# taz.de -- Ex-Fleischer über das Schlachten: „Der Beruf war für mich gestorben“
       
       > Wer Fleisch essen will, muss Tiere töten – das wusste Peter Hübner und
       > lernte Fleischer. Dann kam der Bruch und er wurde Veganer.
       
 (IMG) Bild: Hatte vom Schlachten genug: der Ex-Fleischer und heutige vegane Tierrechtler Peter Hübner
       
       taz: Herr Hübner, was gibt es bei Ihnen Weihnachten zu essen? 
       
       Peter Hübner: Wir machen Rotkohl mit Knödel und einen Seitanbraten in
       Rotweinsauce dazu, der vom Geschmack her einer Ente sehr ähnlich wird.
       
       Der Geschmack ist also wichtig … 
       
       Ja, ich bin nicht aus geschmacklichen Gründen Veganer geworden, sondern aus
       ethischen.
       
       Früher, als Sie Kind waren, gab es zu Weihnachten Kaninchenbraten. Und zwar
       von dem Tier, dass Sie ein ganzes Jahr gehegt und gepflegt haben. 
       
       Als ich drei war, wurde mein erstes Kaninchen geschlachtet. Ich habe
       geweint wie ein Schlosshund. Ein Jahr später habe ich schon beim Schlachten
       geholfen. Ich habe die Kaninchen geliebt, aber mir war klar, dass wir sie
       später essen würden.
       
       Töten als Teil der Erziehung? 
       
       Während meiner Kindheit wohnten wir am Stadtrand von Bremen und halfen bei
       einem Bauern in der Nachbarschaft aus. Zu den Tieren dort habe ich erst gar
       keine Beziehung aufgebaut, weil mir klar war, dass sie geschlachtet werden.
       Mich hat das empathisch nicht berührt, ich kannte es gar nicht anders.
       
       Wie denken Sie heute darüber? 
       
       Ich bin meinen Eltern und Großeltern gar nicht böse, dass sie mich so
       erzogen haben. Ganz im Gegenteil. Ich bin ihnen sogar dankbar, dass ich
       einen offenen Umgang mit dem Töten gelernt habe. Töten war für mich die
       Grundvoraussetzung, wenn ich Fleisch essen will.
       
       Deswegen die Entscheidung, Fleischer zu werden? 
       
       Eigentlich wollte ich Koch werden, aber das ging damals nicht, wegen des
       Jugendschutzgesetzes. Und da ich wusste, dass viele Köche aus dem
       Fleischerbereich kamen, habe ich mich ganz bewusst für diese Lehre
       entschieden: Fleischer im Bereich Feinkost und Konserven.
       
       Sie mussten während der Ausbildung auch im Schlachthof arbeiten. Warum hat
       das Ihre Einstellung zu Ihrem Beruf komplett verändert? 
       
       Dort kam ich zum ersten Mal mit Tieren aus der Massentierhaltung in
       Berührung. Vorher kannte ich ja nur kleine Höfe. Dem Fleisch aus dem
       Schlachthof hat man die Herkunft angesehen. Es waren zum Beispiel
       Eiweißeinschüsse zu sehen, die entstehen, wenn man Rinder oder Schweine mit
       einem Elektroschocker treibt. Nach all dem, was ich dort sah, meldete sich
       mein Gewissen, das System der industriellen Tierhaltung und Schlachtung
       wollte ich nicht unterstützen. Der Beruf des Fleischers war für mich
       gestorben. Ich habe meine Ausbildung zwar abgeschlossen, aber nie in dem
       Beruf gearbeitet. Ich habe Bürokaufmann gelernt, im Chauffeurdienst
       gearbeitet und bin jetzt seit 20 Jahren in einer Biofirma tätig.
       
       Aber Sie haben weiter Fleisch gegessen? 
       
       Ja sicher, ich habe Fleisch geliebt. Wenn befreundete Bauern geschlachtet
       haben, habe ich angeboten zu helfen und dafür erhielt ich einen Anteil
       Fleisch, von dem ich sicher war, dass die Tiere vernünftig gehalten worden
       waren.
       
       Nun sind Sie Veganer. Was war der Auslöser? 
       
       Das war in einem Urlaub in Schweden im April 2014. Ich hatte einen Hecht
       geangelt und konnte ihn nicht töten, obwohl ich vorher viel angeln gewesen
       war. Da habe ich gesagt: Ich werde vegan, ich töte kein Tier mehr. Von
       heute auf morgen.
       
       Und Sie wurden dann auch Tierschützer? 
       
       Nein, im Tierschutz war ich schon lange vorher tätig. Auch wenn das mit
       meiner Vergangenheit nicht so einfach war.
       
       Wieso? 
       
       Ich wurde teilweise vorverurteilt. Da hieß es sinngemäß: ‚Du als
       Fleischesser und mit Blut an den Händen hast hier nichts zu suchen.‘ Das
       fand ich schon fragwürdig, denn ich wollte mich ja für den Tierschutz
       einsetzen.
       
       Wie gehen Sie damit um? 
       
       In dem ich von mir berichte. Und das macht mich glaubhaft. Die Leute
       blocken ab, wenn ich sie verurteile: Du bist ein Mörder. Aber wenn ich
       sage: „Ich kann deine Seite vollständig verstehen, ich habe früher Fleisch
       gegessen und habe es geliebt“, dann kriege ich mein Gegenüber emotional.
       Ich bin total gegen den moralischen Zeigefinger.
       
       In dem Kampagnenvideo „Metzger gegen Tiermord“ kommt sehr oft der
       Zeigefinger zum Einsatz. Sie und Ihre Ex-Fleischer-Kollegen zeigen auf
       sich, dann auf den Zuschauer mit der Aussage: „Wenn ich es kann, kannst du
       es auch.“ 
       
       Von der Seite habe ich das noch gar nicht gesehen. Dieses Video war eine
       spontane Idee von uns. Wir überlegten, wie wir unsere Botschaft am besten
       rüberbringen. Und so kam die Idee mit dem Zeigefinger, in Anlehnung an
       Uncle Sam aus den USA. Wir dachten nicht, dass wir so eine Reichweite
       erzielen.
       
       Das Video zur Kampagne ging im Januar 2019 online, die Kampagne läuft noch
       immer, allerdings sind Sie nur noch zu dritt. Wie kommt das? 
       
       Wir wollten uns auf den deutschen Raum konzentrieren, deshalb machen die
       beiden Schweizer Kollegen ihre eigene Kampagne zur veganen Ernährung. Wir
       sind aber immer noch befreundet.
       
       Sie investieren beinahe Ihre gesamte Freizeit in den Tierschutz und gehen
       mit Ihren Aktionen auch an die Öffentlichkeit. Dem Zirkus Voyage sind Sie
       etwa wochenlang hinterher gereist und haben die Tierhaltung dokumentiert.
       Sie machen sich sicher nicht nur Freunde damit. 
       
       Man muss ein sehr dickes Fell haben. Ich habe auch schon Morddrohungen
       bekommen. Per Mail, per Post und auch direkt in den Briefkasten, neulich
       hat mir jemand einen Hühnerkopf auf den Hof geworfen. Es laufen einige
       Strafanzeigen wegen dieser Drohungen. Aber das zeigt mir, dass meine Arbeit
       richtig ist. Meine Frau unterstützt mich bei meiner Arbeit.
       
       Und ihre Familie? 
       
       Mein Vater hat mich ausgelacht, als ich sagte, dass ich jetzt vegan lebe.
       Doch dann hat er gemerkt, dass ich es ernst meine und hat sich ebenfalls
       mit dem Thema auseinandergesetzt. Er isst jetzt viel weniger Fleisch. Aber
       zu Weihnachten kommt bei ihm eine Gans auf den Tisch. Deshalb verbringe ich
       die Feiertage mit meiner Frau und meiner Mutter. Ich will keine
       Diskussionen, sondern friedliche Tage.
       
       25 Dec 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Juliane Preiß
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Tierschutz
 (DIR) Fleischproduktion
 (DIR) Fleischindustrie
 (DIR) Fleischkonsum
 (DIR) Tierrechte
 (DIR) Tierschutz
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Pflanzen essen
 (DIR) Schlachthof
 (DIR) Tierschutz-Label
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Klage für Tierrechte: Grundrechte für Affen
       
       Eine Initiative fordert Grundrechte auch für andere Primaten als den
       Menschen. Die Bevölkerung im Kanton Basel-Stadt darf bald darüber
       abstimmen.
       
 (DIR) Das Coronavirus in den USA: Virenherd Fleischfabrik
       
       Tausende arbeiten dicht gedrängt in US-amerikanischen Schlachthäusern, den
       Hotspots in der Coronapandemie. Viele bekommen keinen Schutz.
       
 (DIR) Gute Nachrichten für Pflanzenesser: Viva Las Vegan!
       
       Die Glücksspielstadt kriegt einen veganen Fleischer, Disneyland wird noch
       happier und mehr: Ein Überblick über Trends des veganen Lifestyles.
       
 (DIR) Antimuslimische Stimmung in Hannover: Die neue Liebe zum Schaf
       
       Die niedersächsische CDU-Fraktion will das rituelle Schlachten von Tieren
       verbieten lassen, wenn es ohne Betäubung erfolgt.
       
 (DIR) Ethisch vertretbarer Fleischkonsum: Schöner töten
       
       Tierwohllabel sollen verhindern, dass Nutztiere im Stall leiden. Einen
       qualvollen Tod im Schlachthof kennzeichnen sie aber nicht.