# taz.de -- Verfassungsgericht in der Türkei: Demirtaş rechtswidrig inhaftiert
       
       > Der Ex-Chef der prokurdischen HDP sitzt seit November 2016 im Gefängnis –
       > zu Unrecht, wie das türkische Verfassungsgericht nun geurteilt hat.
       
 (IMG) Bild: Unterstützerin der prokurdischen HDP hält ein Bild von Selahattin Demirtaş in der Hand
       
       ANKARA afp | Das türkische Verfassungsgericht hat die jahrelange
       Inhaftierung des kurdischen Oppositionsführers Selahattin Demirtaş als
       rechtswidrig eingestuft. In einem am Freitag veröffentlichten Urteil
       stellte das Verfassungsgericht fest, dass die Freiheits- und
       Sicherheitsrechte des früheren Präsidentschaftskandidaten und Vorsitzenden
       der prokurdischen HDP verletzt worden seien.
       
       Der charismatische Demirtaş war lange ein gefährlicher Rivale für den
       islamisch-nationalistischen Präsidenten der Türkei, Recep Tayyip Erdoğan.
       Dann wurde ihm von der Regierung in Ankara „Terrorismus“ vorgeworfen und er
       wurde im November 2016 inhaftiert.
       
       Die Anwälte von Demirtaş forderten nun seine sofortige Freilassung, doch
       war unklar, wie die Behörden verfahren würden. Zuvor hatte auch schon der
       Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erfolglos die Freilassung von
       Demirtaş in einer Entscheidung vom November 2018 verlangt. Das türkische
       Verfassungsgericht ordnete auch Schadenersatz zugunsten von Demirtaş in
       Höhe von umgerechnet 6.500 Euro an.
       
       Ein türkisches Gericht hatte im September 2019 ebenfalls die Freilassung
       des Ex-HDP-Chefs angeordnet. Doch Demirtaş kam nicht frei, weil er 2018 in
       einem anderen umstrittenen Verfahren zu vier Jahren und acht Monaten Haft
       wegen „Terrorpropaganda“ verurteilt worden war.
       
       ## Kampf gegen HDP und PKK
       
       Erdoğan wirft der HDP vor, der politische Arm der [1][Arbeiterpartei
       Kurdistans PKK] zu sein, die seit Jahrzehnten gewaltsam vor allem im
       Südosten der Türkei für die Rechte der Kurden und gegen den türkischen
       Staat kämpft. Die HDP weist dies zurück und betont, sich für eine
       friedliche Lösung des Kurden-Konflikts einzusetzen. Im noch laufenden
       Prozess gegen Demirtaş wegen „Terrorismus“ drohen ihm 142 Jahre Gefängnis.
       
       Die HDP ist die zweitstärkste Oppositionspartei in der Türkei. Nach dem
       gescheiterten Putschversuch 2016, für den Erdoğan die Bewegung des
       islamischen Predigers Fethullah Gülen verantwortlich macht, wurden auch
       alle anderen Regierungsgegner ins Visier genommen.
       
       [2][Gegen die HDP und prokurdische Gruppen] geht die Regierung seither noch
       härter vor, zahlreiche HDP-Politiker sind derzeit inhaftiert, gewählte
       HDP-Bürgermeister wurden abgesetzt.
       
       19 Jun 2020
       
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