# taz.de -- Gewerkschaften verhandeln Gehälter: Ein mageres Plus, dafür sichere Jobs
       
       > Bahn und Eisenbahngewerkschaft einigen sich auf einen Tarifvertrag. In
       > Kitas und Krankenhäusern drohen Warnstreiks.
       
 (IMG) Bild: Die Eisenbahngewerkschaft (EVG) konnte bei den Verhandlungen nur kleine Erfolge erzielen
       
       BERLIN taz | In den kommenden Jahren müssen sich die meisten der rund
       215.000 Beschäftigten der Deutschen Bahn mit einer geringen Lohnsteigerung
       begnügen. Die Bahn und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG)
       einigten sich auf eine Lohnsteigerung um 1,5 Prozent zum Jahresbeginn 2022.
       Der Tarifvertrag läuft dann noch gut ein Jahr.
       
       Im Gegenzug zum mageren Plus sind betriebsbedingte Kündigungen bis zum Ende
       der Laufzeit ausgeschlossen. „Es geht darum, Verantwortung zu übernehmen in
       schwierigen Zeiten“, verteidigte EVG-Verhandlungsführer Klaus-Dieter Hommel
       den bescheidenen Abschluss. Personal-Vorstand Martin Seiler sprach von
       Tarif-Bündnis für sichere Arbeitsplätze und eine gute Ausbildung.
       
       Angesichts der desolaten finanziellen Lage der Bahn konnte die EVG immerhin
       noch ein paar kleine Erfolge erzielen. So verpflichtet sich das Unternehmen
       zur Einstellung von jährlich 18.000 neuen Beschäftigten in den nächsten
       Jahren. Das sind jeweils 2.000 mehr als sich in den Ruhestand
       verabschieden.
       
       Einen Extrazuschlag wird es künftig für die so genannten Wissensvermittler
       geben. Das sind Beschäftigte in der Werken oder Zügen, die neue Mitarbeiter
       einarbeiten. Außerdem wird die Freistellung von Beschäftigen, die pflegen
       oder Kinder betreuen verbessert. Hommel ist zufrieden. „Wir haben mehr
       Geld, wir haben keine Kündigungen, wir haben keine Kurzarbeit“, sagte er.
       
       ## Abschluss setzt Maßstab für öffentlichen Dienst
       
       Doch dafür musste er beim Lohn kräftig Federn lassen. Die letzte Erhöhung
       gab es am 1. Juli um 2,6 Prozent. Bis zur nächsten Erhöhung vergehen damit
       18 Monate. Auch deshalb tat sich die EVG hinter den Kulissen mit einer
       Zustimmung zum Abschluss schwer.
       
       Die andere Eisenbahngewerkschaft GDL, die vor allem Lokführer vertritt, hat
       sich erst gar nicht auf vorzeitige Verhandlungen eingelassen. Ihr
       Tarifvertrag läuft noch bis zum kommenden März. Die GDL lehnt ein Sparpaket
       zu Lasten der Beschäftigten ab. Hintergrund der moderaten Einigung ist die
       durch Corona noch deutlich verschärfte finanzielle Krise der Bahn. Im
       Gegenzug zu Milliardenhilfe des Bundes muss der Konzern jährlich 400
       Millionen Euro an Personalkosten einsparen.
       
       Mit Interesse haben wohl auch die Tarifparteien im öffentlichen Dienst des
       Bundes und der Kommunen das Ergebnis zur Kenntnis genommen. An diesem
       Wochenende starten sie die zweite Verhandlungsrunde für rund 2,5 Millionen
       Beschäftigte. Die Gewerkschaft Verdi und der Deutsche Beamtenbund (DBB)
       fordern 4,8 Prozent mehr Lohn. Arbeitgeberchef Ulrich Mädge beklagt die
       leeren Kassen der Städte und Gemeinden und hält eine Nullrunde für
       angebracht.
       
       ## Warnstreiks in Kitas und Krankenhäusern angedroht
       
       Eine schnelle Einigung erwarten die Gewerkschaften nicht. Mädge will einen
       Abschluss mit langer Laufzeit, um den Kommunen Planungssicherheit zu geben.
       Das wäre mit Verdi nur zu machen, wenn die Einkommenssteigerung
       entsprechend hoch ausfällt. Einen Abschluss in Höhe der Bahn wäre in den
       eigenen Reihen kaum vermittelbar, heißt es in Gewerkschaftskreisen.
       
       Bislang haben die Arbeitgeber noch kein Angebot vorgelegt. Ob sich dies am
       Wochenende ändert, wird für den Fortgang der Tarifauseinandersetzung
       wichtig sein. Denn die Gewerkschaften drohen mit Warnstreiks in Kitas oder
       Krankenhäusern, sollten sich die Arbeitgeber nicht bewegen. „Falls wir zu
       Arbeitskampfmaßnahmen aufrufen müssen, werden das so verantwortungsvoll
       tun, wie es in dieser Zeit notwendig ist“, betonte Verdi-Chef Frank
       Werneke. Eine Einigung ist nicht in Sicht. So wird es wohl erst in der
       dritten Verhandlungsrunde Ende Oktober zu einer Einigung oder einem Abbruch
       der Gespräche kommen.
       
       19 Sep 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Wolfgang Mulke
       
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