# taz.de -- Özil kritisiert Uiguren-Unterdrückung: Ein kurioses Statement
       
       > Der Arsenal-Profi Mesut Özils macht wieder einmal Politik: Er springt den
       > Uiguren bei und verprellt China. Mutig oder wohlfeil?
       
 (IMG) Bild: Ausgerüstet mit Nike und Özil-Plakat: ein pro-uigurischer Demonstrant in der Türkei dankt dem Kicker
       
       Die Worte sind so voll Pathos, dass man fast annehmen muss, Mesut Özil habe
       zwischenzeitlich einen mittelklassigen Dichter-Workshop besucht. „Oh
       Ostturkestan // die blutende Wunde der Umma // wehrt sich gegen die
       Verfolger // die versuchen, sie von ihrer Religion zu trennen.“ Mit diesen
       Worten beginnt das (türkischsprachige) [1][Instagram-Statement] des
       Arsenal-Kickers, mit dem er sich gegen die [2][Verfolgung der Uiguren in
       China] ausspricht. Arsenal reagierte prompt und distanziert sich eilfertig.
       „Als Fußballklub hat sich Arsenal immer an den Grundsatz gehalten, sich
       nicht politisch zu engagieren.“ Bei den eher linken und Europa-bezogenen
       politischen Tweets des Özil-Kollegen Hector Bellerin aber gab es solchen
       Distanzierungsdrang nicht. Der Konflikt ist auf vielen Ebenen spannend.
       
       Zunächst: Mesut Özil und das Statement. „Wissen sie nicht, dass es
       abscheulich ist, vor Verfolgung die Augen zu verschließen?“, so kritisiert
       der Profi das weitgehende Schweigen der muslimischen Welt gegenüber dem
       „Leiden unserer gefolterten Brüder“. Für den Erdoğan-Freund, der auf seiner
       Hochzeit einen [3][Autokraten zum Trauzeugen machte], einen [4][völkischen
       Song spielen ließ] und mit der Verfolgung Andersdenkender oder ethnischer
       Minderheiten in der Türkei öffentlich nie ein Problem hatte, ein kurioses
       Statement. Özil geht es wenig um allgemeine Menschenrechte. Er beklagt vor
       allem, dass Korane verbrannt und Moscheen und religiöse Schulen geschlossen
       werden, und der nationalistische Begriff „Ostturkestan“ dürfte auch Erdoğan
       gefallen haben.
       
       Im Zuge der auch rassistisch geführten Debatte um das Erdoğan-Foto wurde
       der Ex-Nationalspieler gern als dummer Junge entschuldigt, mit dem Klischee
       des etwas naiven, aber im Grunde unpolitischen Fußballers. Dieses Bild hat
       sich überholt: Wer so schreibt oder schreiben lässt, ist ein religiöser
       Nationalist. Oder hat zumindest kein Problem damit, sich zu Markenzwecken
       als solcher zu inszenieren.
       
       Mindestens genauso interessant ist die demütige Reaktion von Arsenal, das
       ersichtlich um seine chinesischen Sponsoren, Restaurants und den lukrativen
       TV-Deal der Premier League bangt. Je enger die Verflechtungen auch des
       Fußballs in China werden, desto häufiger dürften Klubs sich in
       vorauseilendem Gehorsam vor den Wünschen der Einheitspartei in den Staub
       werfen. Kapitalistisch-hierarchischer Fußball und kapitalistisch-autoritäre
       Partei, da wächst zusammen, was zusammengehört. Vielsagend auch, dass kein
       einziger Verein auf China-Reise die Lage der Uiguren kritisierte, sondern
       es dazu der panislamischen Gefühle Mesut Özils bedurfte. Das aber macht
       sein Statement selbst nicht unwichtiger.
       
       ## Die Arsenal-Übertragung wurde gestrichen
       
       Und zuletzt: China. Zu Recht wird auf die wachsende Abhängigkeit des
       Fußballs von China hingewiesen. Es besteht aber auch eine umgekehrte
       Abhängigkeit. 56 Prozent aller chinesischen Fans sollen AnhängerInnen eines
       Premier-League-Klubs sein. Das hat die chinesische Regierung nicht von
       Zensur abgehalten: Die Arsenal-Übertragung am Sonntag wurde gestrichen,
       weil Özils „falsche Kommentare“ die chinesischen Fans „enttäuscht“ hätten.
       Der Fußball muss in Sachen Meinungsfreiheit dringend einen
       selbstbewussteren Umgang finden. Das allerdings ist unwahrscheinlich: Der
       Konflikt heißt nicht Demokratie gegen Diktatur, sondern Klub-Kapitalismus
       gegen kapitalistische Diktatur. Da hat die Diktatur einen entscheidenden
       Vorteil: Ihr können kurzfristige Verluste egal sein. Das wissen China und
       Erdoğan-Freund Özil. Dem Fußball bleibt nur das Geld.
       
       15 Dec 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.instagram.com/p/B6AnAdhiWLQ/
 (DIR) [2] /Verfolgte-Uiguren-in-China/!5644320
 (DIR) [3] /Erdogan-bei-Oezils-Hochzeit/!5601468
 (DIR) [4] /Debatte-Oezils-Hochzeit-und-rechte-Lieder/!5603592
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Alina Schwermer
       
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