# taz.de -- Fahrradwege auf der Invalidenstraße: Gedenkstreifen am Unfallort
       
       > Ein Jahr nach dem Unfall mit vier Toten soll die Invalidenstraße in
       > Berlin-Mitte eine Fahrradspur bekommen. Initiativen rufen zum Gedenken.
       
 (IMG) Bild: Wo jetzt Autos parken, soll eine Radspur hin: die Invalidentraße an der Kreuzung mit dem Unfallort
       
       BERLIN taz | Auf einem Stein steht in krakeliger Schrift: „SUV verbieten
       (sind auch Klimakiller)“. Ansonsten ist der Holzkasten, der fast das ganze
       Jahr über mit Blumen, Teddybären und Trauerkarten gefüllt war, fast leer.
       Zwei vertrocknete Blumensträuße stehen noch darin. Auch die Grußworte,
       Bilder und politischen Appelle, die lange am Baunzaun dahinter hingen, sind
       verschwunden.
       
       Am Sonntag vor einem Jahr war hier an der Kreuzung Invaliden- und
       Ackerstraße in Berlin-Mitte ein Porsche-SUV [1][mit 104 Stundenkilometern
       in eine Gruppe von Fußgängern gerast.] Der Wagen drückte den Mast der
       Fußgängerampel zu Boden und schleuderte auf eine Brache dahinter. Vier
       PassantInnen waren tot. Zwei junge Männer aus Katalonien, eine Frau und ihr
       Enkel. Der Fall erregte bundesweit Aufsehen.
       
       Seither ist viel passiert. Auf der Brache wird gerade ein Neubau aus dem
       Boden gestampft. Und auf der Invalidenstraße gilt seit Oktober 2019 Tempo
       30. Die meisten Autofahrer halten sich daran, weil man hier eh kaum
       schneller fahren kann, wenn man sich angemessen zu der Verkehrssitutation
       verhält.
       
       Aber die große verkehrspolitische Wende ließ auf sich warten. Dabei hatten
       sich neben Verkehrssenatorin Regine Günther und Bezirksbürgermeister
       Stephan von Dassel (beide Grüne) sogar der Regierende Bürgermeister Michael
       Müller (SPD) in den Fall eingeschaltet. Der Bereich, hieß es damals, solle
       zum verkehrspolitischen Modellkiez ausgebaut werden.
       
       Jetzt endlich tut sich was. Wie Jan Thomsen, Sprecher der Verkehrssenatorin
       pünktlich zum Jahrestag des Unfalls mitteilte, wird die Invalidenstraße
       einen beidseitigen geschützten Radstreifen erhalten. Der soll 2,35 Meter
       breit sein und mit sogenannten Leitboys, kleinen auf der Straße stehenden
       Pinnen, von den Autos getrennt werden. Die müssen sich wie bisher schon
       eine Spur mit den dort verkehrenden Straßenbahnen teilen.
       
       Auf dem 600 Meter langen Abschnitt zwischen Brunnen- und Gartenstraße gab
       es bisher überhaupt keine Infrastruktur für RadfahrerInnen. Sie mussten
       sich ihren Weg zwischen Autos und Straßenbahngleisen suchen. Für den
       Radstreifen entfällt der Platz für parkende Autos an der Strecke, die
       derzeit noch die Situation vor Ort für alle sehr unübersichtlich machen.
       
       ## Umsetzung noch im Oktober
       
       „Die Ausschreibung für diesen Auftrag läuft, der Zuschlag wird Mitte
       September erwartet, die Markierungsarbeiten sollen im Oktober beginnen“,
       teilte Thomsen mit. All das sei Ergebnis mehrere Sitzungen einer
       Projektgruppe, an der neben Senat, Bezirk, BVG und Polizei auch Vertreter
       von verkehrspolitischen Initiativen wie Changing Cities und einer
       Anwohnerinitiative beteiligt waren.
       
       Die hatte Julian Kopmann kurz nach dem Unfall ins Leben gerufen. Der Vater
       von drei Kindern, der täglich auf dem Weg zu Kita und Schule an der
       Unfallstelle vorbeikommt, hatte bei [2][change.org eine Onlinepetition für
       sichere Schul- und Kitawege rund um die Invalidenstraße gefordert], die bis
       heute über 17.000 UnterstützerInnen fand.
       
       Kopmann war zeitweise schon an der Unbeweglichkeit der Verwaltung
       verzweifelt. [3][Noch im Mai fragte er,] „warum hier Entscheidungen von
       höchster Ebene so radikal ausgebremst werden“. Nun zeigt er sich wieder
       hoffnungsvoll. Nun seien tatsächlich „Verbesserungen auf den Weg gebracht
       worden“, [4][schreibt Kopmann den UnterzeichnerInnen seiner Petition]. „Und
       es bleibt auch Hoffnung für weitere nachhaltige Veränderungen.“
       
       Einige davon hat die Verkehrsverwaltung bereits in Aussicht gestellt. Es
       gebe Planungen für sogenannte Haltestellenkaps, schreibt der Sprecher der
       Verkehrssenatorin. Die werden einen barrierfreien Zugang zu den
       Straßenbahnen in diesem Bereich ermöglichen – und den Autoverkehr weiter
       bremsen. Zudem habe der Bezirk zugesichert, sich in seinen Gremien noch
       einmal um die Schulwegsicherheit zu kümmern.
       
       Ob der Unfall auch rechtliche Konsequenzen für den Fahrer des SUV hat, ist
       immer noch nicht entschieden. „Die Ermittlungen zur Unfallursache sind nach
       wie vor nicht abgeschlossen“, teilt Thomsen mit. Der Fahrer hatte sich
       darauf berufen, einen Krampf gehabt zu haben und daher die Kontrolle über
       den Porsche verloren zu haben. Viele Fragen [5][sind jedoch nach wie vor
       ungeklärt].
       
       ## Trauer am Sonntag
       
       Deswegen und um den Druck auf die verkehrspolitisch Verantwortlichen
       aufrecht zu halten, rufen der [6][Verein Changing Cities und weitere
       Initiativen für Sonntag um 12 Uhr zur Trauerkundgebung] am Unfallort. Die
       [7][Gemeinde der benachbarten Elisabethkirche] lädt am gleichen Abend für
       19 Uhr zum Gedenkgottesdienst.
       
       Wenige hundert Meter vom Unfallort findet man auf einem Friedhof ein Grab
       mit vielen bunten Blumen, Plastiktieren, kleine Marienkäferchen. Hinter
       einem schlichten Holzkreuz, das mit Ketten und Muscheln behängt ist,
       wachsen Sonnenblumen in die Höhe. Hier liegt der kleine Junge, der bei dem
       Unfall getötet wurde. Er wurde 3 Jahre alt. Auf einem kleinen Stein steht:
       „Wir vermissen dich“.
       
       4 Sep 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /SUV-Unfall-in-Berlin-Mitte/!5620953
 (DIR) [2] https://www.change.org/p/sichere-wege-f%C3%BCr-schul-und-kita-kinder-auf-der-invalidenstra%C3%9Fe-regineguenther-dasselvon-ba-mitte-berlin
 (DIR) [3] https://www.change.org/p/sichere-wege-f%C3%BCr-schul-und-kita-kinder-auf-der-invalidenstra%C3%9Fe-regineguenther-dasselvon-ba-mitte-berlin/u/26725008
 (DIR) [4] https://www.change.org/p/sichere-wege-f%C3%BCr-schul-und-kita-kinder-auf-der-invalidenstra%C3%9Fe-regineguenther-dasselvon-ba-mitte-berlin/u/27639803?cs_tk=AgCHUfOefFuJM2jrU18AAXicyyvNyQEABF8BvFxm5OKryQ124SLs6LMMQ-8%3D&utm_campaign=d350b46099d84828bc21798a8d8e38a5&utm_content=initial_v0_4_0&utm_medium=email&utm_source=petition_update&utm_term=cs
 (DIR) [5] /Neue-Erkenntnisse-zum-SUV-Unfall/!5631690
 (DIR) [6] https://www.lifepr.de/inaktiv/changing-cities-ev/Mahnwache-zum-Jahrestag-des-Unfalls-in-der-Invalidenstrasse/boxid/813594
 (DIR) [7] https://gemeinde-am-weinberg.de/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gereon Asmuth
       
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