen; BesitzerInnen von vermieteten
       Eigentumswohnungen müssen sich die soziale Frage stellen – alles gute
       Zeichen also.
       
       Gesetzt den (wahrscheinlichen) Fall, dass das Abgeordnetenhaus 2020 das
       Gesetz wirklich beschließt und den (nicht unwahrscheinlichen) Fall, dass
       Gerichte es als verfassungskonform bestätigen, stellt sich die Frage,
       welcher der drei Koalitionspartner von dem durchaus revolutionär zu
       nennenden Vorstoß profitiert. Sicherlich die Linke, deren Senatorin und
       Fraktionschefs den Entwurf maßgeblich durchgesetzt haben und die damit ihre
       Klientel zielgenau bedient. Bei der SPD ist das schon fraglicher: Der
       Deckel war ursprünglich sogar ihre Idee gewesen; am Ende präsentierte sie
       sich in den zwölfstündigen (!) Schlussverhandlungen aber als Zauderer und
       Bremser ohne Konzept.
       
       Tatsächlich belegt die Entstehung des Mietendeckels erneut, wie
       unberechenbar die Berliner SPD geworden ist – was sie auf ihrem Parteitag
       an diesem Samstag sicher gerne noch mal unter Beweis stellt – und dass ihr
       nicht nur im Bund ein paar Jahre Opposition guttun würden. Allerdings wirft
       das die Frage nach der Zukunft einer linken Regierung in Berlin auf: Ohne
       SPD ist eine Mehrheit allein für Linke und Grüne derzeit nicht absehbar.
       Die drei sind also weiterhin zur Zusammenarbeit verdammt – über 2021
       hinaus. Denn der Mietendeckel gilt nur bis 2024. Und eine Anschlusslösung
       wird auch dann noch bitter nötig sein.
       
       26 Oct 2019
       
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