# taz.de -- Netflix-Serie „The Witcher“: Ableismus in der Sagenwelt
       
       > Die Netflix-Fantasy-Serie ist unterhaltsam und spannend. Doch der Plot
       > über Magierin Yennefers Mutterinstinkte ist veraltet und diskriminierend.
       
 (IMG) Bild: Yennefer (Anya Chalotra) gibt ihre Fruchtbarkeit für ebenmäßigen Körper und Macht auf
       
       In einer magischen [1][Welt voller Monster und Fabelwesen] beschützen Hexer
       die Welt der Menschen – das ist der Hintergrund für die Fantasy-Saga um den
       Hexer Geralt von Riva. Die Netflix-Serie „The Witcher“ beruht auf den
       erfolgreichen Büchern und Kurzgeschichten des polnischen Schriftstellers
       Andrzej Sapkowski, [2][aus denen auch schon Computer-Rollenspiele
       hervorgingen]. Die slawische Mythen aufgreifende Story ist unterhaltsam und
       auch für nicht Super-Auskenner*innen der Saga verständlich, wenn man einmal
       verstanden hat, dass nicht linear erzählt wird.
       
       Immer wieder stellt die Serie die Frage, wer oder was überhaupt als Monster
       gelten soll, wirklich böse ist und somit den Tod verdient. Die
       Fantasy-Serie kann also als Metaerzählung über gesellschaftliche Zustände
       und als Nachdenken über legitime Entscheidungen verstanden werden.
       
       Dies umso mehr, als der Protagonist selber nicht als Mensch, sondern als
       „Mutant“ gilt – Hexer erwerben ihre magischen Kräfte und eine extrem hohe
       Lebenserwartung durch eine künstlich hervorgerufene Mutation in der
       Kindheit. Daher werden sie in dieser an ein frühes, osteuropäisches
       Mittelalter erinnernden Welt gefürchtet und angefeindet.
       
       Ähnlich geht es der wichtigsten weiblichen Nebenfigur, der Magierin
       Yennefer von Vengerberg, mit der Geralt eine On-off-Affäre führt. Sie
       stammt über ihren leiblichen Vater von Elfen ab und hat eine sichtbare
       körperliche Behinderung. Für beides wird sie beschimpft und misshandelt.
       
       ## Kinderwunsch als beherrschendes Motiv
       
       Im Umgang mit dieser Figur ist die Serie allerdings ärgerlich, weil sie die
       Möglichkeit einer positiv besetzten, nicht normschönen weiblichen Figur
       verschenkt. Stattdessen muss Yennefer so sehr unter ihrer Beeinträchtigung
       leiden, dass sie sich einem äußerst schmerzhaften Ritual unterzieht. Dabei
       gibt sie wissentlich und ohne Zögern ihre Fruchtbarkeit für einen
       ebenmäßigen Körper und Macht auf. Zwar ist dieser Tausch bereits in den
       Büchern angelegt, für die Serie wurde das Motiv aber drastisch aufgebläht.
       Merke: Behinderung, Schönheit und Macht gibt es nicht zusammen.
       
       In einem weiteren kaum erklärten Plot Twist wird plötzlich ein Kinderwunsch
       zu ihrem alles beherrschenden Motiv – ohne dass wir sie auch nur einmal
       interessiert mit einem Kind umgehen sehen. Es wird wohl die biologische Uhr
       sein – oder ist es das Drehbuch, das sie als Ersatzmutter für die
       Jugendliche Cirilla von Cintra vorsieht, deren Schicksal mit dem von Geralt
       verbunden ist?
       
       Auch diese Entwicklung rekurriert auf die Bücher, aber muss man Ende der
       2010er Jahre reaktionärer erzählen als im spät- und [3][postkommunistischen
       Polen der 80er und 90er Jahre]? Wieder einmal wird die alte Geschichte
       fehlender beziehungsweise fehlgeleiteter weiblicher Entscheidungsfähigkeit
       und unentrinnbarer Mutterinstinkte erzählt – leider nicht nur langweilig,
       sondern auch ableistisch und sexistisch. Damit vergibt die Serie eine große
       Chance, eben nicht ein hinterwäldlerisches Pseudo-Mittelalter mit Drachen
       vorzuführen, sondern Fantasy und Magie zur Erzählung von Figuren zu nutzen,
       die wachsen und überraschen.
       
       15 Jan 2020
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kirsten Achtelik
       
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