# taz.de -- Diana Kinnert über die Zukunft der CDU: „Der Rückzug ist keine Lösung“
       
       > Die CDU muss die offene Flanke zur AfD endlich schließen, fordert Diana
       > Kinnert, Nachwuchstalent ihrer Partei. Alles andere wäre der Sargnagel
       > für die CDU.
       
 (IMG) Bild: „Jede Annäherung an eine rechtsextreme Partei ist ausgeschlossen“, sagt Diana Kinnert
       
       taz: Frau Kinnert, Annegret Kramp-Karrenbauer wird den CDU-Vorsitz abgeben,
       Kanzlerkandidatin will sie auch nicht mehr werden. Wie bewerten Sie das? 
       
       [1][Diana Kinnert]: Es ist bedauerlich, aber verständlich, da der Eindruck
       entstanden ist, sie könne die Partei nicht mehr einig nach vorne bringen.
       Thüringen hat gezeigt, dass es ihr nicht nur an Autorität und Rückhalt,
       sondern auch an einem Plan fehlt. Kramp-Karrenbauer und Generalsekretär
       Paul Ziemiak waren stets klar hinsichtlich der Bewertung der AfD als
       reaktionäre und rechtsextreme Partei; einzig man kann es einer Partei nicht
       glauben, wenn sich ein ganzer Landesverband im Widerspruch verhält.
       [2][Kramp-Karrenbauers Rückzug] ist darum auch noch lange keine
       Erleichterung oder gar Lösung für die Partei. Die Integration der
       Landesverbände bei gleichzeitig klarer Haltung gen Rechtsextremismus wird
       enorm herausfordernd. Das Signal, dass Kramp-Karrenbauer daran gescheitert
       ist, ist fatal.
       
       Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) hat versucht, vor der Abstimmung in
       Thüringen auf FDP-Chef Lindner einzuwirken, dass die FDP keinen Kandidaten
       aufstellt. Lindner lässt die Dinge laufen und wird – nachdem der
       Schlamassel angerichtet ist – vom FDP-Vorstand bestätigt. AKK findet klare
       Worte und schmeißt jetzt hin. 
       
       Das ist ungeheuerlich. Mohring und Kemmerich waren schamlos, skrupellos und
       verantwortungslos und verantworten einen Kulturbruch in der bundesdeutschen
       Geschichte. Lindner hat das mindestens gebilligt, lavierte und relativierte
       anschließend. Drei Männer waren also nicht nur unfähig, sondern lagen ganz
       klar falsch, – und die Frau, die von Anfang an klar war und der es an
       Rückhalt fehlte, muss jetzt in einem großen Knall gehen.
       
       Es gibt diese Grundsatzfrage, die ihre Partei zu zerreißen droht: Wie
       halten wir es mit AfD und Linkspartei? Die CDU hat sich – mit
       Parteitagsbeschluss – für eine Äquidistanz entschieden, die
       Regierungsbildung derzeit in Thüringen so schwierig macht. War das ein
       Fehler? 
       
       Nein, ich glaube, dass die CDU ihre Werte tatsächlich nur dann glaubhaft
       vertreten kann, wenn sie eine [3][Zusammenarbeit auch mit der Linken]
       weiterhin ausschließt. Da gibt es viele moderne, vernünftige Leute, wie
       Bodo Ramelow, den ich immer als konservativen Sozialdemokraten eingestuft
       habe. Aber solange die Gesamtpartei ein aus christdemokratischer Sicht
       unaufgeklärtes Verhältnis zur eigenen Geschichte besitzt und noch immer den
       Unrechtsstaat DDR relativiert, kann es keine Zusammenarbeit geben. Dass
       jede Annäherung an eine reaktionäre, rechtsextreme Partei mit faschistoiden
       Elementen wie die AfD ausgeschlossen ist, versteht sich von selbst.
       
       Zugespitzt gesagt bedeutet das eine Gleichsetzung von Björn Höcke mit Bodo
       Ramelow. Das ist schwer nachvollziehbar. 
       
       Nein, das sehe ich anders. Die AfD ist eine demokratiefeindliche Partei und
       damit Gegner aller aufrechten Demokraten, Björn Höcke noch dreimal mehr.
       Aber Union und Linkspartei trennt Wesentliches innerhalb des politischen
       Streitraums. Das ist bei aktuellem Stand nicht zusammenzubringen.
       
       Sollte aus ihrer Sicht trotz der schwierigen Lage in Thüringen
       ausgeschlossen sein, dass CDU-Landtagsabgeordnete Ramelow, den Sie ja für
       vernünftig halten, zum Ministerpräsidenten zu wählen? 
       
       Ja, weil es dazu einen klaren Parteitagsbeschluss gibt. Wer den aufgibt,
       gibt auch die Funktionalität des Parteiapparats im Gesamten auf. Und ich
       halte es auch für falsch, inhaltliche Debatten zu ersetzen mit: Alle
       Demokraten gegen die AfD. Damit wertet man sie als
       Anti-Establishment-Partei nur auf. Wir müssen uns um Probleme kümmern, wie
       soziale Isolation und Einsamkeit, Investition und Infrastruktur auf dem
       Land, die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse. Und sicherlich war es zu
       kurz gedacht, die Bewegungen um die organisierte Werteunion unkommentiert
       zu lassen. Wer sich am Parteirand als Vereinigung aufspielt, Gelder
       einkassiert und spalterische Kampagnen fährt, verhält sich klar
       parteischädigend. Daher braucht es einen Unvereinbarkeitsbeschluss.
       
       Die Konsequenz könnten mehrere tausend Parteiausschlussverfahren sein. 
       
       Wie das juristisch zu machen ist, kann ich nicht genau einschätzen. Aber
       ich weiß: Ich kann mir, wie viele in der CDU, nicht vorstellen, in einer
       Partei aktiv zu sein, die sich nicht unmissverständlich gegen die AfD
       positioniert. Das haben AKK und Paul Ziemiak auch sehr klar kommuniziert.
       Aber wenn ein Landesverband sich da querstellt, gibt es ein
       Glaubwürdigkeitsproblem. Die neuen Umfragen in Thüringen sprechen ja Bände:
       Die FDP wäre ganz aus dem Landtag raus, die CDU fällt um 10 Prozentpunkte
       auf 12 Prozent, halbiert sich beinahe. Es wäre der Sargnagel für die CDU,
       wenn man diese Flanke offen ließe. Ich bin überzeugt, zehntausende
       Parteimitglieder würden der Union den Rücken kehren, wenn sie offen mit
       Rechtsextremen kooperierte.
       
       Die CDU steht vor einer riesigen Herausforderung. Wem der Kandidaten, die
       jetzt für die AKK-Nachfolge im Spiel sind – Armin Laschet, Friedrich Merz,
       möglicherweise auch noch Jens Spahn –, trauen Sie zu, diese zu bewältigen? 
       
       [4][Friedrich Merz] ist die falsche Person, das habe ich aber vor einem
       Jahr noch anders gesehen. Aber inzwischen hat er sich so sehr als
       Projektionsfläche angeboten und mit Zuspitzungen und Provokationen hat
       anreichern lassen, dass ich ihm weniger die Einigung als doch die
       Polarisierung innerhalb der Partei zutraue. Armin Laschet könnte ich mir
       besser vorstellen. Es sollte auf jeden Fall jemand sein, der sich in der
       Partei schon als Ministerpräsident oder Ähnliches verdient gemacht hat. Und
       als Kanzlerkandidaten sollte man Markus Söder nicht ausschließen.
       
       11 Feb 2020
       
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