# taz.de -- Milliardenhilfen für Europa nach Corona: Noch ist nichts gewonnen
       
       > Mit Hunderten Milliarden Euro soll die EU nach der Coronakrise wieder auf
       > die Beine kommen. Gefordert ist dabei vor allem Kanzlerin Angela Merkel.
       
 (IMG) Bild: Merkels Herkulesaufgabe: Deutschland übernimmt die Ratspräsidentschaft der EU am 1. Juli
       
       Brüssel hat einen Plan. Er heißt [1][„Next Generation EU“], kostet schlappe
       750 Milliarden Euro auf Pump – und soll den Wiederaufbau der europäischen
       Wirtschaft nach der Coronakrise sichern.
       
       Nach wochenlangem planlosem Gezerre ist das eine gute Nachricht. Zu Beginn
       der Krise ließen sich die 27 EU-Staaten von Egoismus und Nationalismus
       leiten. Nun wird wieder über Solidarität geredet.
       
       Doch wird diese Solidarität auch gelebt? Das ist die Frage, die die
       nächsten Wochen in Brüssel beherrschen wird und die über das Schicksal der
       EU entscheidet. Denn wenn die Union diesen Solidaritätstest nicht besteht,
       dann wird sie untergehen. Jetzt hat die „Stunde der Wahrheit“ geschlagen,
       die Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron seit Wochen beschwört. Vor allem
       Kanzlerin Angela Merkel muss Widerstände überwinden und Mehrheiten
       organisieren.
       
       ## Atemberaubende Kehrtwende
       
       Warum kommt es auf die Kanzlerin an? Nun, weil sich Macron seiner
       Verbündeten sicher sein kann. Er war es, der schon im März ein Bündnis von
       neun Staaten organisiert hat, die für mehr Solidarität stritten – damals
       hieß der Schlachtruf noch „Coronabonds“.
       
       Macron war es auch, der Merkel zu ihrer atemberaubenden [2][Kehrtwende in
       der Finanzpolitik] bewegt hat. Die Kanzlerin dagegen steht noch ganz am
       Anfang. Sie hat keine Bündnisse auf europäischer Ebene geschmiedet, die
       eine schnelle Einigung sichern könnten. Sie kann sich nur auf
       Kommissionschefin Ursula von der Leyen stützen. Der Rest ist Schweigen –
       oder offene Ablehnung. Das Problem sind nicht nur [3][die viel zitierten
       „Frugal Four“] – also die geizigen Vier um den österreichischen Kanzler
       Sebastian Kurz. Sie denken und reden immer noch wie Merkel vor der
       Coronakrise; die Kanzlerin hat sie nicht mitgenommen.
       
       Das Problem sind auch die Visegrád-Staaten, die bisher von vollen EU-Töpfen
       profitiert haben und nun plötzlich teilen sollen. Polen und Ungarn müssen
       sogar mit Kürzungen rechnen, wenn die Finanzhilfen künftig an
       Rechtsstaatlichkeit gebunden werden.
       
       Mit beiden Gruppen hat sich Merkel bisher gut verstanden, es gab auch
       manche Kungelei. Nun muss sie sie zum Umdenken bewegen. Das dürfte nicht
       einfach werden. Allerdings zeichnen sich auch schon mögliche Kompromisse
       ab. So könnte der Wiederaufbaufonds von den geplanten 750 Milliarden Euro
       auf 500 Milliarden zusammengestrichen werden. Wir wären dann wieder bei der
       Summe, die Merkel und Macron vorgeschlagen hatten.
       
       ## Merkel muss liefern
       
       Außerdem können die Staats- und Regierungschefs bei den nun anstehenden
       Verhandlungen den „Mix“ zwischen Transfers und Krediten verändern. Am Ende
       könnte ein „50:50“ stehen – die eine Hälfte wird als rückzahlbare Kredite
       vergeben, die andere Hälfte als Zuwendungen.
       
       Merkel kann auch noch an den EU-Beiträgen drehen – und durchsetzen, dass
       die umstrittenen Beitragsrabatte bleiben. Dies würde Kurz und dem
       niederländischen Premier Mark Rutte entgegenkommen. Sie könnten sich doch
       noch als Sieger präsentieren.
       
       Allerdings würden derlei Kompromisse den Zusammenhalt der EU schwächen und
       die Solidarität untergraben. Wenn Merkel als künftige EU-Ratspräsidentin an
       zu vielen Schrauben dreht, dann steht nicht nur weniger für den
       Wiederaufbau zu Verfügung. Dann könnte auch das Geld in der
       Gemeinschaftskasse knapp werden.
       
       Schon jetzt ist das EU-Budget auf Kante genäht. Der EU-Beitrag von rund 1
       Prozent der Wirtschaftsleistung reicht hinten und vorne nicht. Er muss
       spürbar erhöht werden, wenn die EU die Krise wirklich meistern will.
       
       Wichtig wäre es auch, der EU neue Eigenmittel – also Steuern und Abgaben –
       zu sichern, um sie von den Staaten unabhängiger zu machen und die
       Rückzahlung der Schulden zu sichern. Bisher war Bundeskanzlerin Merkel
       dagegen. Auch sie wird sich noch bewegen müssen.
       
       30 May 2020
       
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