# taz.de -- Klimaschutzziel für 2030: Jetzt auch offiziell verfehlt
       
       > Zwei Regierungsgutachten zeigen, dass das Klimaziel für 2030 ohne
       > Zusatzmaßnahmen nicht erreicht wird. Große Probleme gibt es beim Verkehr.
       
 (IMG) Bild: Für sie stand schon vorher fest, dass das Klimapaket baden geht: AktivistInnen im Herbst in der Spree
       
       BERLIN taz | Es hätte ein Zeichen sein sollen, dass die Regierung beim
       Klimaschutz nicht mehr gegeneinander, sondern miteinander arbeitet:
       Zusammen sollten die Staatssekretäre aus den Bundesministerien für Umwelt
       und für Wirtschaft am Donnerstag zwei Gutachten zur Frage vorstellen, wie
       effektiv das [1][kürzlich beschlossene Klimaschutzprogramm] ist. Die
       Einladungen waren verschickt, die gemeinsame Pressemitteilung vorbereitet.
       Die Kanzlerin, so ist zu hören, hatte sich dieses gemeinsame Vorgehen
       ausdrücklich gewünscht.
       
       Doch daraus wurde nichts: Kurz vor dem Termin sagte das von Peter Altmaier
       (CDU) geleitete Wirtschaftsministerium die Teilnahme seines
       Energie-Staatssekretärs ab – „aus dringenden Termingründen“, wie es hieß.
       Das Umweltministerium stellte nur die Ergebnisse der eigenen vom
       Öko-Institut erstellten Studie vor; das Wirtschaftsministerium
       veröffentlichte einige Ergebnisse seiner eigenen vom Prognos-Institut
       erstellten Studie später schriftlich. Das gemeinsame Signal fiel damit
       aus.
       
       Dabei sind die Zahlen gar nicht so schlecht: Um mindestens 55 Prozent
       sollen die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2030 im Vergleich zu 1990 sinken;
       erreicht werden davon, sofern alle geplanten Maßnahmen umgesetzt werden,
       laut Öko-Insitut 51 und laut Prognos 52 Prozent. Ohne das
       Klimaschutzprogramm würden den Berechnungen zufolge nur 41 Prozent
       erreicht.
       
       Die einzelnen Sektoren schneiden dabei sehr unterschiedlich ab: Industrie
       und Energiewirtschaft erreichen ihre Ziele zumindest annähernd. Bei
       Gebäuden und Landwirtschaft werden sie dagegen deutlich verfehlt, im
       Verkehrssektor sogar dramatisch: Hier wird den Berechnungen zufolge nicht
       mal die Hälfte der vorgesehen CO2-Einsparung erreicht.
       
       „In den Bereichen, wo sich die Politik bereits erfolgreich gekümmert hat,
       liegen wir weitgehend auf Kurs“, kommentierte Umweltministerin Svenja
       Schulze (SPD) die Ergebnisse. Im Verkehrsbereich sei dagegen noch viel zu
       tun. „Die neuen Zahlen geben uns hier deutliche Warnsignale und zeigen
       Handlungsbedarf fürs Klimakabinett.“ Wenn sie ihre Ziele nicht erreichen,
       müssen die Ressorts neue Maßnahmen vorlegen; so ist es im Klimaschutzgesetz
       festgelegt.
       
       Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) kündigte an, die Gutachten noch
       einmal gesondert auswerten zu lassen. Er räumte aber ein, es zeichne sich
       ab, „dass wir noch deutlich mehr Dynamik brauchen“. Für das
       Wirtschaftsministerium erklärte eine Sprecherin, die Zahlen zeigten, dass
       der Kohleausstiegspfad und das Klimaschutzpaket wirkten.
       
       Umweltverbände nutzten die neuen Gutachten dagagen für scharfe Kritik an
       der Bundesregierung. Greenpeace sprach von „Dokumenten klimapolitischen
       Scheiterns“, Fridays for Future schrieb: „Das Klimapaket versagt komplett
       und bedeutet damit die Klimakapitulation dieser Regierung.“
       
       ## Ökostromlücke droht
       
       Ein weiteres Problem droht derweil beim Ökostromausbau: In seiner
       Berechnung geht das Öko-Institut davon aus, dass der Anteil der
       erneuerbaren Energien am Stromverbrauch bis 2030 wie geplant auf 65 Prozent
       steigt. Doch um dies Ziel tatsächlich zu erreichen, müssten die Ausbauziele
       für Wind- und Solaranlagen deutlich erhöht werden, warnte der Thinktank
       Agora Energiewende am Donnerstag.
       
       Davon ist derzeit aber wenig zu sehen. Selbst die aktuellen, zu niedrigen
       Ziele werden bei der Windenergie derzeit verfehlt. Auch bei der
       Solarenergie droht ein Einbruch, wenn der dort geltende Deckel nicht
       kurzfristig aufgehoben wird. Bei den Verhandlungen dazu gibt es aber keine
       Fortschritte. Der [2][jüngste Vorschlag des Wirtschaftsministeriums], auf
       den umstrittenen verbindlichen Mindestabstand von Windrädern zu Wohnhäusern
       zu verzichten, stößt in der Unionsfraktion auf Widerstand.
       
       5 Mar 2020
       
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