# taz.de -- Protest gegen Inlandsflüge ab Lübeck: Transparente auf der Rollbahn
       
       > Mehrere Umweltgruppen protestieren auf dem Gelände des Flughafens Lübeck
       > gegen die Wiederaufnahme von Linienflügen.
       
 (IMG) Bild: Musikalisch Untermalt: Aktion gegen Flüge von Lübeck
       
       LÜBECK taz | Es ist noch dunkel, als eine Gruppe von 25 Aktivisten das Camp
       verlässt. Hektisch, verhuscht, ohne Frühstück und mit Leitern und Decken
       unterm Arm rennen sie über die dunkle Straße, wo Straßenlaternen gelbes
       Licht auf die Straße gießen. Der Asphalt ist über Nacht abgekühlt, sogar
       die Grillen sind verstummt, die den ganzen gestrigen Tag das Protestcamp
       beschallt haben.
       
       Die Aktivisten laufen auf der Schnellstraße, die zwischen der Weide, auf
       der sie übernachtet haben, und dem Lübecker Flughafen verläuft. Sie sollen
       auf das Rollfeld gelangen, bevor um halb sieben der erste Flieger hier
       abhebt – [1][der erste seit vier Jahren], nach München. Protestierende aus
       dem ganzen Bundesgebiet sind gekommen, um das zu verhindern.
       
       Viertel nach acht hat der Flieger noch nicht abgehoben. Eine Gruppe
       Aktivisten hat es geschafft, auf das Rollfeld zu gelangen und ihr
       Transparent auszubreiten: „Keine Linienflüge ab Lübeck – Kurzstreckenflüge
       nur für Insekten!“, steht darauf. Es ist das Motto der Gruppe Extinction
       Rebellion (XR), mit dem sie seit Monaten gegen die Wiedereröffnung des
       Lokalflughafens demonstriert.
       
       Sie findet, dass die Strecken nach München und Stuttgart, die von hier aus
       angeflogen werden, gut und umweltfreundlicher mit der Bahn erreichbar sind.
       Drei Aktivisten haben sich sogar als Passagiere ausgegeben und gelangen
       unbehelligt bis an die Maschine, aber dann werden sie gestoppt.
       Polizeibeamte, die mit der Aktion gerechnet haben, nehmen den Aktivisten
       die Transparente ab, sie kommen in Gewahrsam.
       
       Vor dem Flughafengebäude wird währenddessen weiter demonstriert. Inzwischen
       sind auch andere Gruppen dazugekommen, teilweise mit einer Fahrraddemo aus
       der Innenstadt, die eine Fahrradstunde entfernt ist. „Es ist toll, wie
       viele Gruppen hier zusammen gekommen sind“, sagt Jonna Schulz-Ehlbeck von
       der Lübecker Extinction Rebellion-Gruppe. Ergänzend zu den Aktionen von
       Extinction Rebellion haben Fridays for Future am Mittag zwei Demos am
       Flughafen und in der Innenstadt organisiert.
       
       Auf dem Airport-Gelände skandieren derweil Aktivisten von Greenpeace
       gemeinsam mit Fridays for Future, den Omas for Future und Parents for
       Future: „Lübeck nach Stuttgart – war ne schöne Zugfahrt“, und empfangen
       eine Maschine, die am frühen Nachmittag landet, mit lauten Buhrufen.
       Inzwischen sind etwa 200 Demonstrierende auf dem Gelände und zeitgleich
       etwa 50 vor dem Rathaus.
       
       Flugzeuge sehen sie hier nur wenige: Elf Inlandsflüge in der Woche werden
       ab heute wieder von hier angeboten, dazu Verbindungen nach England,
       Griechenland und Kroatien. Aber es ist eine große Veränderung: Seit 2016
       hat es keine Linienflüge aus Lübeck gegeben.
       
       Streit um den Flughafen im Süden der Stadt gab es oft – praktisch immer,
       wenn wieder eine Übernahme durch einen Investor anstand. 2012 zerbrach
       sogar die rot-rot-grüne Koalition an der Übernahmefrage. Es gab einen
       Bürgerentscheid über den Fortbestand, in dem die Lübecker sich für die
       Flüge aus ihrer Stadt entschieden, und kurz darauf, 2014, eine Insolvenz.
       
       Der damalige Besitzer war Monate zuvor auf mysteriöse Weise verschwunden.
       So waren manche Lübecker froh, als 2016 erstmals seit Langem wieder ein
       Lübecker den Airport kaufte, allerdings einer, der in der Stadt wegen
       sexistischer und rassistischer Äußerungen umstritten ist: der
       Pharma-Unternehmer Winfried Stöcker.
       
       Eigentlich war am Montag auch ein Gespräch mit ihm vereinbart, zu dem er
       aber nicht erscheint. Als er mit seiner schwarzen Limousine den Parkplatz
       verlassen will, rennen die Demonstranten zur Ausfahrt und blockieren sie,
       aber er geht aufs Gas, wendet und fährt kurzerhand auf der anderen Seite
       vom Grundstück.
       
       Stöcker ist eine Reizfigur. Vor allem aber sei der Flughafen nicht
       wirtschaftlich, argumentieren Fridays for Future: Seit seinem Bestehen 1950
       habe er die Stadt 65,8 Millionen Euro gekostet – obwohl er in privater Hand
       ist. In den vergangenen Tagen hatte es eine Diskussion zwischen Aktivisten
       und den Betreibern um die ökologischen Argumente gehen Kurzstreckenflüge
       gegeben, in der diese argumentiert hatten, die Bahn verbrauche für ihre
       Trassen ja viel mehr Flächen als der Flugverkehr. „Umweltschutz muss man
       sich leisten können“, steht darin.
       
       Ein XR-Aktivist und Mitorganisator der Aktionen, der nur bei seinem
       Vornamen Peter genannt werden will, resümiert: „Friedlicher Protest kann
       viel bewirken.“ Für ihn war die Veranstaltung schon deshalb ein Erfolg,
       „weil wir Teilnehmer aus fünf Bundesländern hier hatten“. Er glaubt, dass
       die Protesttage in Lübeck der [2][Auftakt für eine bundesweite Bewegung]
       gegen Inlandsflüge waren.
       
       18 Aug 2020
       
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