# taz.de -- App für Perspektiven-Vielfalt: Sie wollen gelernt haben
       
       > Das Journalismus-Start-up „The Buzzard“ musste schon vor dem Start seiner
       > App harsche Kritik einstecken. Haben die Macher dazugelernt?
       
 (IMG) Bild: Das Journalismus-Start-up The Buzzard will zu einem Diskurswandel beitragen
       
       Die Ziele sind ambitioniert. [1][Nichts weniger als einen Wandel des
       „vergifteten Diskurses“ will The Buzzard erreichen]. Dazu hat das junge
       Team um die beiden Gründer Felix Friedrich und Dario Nassal eine Plattform
       entwickelt, auf der Nutzer*innen zu aktuellen Debatten und Nachrichten
       unterschiedliche Perspektiven finden können.
       
       Wichtig dabei: Die verwendeten Quellen sollen möglichst vielfältig sein –
       von klassischen Leitmedien zu Blogs, von links nach rechts. „Wir glauben
       nicht, dass das Internet dafür gemacht wurde, dass Menschen in Filterblasen
       verschwinden“, sagt Friedrich.
       
       Für ihre Idee bekamen die Macher seit dem Start der Testphase 2017 viel
       Anerkennung aus der Branche. Neben einigen Innovationspreisen konnte The
       Buzzard auch schnell etliche prominente Unterstützer gewinnen, eine
       Crowdfunding-Kampagne spielte über 170.000 Euro ein.
       
       Doch dann folgte Ende vergangenen Jahres heftige Kritik. Der Grund:
       [2][Während der öffentlichen Testphase des Prototyps hatte es eine illustre
       Liste von rechtsradikalen, verschwörungsideologischen und staatsnahen
       Medien in die Quellenauswahl geschafft.] Zur Frage, ob die
       rechtspopulistische französische Politikerin Marine Le Pen eine gute
       Präsidentin wäre, durfte etwa das rechtsextreme Blog PI-News als
       Pro-Standpunkt herhalten.
       
       Quellen nach Vertrauenswürdigkeit sortiert 
       
       Gründer Nassal erklärte damals, man habe bloß das Narrativ der Rechten
       offenlegen wollen. Zudem wolle man nicht einzelne Medien kategorisch
       ausschließen, sondern die jeweiligen Beiträge auf ihren Gehalt hin prüfen.
       Für weitere Irritationen sorgte allerdings, dass die Selbstbeschreibung
       dieser Medien von der Buzzard-Redaktion ohne entsprechende Einordnung
       wiedergegeben wurde.
       
       Statt einer Offenlegung gefährlicher Narrative finde schlicht eine
       Gleichsetzung von unseriösen mit seriösen Quellen statt, so die Kritik.
       Mehrere Unterstützer*innen wie der CDU-Politiker Ruprecht Polenz oder die
       Journalistin Hatice Akyün distanzierten sich öffentlich von dem Projekt.
       
       Zum offiziellen Start der App am Dienstag betonten die Macher nun, aus der
       Kritik gelernt zu haben. Gemeinsam mit dem journalistischen Beirat habe man
       in den vergangenen Monaten an der kritisierten Methodik gearbeitet.
       Herausgekommen sind dabei unter anderem drei Kategorien, in die Quellen
       anhand ihrer Vertrauenswürdigkeit sortiert werden.
       
       Medien, die auf dem dritten Stapel landen, werden nicht verwendet, weil sie
       gegen journalistische Mindeststandards oder eines der Ausschlusskriterien –
       wie rassistische Inhalte – verstoßen. Dazu zählen etwa PI-News, Indymedia,
       Compact oder die Sezession.
       
       Angebot für Menschen mit wenig Zeit 
       
       Zahlende Nutzer*innen bekommen jetzt täglich um 18 Uhr einen kuratierten
       Perspektivenüberblick zu drei aktuellen Nachrichtenthemen. Dazu stellen die
       Redakteur*innen etwa fünf Artikel zusammen, schreiben eine kurze
       Zusammenfassung und ordnen Quellen und Autor*innen ein.
       
       In der weiteren Rubrik Debatte wird dagegen klar in Pro und Contra
       unterschieden – entsprechend werden bewusst Meinungsbeiträge ausgewählt.
       Zum Start der App lautete die Frage beispielweise, ob die Bundesregierung
       die Coronakrise bisher gut gemanagt habe. Von fragwürdigen Quellen war
       wenig überraschend nichts mehr zu sehen.
       
       Ihre App sehen Nassal und Friedrich vor allem als Angebot für Menschen, die
       wenig Zeit haben. Wegen des festen Erscheinungstermins, der redaktionellen
       Kuration und des kompakten Überblicks erinnere man dabei fast schon an eine
       gedruckte Zeitung, sagen die Gründer. Ein Produkt, dessen ins Digitale
       transformierte Übersichtlichkeit sich viele Nutzer*innen wünschen würden,
       so Nassal.
       
       Gefühlte Wahrheiten als Prämissen 
       
       Das kann für diese Nutzergruppe tatsächlich gut funktionieren. Wer sich
       über die Themen des Tages kompakt und dennoch vielfältig informieren
       möchte, bekommt mit der Auswahl und den gut lesbaren Zusammenfassungen der
       Buzzard-Redaktion durchaus einen Mehrwert geboten. In Bezug auf das
       selbsterklärte Ziel eines Diskurswandels überzeugt die App dagegen weniger.
       
       Das liegt vor allem daran, dass bereits die Prämissen der Macher eher
       gefühlte Wahrheiten sind: Überall Filterblasen, immer mehr Menschen lesen
       nur noch, was ihr Weltbild bestätigt, die Demokratie in Gefahr? Das mögen
       Befunde sein, die täglich durch den öffentlichen Diskurs getrieben werden.
       Allerdings: So schmissig sich damit komplexe gesellschaftliche Probleme auf
       simple Konzepte herunterbrechen lassen, so wenige empirische Beweise aus
       der Forschung gibt es dazu – im Gegenteil.
       
       Ähnliches gilt für die stille Annahme, dass Menschen mit extremistischen
       Positionen einfach nur die richtigen Argumente kennen müssten, um ihren
       Irrweg einzusehen. Ganz abgesehen davon, dass sich diese wohl kaum eine App
       wie The Buzzard installieren werden.
       
       20 May 2020
       
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