# taz.de -- Chef der Biomarke Rapunzel zu Corona: Der Märchenerzähler
       
       > Der Chef des Bioherstellers Rapunzel, Joseph Wilhelm, verbreitet Mythen
       > über das Coronavirus. Sie sind menschenverachtend und populistisch.
       
 (IMG) Bild: Wilhelm glaubt nicht an Abstandhalten
       
       Was ist bloß in Joseph Wilhelm, den Gründer und Geschäftsführer der
       bekannten Biolebensmittelmarke Rapunzel, gefahren? [1][In mehreren
       „Wochenbotschaften“] auf der Internetseite seines Unternehmens, zu dem auch
       der Ökoaufstrich-Lieferant „Zwergenwiese“ gehört, verbreitet der 66-Jährige
       Verschwörungsthesen zur Coronapandemie, die menschenverachtend,
       wissenschaftsfeindlich und populistisch sind.
       
       Wilhelm lehnt Kontaktbeschränkungen, Sicherheitsabstand und
       Mundschutzmasken („Maulkörbe“) ab. Er spricht von „unangemessenen
       Maßnahmen“. Es geht ihm nicht um durchaus verständliche Kritik an Teilen
       der Anti-Corona-Politik. Er stellt entgegen aller Wissenschaft die
       Gefährlichkeit des hochansteckenden und anders als die Grippe kaum
       behandelbaren Virus infrage. Seine Begründung: Es seien doch gar nicht so
       viele Menschen gestorben, wie „von unseren Politikern“ „angedroht“. Nur ein
       Bruchteil der seit Anfang des Jahres Verstorbenen seien infiziert gewesen.
       Herzerkrankungen und Durchfall würden viel mehr Opfer fordern. Dass in
       spanischen oder italienischen Intensivstationen Patienten mangels Betten
       nicht mehr gepflegt werden konnten und starben, blendet der Allgäuer
       Bio-Pionier aus. Dort hat die Politik es eben nicht geschafft, die
       Infektionszahlen niedrig genug zu halten. Wilhelm will offenbar nicht
       verhindern, dass Coronakranke sterben.
       
       Er schreibt – frei nach dem [2][Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer] –
       weiter: „Aber sind wir doch mal ehrlich: Umso älter Menschen werden, umso
       weniger bedeutsam ist die Todesursache. Unser Leben ist nun mal endlich.“
       Es sei seltsam, „dass wir den Tod, dem wir aus welchen Gründen auch immer
       irgendwann erliegen werden, mit allen Mitteln zu verhindern suchen.“ Das
       habe – legt Wilhelm nahe – wirtschaftliche Ursachen, denn mit der
       Todesangst ließen sich „hervorragend Geschäfte machen“.
       
       Zu allem Überfluss setzt er auch noch Schwangerschaftsabbrüche mit
       Infektionstoten gleich: „Dass wir vor allem in ‚modernen‘ Gesellschaften
       mit rund 12 Millionen offizieller Abtreibungen Leben verhindern, wird
       gleichzeitig als Errungenschaft dargestellt. Was macht den Unterschied
       zwischen Leben, das sich verabschieden will, und Leben, das kommen will?“
       
       ## Impfen? „Nur über meine Leiche“
       
       Noch menschenverachtender wird Wilhelm, wenn er über Viren theoretisiert:
       „Sie sind Teil des biologischen Lebens auf unserer Erde und leisten ihren
       Beitrag zur Weiterentwicklung desselbigen und der menschlichen Anatomie und
       Psyche.“ Wenn ein Mensch an Covid-19 stirbt, dann ist das okay, weil er
       nicht stark genug war?
       
       Obwohl es noch keinen Impfstoff gibt, will Wilhelm schon wissen, dass die
       Immunisierung nicht wirken werde. Die Langzeitfolgen seien nicht geprüft.
       Impfen? „In diesem Fall traue ich mich zu sagen: ‚Nur über meine Leiche‘,
       das bin ich mir wert.“
       
       Zu solchen Anschauungen kommt Wilhelm offenbar auch, weil er nur
       Informationen wahrnimmt, die in sein Weltbild passen, damit er sich nicht
       von der Coronakrise „dominieren lassen“ muss. „Das gelingt mir leichter,
       weil ich seit Beginn der C-Krise keine einzige „Tagesschau“, keine
       Sondersendung, angesehen habe. (Tu ich sonst ja auch nicht.)“ Auch die
       Radionachrichten könne er kaum noch ertragen, „die unsäglichen
       Einspielungen von Durchhalteparolen“ wie „wir bleiben zuhause, wir schützen
       Leben“. Die „Armeen willfähriger Mainstream-Journalisten“ würden Zweifler
       „mundtod“ machen. Als Beispiel führt Wilhelm Weltärztepräsident Frank
       Ulrich Montgomery an. Doch ausgerechnet dessen [3][Kritik an einer
       Maskenpflicht] ist in den meisten Medien ausführlich zitiert worden.
       
       Wichtiger als Impfen und Abstandhalten ist für den Bio-Chef „eine gesunde
       und gleichzeitig nachhaltige Lebensweise mit gesunder, vollwertiger
       Ernährung“. Das schütze am besten gegen Viren und Krankheiten. Doch das
       „wird ja weithin ignoriert und von vielen Medien totgeschwiegen“. Denn
       diese Lösung sei „zu einfach, zu billig, zu wenig umsatzträchtig für die
       großen Konzerne“. In Wirklichkeit gibt es keine seriösen Belege dafür, dass
       eine gesunde Ernährung ausreichend vor einer Corona-Infektion schützt. Dass
       die meisten Toten Vorerkrankungen hatten, macht den Verlust ihres Lebens
       nicht besser.
       
       ## Bio-Dachverband distanziert sich
       
       Wahrscheinlich spricht Wilhelm nur aus, was ein Teil der Biobewegung denkt.
       Gerade im anthroposophischen Lager und dem Bioverband Demeter gehört das
       Misstrauen gegenüber dem Impfen zum guten Ton. Aber wie weit verbreitet die
       Coronaskepsis bei den Bios ist, weiß niemand. Felix Prinz zu Löwenstein,
       der Vorstandsvorsitzende des Bunds Ökologische Lebensmittelwirtschaft,
       jedenfalls sagte der taz über Wilhelms Einlassungen: „Bio fußt auf
       demokratischen Prinzipien und wissenschaftlicher Erkenntnis und deswegen
       sind wir dagegen, irgendwelche Verschwörungstheorien zu Wissenschaft zu
       erklären.“ Für ihn sei klar, dass wir „den gewählten Vertretern“ in dieser
       Krise vertrauen.
       
       Selbst Rapunzel ist die Sache inzwischen wohl peinlich: Nachdem am Montag
       im Internet Boykottaufrufe aufgetaucht waren, nahm die Firma Wilhems
       Coronabotschaften von ihrer Internetseite. In einer Stellungnahme für die
       taz bezeichnete er zum Beispiel seine „Nur über meine Leiche“-Äußerung zu
       Impfungen als „überzogen“.
       
       Anmerkung der Redaktion vom 03.06.20: 
       
       In einer früheren Version dieses Textes hieß es, an Covid-19 seien auch
       Menschen gestorben, die sich gesund ernährt und bewegt hätten. Zwar
       verweist das Robert-Koch-Institut darauf, dass schwere Verläufe „auch bei
       Personen ohne bekannte Vorerkrankung auftreten können und auch bei jüngeren
       Patienten beobachtet werden“. Allerdings liegen uns bisher keine
       zuverlässigen Daten über die Ernährung und das Bewegungsverhalten der
       Betroffenen vor. Wir haben die betreffende Passage deshalb gestrichen und
       durch „In Wirklichkeit gibt es keine seriösen Belege dafür, dass eine
       gesunde Ernährung ausreichend vor einer Corona-Infektion schützt“ ersetzt.
       
       18 May 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://twitter.com/Alert4_Alert4/status/1261930527617093634?s=20
 (DIR) [2] /Corona-Aeusserungen-von-Boris-Palmer/!5682855
 (DIR) [3] /Maskenpflicht-in-Deutschland/!5678313/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jost Maurin
       
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