# taz.de -- TV-Debatte in Großbritannien: Dringend urlaubsreif
       
       > In ihrer letzten TV-Debatte vor den Wahlen reden Boris Johnson und Jeremy
       > Corbyn aneinander vorbei – und an den gestellten Fragen auch.
       
 (IMG) Bild: Die Show hätte man sich sparen können – Boris Johnson und Jeremy Corbyn beim TV-Duell vor den Wahlen
       
       LONDON taz | Höchste Zeit, dass [1][dieser Wahlkampf] zu Ende geht. Das ist
       die rationalste Reaktion auf die finale TV-Debatte zwischen Boris Johnson
       und Jeremy Corbyn vor Großbritanniens Parlamentswahlen am 12. Dezember, die
       am 6. Dezember von der BBC live ausgestrahlt wurde.
       
       Bei der ersten solchen Debatte am 18. November im konkurrierenden
       ITV-Fernsehen hatte der konservative Premierminister Boris Johnson bei
       jeder Gelegenheit seinen Wahlkampfslogan „Get Brexit Done“ wiederholt,
       während Labour-Oppositionsführer Jeremy Corbyn bei jeder Frage über die
       böse konservative Sparpolitik redete. Das Spontanvotum der Zuschauer damals
       hinterher per Umfrage: 51:49 zugunsten von Boris Johnson.
       
       Bei dieser Debatte hat der konservative Premierminister Boris Johnson bei
       jeder Gelegenheit seinen Wahlkampfslogan „Get Brexit Done“ wiederholt,
       während Labour-Oppositionsführer Jeremy Corbyn bei jeder Frage über die
       böse konservative Sparpolitik redete. Das Spontanvotum der Zuschauer jetzt
       hinterher per Umfrage: 52:48 zugunsten von Boris Johnson.
       
       Hätte man sich das alles also sparen können? Die vom Publikum gestellten
       Fragen waren spannender als die Antworten: was sagen Johnson und Corbyn
       dazu, dass die früheren Premierminister John Major und Tony Blair jetzt von
       der Wahl ihrer jeweiligen Partei abraten? Was funtioniert besser gegen
       Armut, Sozialismus oder Kapitalismus? Ist die öffentliche Sicherheit
       wichtiger als Menschenrechte? Wie nimmt man den Hass aus der Politik? Wie
       sollten Politiker bestraft werden, die im Wahlkampf lügen?
       
       ## Sachkompetenz sieht anders aus
       
       Zur Frage nach verlogenen Politikern fiel Johnson lediglich ein, dass
       solche Politiker im Parlament auf die Knie fallen sollten. Corbyn sagte,
       solche Politiker müsse man abwählen. Zur Frage von Sicherheit und
       Menschenrechten, gestellt vor dem Hintergrund des jüngsten Terrorangriffs
       in London, merkten Johnson und Corbyn nicht einmal, dass sie sich einig
       waren in der Forderung, automatische Haftentlassung von Terroristen nach
       der Hälfte der Haftstrafe zu beenden.
       
       Johnson, der diese Forderung am deutlichsten stellte, erwähnte aber auch
       nicht, dass die automatische Entlassung von der letzten Labour-Regierung
       eingeführt worden war. Corbyn verlor sich in Ausführungen über die
       Unterfinanzierung des Bewährungssystem durch die Regierung, obwohl es in
       diesem Fall eben nicht um Haftentlassung auf Bewährung gegangen war.
       Sachkompetenz sieht anders aus.
       
       Meistens redeten Johnson und Corbyn aneinaner vorbei, und am liebsten zogen
       sie übereinander her, oft mit hanebüchenen Unterstellungen. Johnson
       behauptete, Labours Wahlprogramm bedeute höhere Steuern für alle mit mehr
       als 20.000 Pfund (24.000 Euro) Jahreseinkommen. Corbyn behauptete, die
       Konservativen wollten den staatlichen Gesundheitsdienst NHS an die USA
       verkaufen. Beides sind Standardbehauptungen im Wahlkampf, beides haben sich
       die Parteien allerdings selbst aus der Luft gegriffen – als die aus ihrer
       Sicht logische Folge der Politik des Gegners.
       
       ## Mehr Fragen als Antworten
       
       Zur eigenen Politik reichte Johnson und Corbyn meist die altbekannte
       Ansammlung hundertfach wiederholter Slogans und Allgemeinplätze: „Den
       Brexit vollenden“, „Hoffnung und richtiger Wandel“. Viele Fragen wurden
       einfach nicht beantwortet. Wie werden Sie Ihre Wahlversprechen bezahlen,
       wollte ein Wähler aus dem Publikum wissen. Corbyn: Wir müssen die
       konservative Sparpolitik beenden. Johnson: Labour wird das Land in eine
       Wirtschaftskrise führen. Der Frager war am Ende so schlau wie vorher.
       
       Auch zum [2][Brexit] gab es mehr Fragen als Antworten. Corbyn warf Johnson
       vor, dass er noch kein Handelsabkommen mit der EU geschlossen hat, und
       suggerierte, er werde das anders machen – Johnson hätte einfach kontern
       können, dass die EU Handelsgespräche erst nach dem Brexit führen will, aber
       es fiel ihm nicht ein. Johnson warf Corbyn vor, nicht zu wissen, was er mit
       der EU aushandeln möchte – Corbyn hätte erläutern können, dass er den
       Verbleib in der Zollunion möchte, vermied aber eine solche unpopuläre
       Klarheit.
       
       Der Gesamteindruck: Boris Johnson und Jeremy Corbyn sind übermüdet, fahrig
       und dringend urlaubsreif. Corbyn war zwar rhetorisch geschliffener, während
       Johnson sich ständig in seinen Schlachtelsätzen verhaspelte, aber
       inhaltlich war Corbyn unkonkreter. „Wir können ein erneutes blockiertes
       Parlament wählen oder ein Parlament bekommen, das für Sie fnnktioniert“,
       appellierte Boris Johnson an die Wähler. „Politik kann etwas verändern“,
       appellierte Jeremy Corbyn. Aber eine andere, funktionierende Politik ist
       nicht in Sicht. Jedenfalls nicht in diesem Wahlkampf.
       
       7 Dec 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Wahlkampf-in-Grossbritannien/!5643165
 (DIR) [2] /!t5313864/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Wahlen Großbritannien
 (DIR) Großbritannien
 (DIR) Schwerpunkt Brexit
 (DIR) Boris Johnson
 (DIR) Jeremy Corbyn
 (DIR) EU
 (DIR) Wahlen Großbritannien
 (DIR) Lesestück Recherche und Reportage
 (DIR) Wahlen Großbritannien
 (DIR) Wahlen Großbritannien
 (DIR) Großbritannien
 (DIR) Wahlen Großbritannien
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Die EU und Großbritannien: Erleichtert und besorgt
       
       Nach dem deutlichen Wahlsieg des britischen Premiers Johnson stellt sich
       die EU endgültig auf den Brexit ein. Doch der Druck ist enorm.
       
 (DIR) Wahlkampf in Großbritannien: Unsichere Zeiten in Schottland
       
       Im Norden stellen sich den Wähler:innen viele Fragen: Brexit oder nicht?
       Unabhängigkeit oder nicht? Ein Besuch in der schottischen Grenzregion.
       
 (DIR) Vor Parlamentswahlen in Großbritannien: Nur die Queen hält sich
       
       Das Vertrauen in die Politik ist weg, Gewissheiten sind passé. Wenn
       Großbritannien am Donnerstag wählt, geht es um viel mehr als nur den
       Brexit.
       
 (DIR) Wahlkampf in Großbritannien: Labours Brennpunkt
       
       Die Labour-Partei versinkt in Antisemitismusvorwürfen. Im vergangenen
       Frühjahr trat Luciana Berger deswegen aus. Nun stellt sich sich selbst zur
       Wahl.
       
 (DIR) Wahlkampf in Großbritannien: Zwischen Brexit und Klimaschutz
       
       Im Wahlkreis Bristol West kämpfen Labour und Grüne um die Vormacht. Weder
       Konservative noch Brexit-Partei spielen eine Rolle.
       
 (DIR) Wahlkampf in Großbritannien: Trump als Störfaktor
       
       Beim Nato-Gipfel muss sich Boris Johnson mit Donald Trump zeigen. Dabei
       wirft ihm die Opposition ohnehin zu viel Nähe zum US-Präsidenten vor.
       
 (DIR) Wahlprogramm der Konservativen in UK: Johnson begräbt Tory-Sparpolitik
       
       Neben dem Brexit versprechen die Konservativen mehr Staatsausgaben ohne
       Steuererhöhungen. Damit grenzen sie sich von Labours Linkskurs ab.