# taz.de -- Anschuldigungen gegen Roman Polanski: 40 Jahre Schweigen
       
       > In Frankreich flammt die #MeToo-Debatte wieder auf. Die Fotografin
       > Valentine Monnier beschuldigt den Regisseur Polanski der Vergewaltigung.
       
 (IMG) Bild: Stand seit den 1970er Jahren mehrfach in Verdacht, Menschen sexuelle Gewalt anzutun: Roman Polanski
       
       PARIS taz | Nach mehr als 40 Jahren beschuldigt die Fotografin und
       [1][Ex-Schauspielerin Valentine Monnier] den weltbekannten Filmregisseur
       Roman Polanski, sie 1975 bei einem Skiurlaub im schweizerischen Gstaad
       brutal vergewaltigt zu haben, als sie 18 Jahre alt war. In der
       französischen Zeitung [2][„Le Parisien“] schildert die 62-Jährige die
       Gewalttat, die nach einer abendlichen Schussfahrt in Polanskis Chalet
       stattgefunden habe. „Er schlug mich und misshandelte mich, bis ich aufgab,
       dann vergewaltigte er mich.“
       
       Monnier betont, sie habe weder eine persönliche noch eine berufliche
       Beziehung zu Polanski gehabt, sie sei lediglich mit einer Freundin in
       Gstaad zum Skifahren eingeladen gewesen. Damals sei sie zu schockiert
       gewesen, Klage gegen den damals 42-jährigen Filmemacher zu erheben. Heute
       ist der Vorfall strafrechtlich längst verjährt, doch das ist für sie kein
       Grund, noch länger zu schweigen. „Die vergangene Zeit macht nichts
       vergessen, die Vergewaltigung ist wie eine Zeitbombe mit Verzögerung.“
       
       Als Grund, weshalb sie gerade jetzt mit ihren gravierenden Anschuldigungen
       an die Öffentlichkeit geht, nennt die Schauspielerin Polanskis neuesten
       Film, der gerade in die Kinos kommt. Er heißt [3][„J'accuse“ („Ich klage
       an“)] wie der Titel von Emile Zolas berühmten Plädoyer in der
       Dreyfus-Affäre gegen den Antisemitismus im Frankreich des ausgehenden 19.
       Jahrhunderts.
       
       Besonders empört Monnier, dass sich Polanski aus Anlass der Filmpremiere
       mit dem zu Unrecht wegen Hochverrats angeklagten jüdischen Hauptmann Alfred
       Dreyfus identifiziert und sich als Opfer einer Hexenjagd fühlt: „In einem
       Interview vergleicht er sich mit der Verfolgung von Dreyfus. Er wird seit
       1977 von der amerikanischen Justiz wegen der Vergewaltigung einer
       13-Jährigen belangt.“ Das hat Monnier dazu bewogen, sich an die Medien zu
       wenden: „Ist es aushaltbar, dass jemand unter dem Vorwand eines Films,
       unter dem Deckmantel der Geschichte J'accuse sagt? Jemand der dich
       gebranntmarkt hat, der dir, dem Opfer, verboten hat, selbst anzuklagen?“
       
       ## Nachbarn stützen Monniers Aussage
       
       „Le Parisien“ ist es aufgrund von Valentine Monniers Angaben gelungen,
       mehrere Zeugen zu finden, die sich noch sehr gut erinnern, wie verstört und
       sichtlich traumatisiert sie war, als sie in benachbarten Chalets Zuflucht
       suchte. Ein Nachbar, den die Pariser Redaktion Charles nennt, hatte sie bei
       sich aufgenommen: „Als sie zu mir kam, hatte sie, glaube ich, einen blauen
       Fleck auf der Wange. Sie hat mir gesagt, sie sei von Polanski brutal
       vergewaltigt worden. Ich habe sie gefragt, ob sie zur Polizei gehen wolle,
       da sie unter dem Schock nicht wusste, was sie tun sollte. Sie war so jung
       und positiv eingestellt, und sie wollte dieses schreckliche Erlebnis hinter
       sich lassen.“
       
       Der Filmproduzent John Bentley, ein anderer Nachbar in Gstaad, bestätigt
       der Redaktion von „Le Parisien“, Valentine habe bei ihm Schutz gesucht:
       „Sie wollte möglichst von Polanski weg, sie war verstört. Roman hatte ein
       psychologisches Problem mit Frauen. Viele schwirrten um ihn herum in er
       Hoffnung auf eine Filmrolle … Valentine war sehr schön, aber sie gehört
       nicht zu dieser Sorte.“
       
       In den Jahren danach habe sie einer Freundin, ihrem Ehemann und ihrem
       Bruder erzählt, was passiert war. Polanskis Drehbuchautor Gérard Brach und
       sein Regieassistent Hercules Bellville sind beide verstorben und können
       kein Zeugnis ablegen. Sie verbrachten den Skiurlaub, während dem die
       Gewalttat stattgefunden haben soll, zusammen mit Polanski in dessen Chalet.
       
       Über seinen französischen Anwalt Hervé Temine streitet Polanski die
       Anschuldigungen empört ab.
       
       Jedes Mal, wenn Roman Polanski einen neuen Film herausbringt, wurde bisher
       über den Skandal von 1977 diskutiert. Nach Vorwürfen, [4][er habe einer mit
       Drogen betäubten 13-Jährigen sexualisierte Gewalt zugefügt], hatte sich
       Polanski in den USA vor Gericht für kleinere Delikte schuldig bekannt und
       sich mit der Familie des Opfers außergerichtlich geeinigt. Um sich einem
       Prozess zu entziehen, flüchtete Polanski nach Frankreich, wo bisher alle
       Auslieferungsbegehren abgelehnt wurden.
       
       Vor Valentine Monnier hatten vier andere Frauen öffentlich Polanski
       beschuldigt, ihnen als Jugendliche sexualisierte Gewalt zugefügt zu haben.
       Polanski, der diese Vorwürfe stets geleugnet hat, wurde deswegen nie
       verurteilt.
       
       Die neue „Polanski-Affäre“, wie „Le Parisien es nennt, ist jedoch nicht nur
       im Kontext mit Polanskis neuem Film zu betrachten. Wenige Tage vor Monniers
       Anschuldigungen wandte sich auch die in Frankreich sehr bekannte
       Schauspielerin Adèle Haenel an die Öffentlichkeit und beschuldigte den
       Regisseur Christophe Ruggia, sie bei den Dreharbeiten für „Les Diables“
       zwischen 2001 und 2004 als damals 12- bis 15-Jährige sexuell belästigt und
       ihr sexuelle Gewalt zugefügt zu haben. Dazu ist nun eine Strafuntersuchung
       eingeleitet worden. Haenel, die damit eine zweite Welle der #MeToo-Kampagne
       in Frankreich ins Rollen gebracht hat, hat sich mit Valentine Monnier
       solidarisch erklärt.
       
       9 Nov 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.imdb.com/name/nm0598367/
 (DIR) [2] http://www.leparisien.fr/faits-divers/une-francaise-accuse-le-realisateur-roman-polanski-de-viol-08-11-2019-8189568.php
 (DIR) [3] /Filmfestspiele-mit-Emile-Zola-und-Joker/!5619568
 (DIR) [4] /Polnische-Justiz-zu-Roman-Polanski/!5363813
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rudolf Balmer
       
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