# taz.de -- Kommentar Debatte um Muezzinrufe: Schluss mit der Symbolpolitik
       
       > Ob Muezzine zum Gebet rufen dürfen, wird schnell zur Grundsatzfrage.
       > Dabei wäre es in Corona-Zeiten angezeigt, den Muslimen entgegenzukommen.
       
 (IMG) Bild: Zweierlei Maß: Die einen dürfen bimmeln, die anderen nicht rufen
       
       Die [1][Debatte um Muezzinrufe] zeigt: Hier geht es um das Symbolische.
       Während am Ostersonntag die Kirchen die Glocken läuten und Musiker*innen
       von ihren Balkonen „Christ ist erstanden“ anstimmen, stoßen muslimische
       Gemeinschaften auf bürokratische Hindernisse, wenn sie zum häuslichen
       Freitagsgebet aufrufen wollen. Dahinter verbirgt sich kein Säkularismus,
       sondern die Frage: Gehört der Islam zu Deutschland? Und wenn ja, in welchem
       Maß?
       
       Denn tatsächlich fällt auf, dass die Debatte um Religionsfreiheit nur dann
       entflammt, wenn es um muslimische Symbole geht – seien es die [2][Minarette
       an der Moschee], die ewige [3][Kopftuch]- und [4][Burkafrage] oder eben nun
       die [5][Rufe der Muezzine].
       
       Glaubt man Kommentator*innen im Internet, ist die
       christlich-abendländlische Kultur durch all diese Dinge bereits in Gefahr.
       Ein Narrativ, das geprägt ist durch rassistische Stereotype und eine klare
       Abgrenzung des „Wir“ von den „Anderen“.
       
       Hinter dieser symbolisch aufgeladenen Scheindebatte werden die Menschen
       vergessen, die in Zeiten von Corona einen Rückhalt in ihrem Glauben und der
       Gemeinschaft suchen. Ramadan ist der heiligste Monat im Islam, doch wir
       Muslime, die in Deutschland aufwachsen, erleben die Fastenzeit auch sonst
       ganz anders als Verwandte in muslimisch geprägten Ländern. Weiterhin lange
       Arbeitstage und Termine statt freier Tage am Zuckerfest, um mit der Familie
       zu feiern.
       
       ## Gemeinsames Fastenbrechen ist dieses Jahr kaum möglich
       
       Denn das, was Ramadan zu einer besonderen Zeit macht, ist das Fastenbrechen
       nach Sonnenuntergang in der Gemeinschaft von Familie und Freund*innen. In
       diesem Jahr ist es für viele muslimische Menschen wegen der Kontaktverbote
       überhaupt nicht möglich.
       
       Der Ruf eines Muezzins zum „Jummah“, dem Freitagsgebet, kann den Menschen
       Kraft und Halt in der Krise geben und ihnen in einer spirituellen Phase, in
       der die Gläubigen normalerweise stärker zusammenrücken, zeigen, dass sie
       nicht allein sind. Die Mehrheitsgesellschaft sollte sich von der
       Symbolpolitik lösen und Menschen in schwierigen Zeiten entgegenkommen. Alle
       anderen können sich ja an dem meist sehr schönen Gesang der Muezzine
       erfreuen – oder das Fenster für fünf Minuten schließen.
       
       22 Apr 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sarah Zaheer
       
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