# taz.de -- Getötete RadfahrerInnen: Sicherheit ist leider relativ > Die AktivistInnen haben Recht: Es muss noch viel mehr passieren, damit > die Straßen sicherer werden. Jeden Unfall wird man aber nie verhindern > können. (IMG) Bild: „Geisterräder“ erinnern an getötete RadfahrerInnen (Symbolbild) Es ist noch nicht mal Mitte Februar, und schon sind fünf Menschen beim Radfahren gestorben – vier wurden von Autofahrern getötet, einer kam nach bisherigem Kenntnisstand allein zu Fall. Völlig klar: Das sind exakt fünf Tote zu viel und eine traurige Bilanz für eine Metropole, die nicht nur Fahrradstadt werden will, sondern sich qua Gesetz eine „Vision Zero“ verordnet hat, also die Aussicht auf eine Zukunft ohne tödliche Verkehrsunfälle. Von den vielen zum Teil schwer Verletzten reden wir dabei noch nicht einmal. Es ist völlig richtig von den vielen RadaktivistInnen dieser Stadt, Abhilfe im Sinne des Mobilitätsgesetzes zu fordern – durch den Bau geschützter Radwege oder die Umgestaltung gefährlicher Kreuzungen. Der Ruf nach weiteren Tempolimits und nach verpflichtendem Einbau von Abbiegeassistenten in Lkws ist ebenso berechtigt. Es passiert tatsächlich zu wenig, die Mobilitätswende kommt nicht schnell genug voran. Es ist nicht zielführend, die Berliner Politik für jeden tödlichen Unfall in Haft zu nehmen, wie manche das schon routinemäßig tun. Als Ende Januar eine Radfahrerin an der Holzhauser Straße in Tegel von einem rechtsabbiegenden Lkw getötet wurde, ging dem tatsächlich Verwaltungsversagen voraus: Obwohl an derselben Autobahnauffahrt schon zwei Radfahrende schwer verletzt worden waren und die Umprogrammierung der Ampel laut ADFC seit Jahren beauftragt ist, hat sich nichts getan. Für Radfahrende ist es an dieser gefährlichen Stelle fünf Sekunden lang Grün, absurderweise dürfen Autos trotzdem gleichzeitig losfahren. Beim Unfall auf der Kantstraße geht die Schuld offensichtlich vor allem aufs Konto des Autofahrers, der ohne Rücksicht auf Schwächere die Regeln verletzte. Der sofortige Verweis darauf, dass man hier längst einen geschützten Radweg hätte anlegen können, ist ein bisschen wohlfeil. Poller hin, Kanten her – wenn Autofahrer mit ihrer Karre protzen wollen oder aus sonstigen Gründen die Kontrolle verlieren, ist Sicherheit relativ. Das hat spätestens der SUV-Unfall mit vier Toten in der Invalidenstraße gezeigt. Die einzige Stadt, in der nie wieder AutofahrerInnen RadfahrerInnen töten werden, ist die Stadt, in der keine Autos mehr fahren (das heißt auch: keine Busse, kein Lieferverkehr, keine Krankenwagen). Diese Stadt wird es nicht geben. Und auch in der sicherstmöglichen Stadt und auf dem schnellsten Weg dorthin wird es immer wieder zu schrecklichen Unfällen kommen. Auf vieles – sei es das Strafmaß für UnfallfahrerInnen oder, leider, eine Abbiegeassistenz-Pflicht – hat der Senat keinen direkten Einfluss. Wer dieses Risiko nicht aushält, müsste konsequenterweise das Radfahren einstellen und es seinen Kindern verbieten. Bitte nicht falsch verstehen: All das, was gefordert wird – mehr Sicherheit, schärfere Regeln, höhere Strafen – ist absolut berechtigt. Realistisch bleiben schadet aber nicht. 9 Feb 2020 ## AUTOREN (DIR) Claudius Prößer ## TAGS (DIR) Mobilitätsgesetz (DIR) Radverkehr (DIR) Unfallopfer (DIR) Regine Günther (DIR) Unfall (DIR) Schwerpunkt Klimawandel (DIR) Radverkehr (DIR) Verkehrspolitik (DIR) Radverkehr (DIR) Verkehrspolitik (DIR) Radverkehr (DIR) Abbiegeassistent (DIR) Radverkehr ## ARTIKEL ZUM THEMA (DIR) Urteil nach SUV-Unfall in Berlin: Bewährungsstrafe für Fahrer Der Mann, der 2019 nach einem epileptischen Anfall vier Menschen überfahren hatte, muss nicht in Haft. Er war einen Monat nach einer Hirn-OP ins Auto gestiegen. (DIR) Lastenrad als Auto-Alternative: Es boomt und boomt Die Zahl der Lastenräder in Deutschland hat enorm zugenommen. Auch für Transporte sind sie eine Alternative zum Auto – und dabei emissionsfrei. (DIR) Ein Jahr nach dem tödlichen Unfall: Endlich Vernunft auf der Kantstraße … oder doch nicht? Berliner RadaktivistInnen loben die Pop-up-Radspur. 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